Der Frust der Investoren sitzt tief. Selbst gute Nachrichten perlen an der Aktie der German Startups Group ab – und das nicht erst seit ein paar Monaten. Folgerichtig stellt CEO Christoph Gerlinger das Geschäftsmodell als Venture Capital-Beteiligungsgesellschaft auf den Kopf und arbeitet am Umbau zur Transaktionsplattform für Startups-Anteile. Das bestehende Portfolio – hier sind einige hoch interessante Assets dabei – steht grundsätzlich zum Verkauf. Mit dem Erlös aus den Exits kauft die German Startups Group (GSG) unter anderem eigene Aktien zurück. Insgesamt tut sich also eine Menge bei dem Berliner Unternehmen. Boersengefluester.de sprach mit CEO Christoph Gerlinger über den Prozess der Neuorientierung sowie die Bewertung der GSG-Anteile. „Voraussichtlich schon Ende dieses Jahres wird die GSG eine ganz andere Company sein als heute. Lassen Sie sich überraschen.“ Außerdem gibt Gerlinger ein Update zu einzelnen Portfoliomitgliedern und den Plänen für weitere Aktienrückkäufe.
Herr Gerlinger, mit einer Marktkapitalisierung von nur rund 16 Mio. Euro gehört die German Startups Group (GSG) selbst im Börsensegment Scale zu den kleinsten Gesellschaften. Warum kommt der Aktienkurs Ihrer Meinung nach einfach nicht in Schwung?
Christoph Gerlinger: Wir haben zwei strukturelle Probleme, die wir noch dieses Jahr überwinden wollen: Erstens sind wir aufgrund unserer geringen Marktkapitalisierung für institutionelle Anleger nicht investierbar, sodass der Arbitragemechanismus zwischen Net Asset Value pro Aktie und Aktienkurs nicht funktioniert. Wenn der Kurs deutlich unter den NAV sinkt, führt das normalerweise zu Nachfrage nach der Aktie, steigenden Kursen und damit zum Einpendeln bei einem bestimmten, für Beteiligungsgesellschaften typischen Discount-Level. Nicht so bei uns, da größere, urteilskräftige Investoren wegen der Marktenge die Befürchtung haben, sich beim Einstieg mit für sie relevanten Beträgen selbst die Kurse zu verteuern und nach einem Aufgehen ihrer Investmenthypothese nicht zu den erreichten höheren Kursen wieder herauszukommen. Zweitens stecken wir als sogenanntes „listed VC“ in dem Dilemma, dass wir in einer intransparenten Assetklasse anlegen, nämlich in Startups, wenngleich einige der erfolgreichsten deutschen Wachstumsunternehmen mit hervorragender Marktposition darunter sind, und gleichzeitig am Kapitalmarkt eine hohe Transparenz von uns erwartet wird, um das für Anlegernachfrage nach unserer Aktie nötige Vertrauen zu generieren.
Bei unserem letzten Gespräch im Herbst 2018 (HIER) ging es viel um die Neupositionierung der GSG weg von einer Beteiligungsgesellschaft im Venture Capital-Bereich hinzu einem Asset Manager mit eigener Transaktionsplattform. Wie ist da der Stand der Dinge?
Christoph Gerlinger: Die genannten Probleme wollen wir lösen, indem wir uns sehr zügig in einen Asset-Manager verwandeln. Dann kommt es bei unserem Kurs gar nicht mehr auf den NAV und auf die Chancen und Risiken der Portfoliounternehmen an, sondern vor allem auf den Umfang der sogenannten AUM, der Assets Under Management, deren Verwaltung bei Auflage geschlossener Fonds auf etliche Jahre hinaus nachhaltige Erlösströme aus Management Fees erzeugt. Gelistete Private Equity-Asset-Manager haben nach unserer Analyse einen Börsenwert von rund zwölf Prozent ihrer AUM oder 13x ihrer Jahreserlöse. Bei der Einwerbung von AUM hoffen wir aufgrund unserer guten Marktposition im VC-Bereich und im Tech-Ökosystem, den Kapitalmarkt positiv überraschen zu können.
Laut Pressemitteilung vom 14. Juni 2019 ziehen Sie den Verkauf Ihrer Mehrheitsbeteiligung an der Digitalagentur Exozet in Betracht. Gibt es hierzu Neuigkeiten?
Christoph Gerlinger: Das ist weiterhin richtig und es gibt rege Nachfrage, wir haben aber noch keine Beschlüsse dazu gefasst. Es wäre auch nicht üblich oder sogar schädlich, über etwaige Beteiligungsverkäufe ex ante öffentlich zu spekulieren. Solche Transaktionen werden deshalb normalerweise erst nach Closing gemeldet. Wenn es in diesem Jahr dazu kommen sollte, wäre das eine weitere positive Überraschung und zugleich damit zu rechnen, dass der erzielte Verkaufserlös deutlich über den Anschaffungskosten und dem Buchwert der Beteiligung liegt. Das würde dann wohl unsere GuV-Rechnung in positiver Richtung prägen. Auch abseits von Exozet haben wir ja generell Beteiligungsveräußerungen in den Vordergrund gestellt und glauben, dieses Jahr Erlöse im Umfang von mindestens der Hälfte unserer aktuellen Marktkapitalisierung zu erzielen, vielleicht erreichen die Erlöse sogar die gesamte heutige Marktkapitalisierung. Danach besäßen wir aber trotzdem noch immer viele gute Beteiligungen.
Wie läuft es mit dem Rest Ihres Portfolios?
Christoph Gerlinger: Bei den gemessen an ihrem Portfoliogewicht größeren Beteiligungen bahnen sich ganz überwiegend sehr positive Neuigkeiten an. Ceritech steht vor einem Meilenstein und dürfte zudem von dem eskalierenden Handelskonflikt zwischen USA und China profitieren, der zu einer dauerhaft drohenden Verknappung von seltenen Erden führt. Hier gehören uns 8,8 Prozent. AuctionTech kommt mit ihrer Online-Live-Auction-Technologie auch auf internationalem Parkett und dort auch bei den führenden Auktionshäusern sehr gut an. Hier gehören uns sogar 23,5 Prozent. Und die German Crypto Tech, die den ersten börsennotierten deutschen property-backed Token in Umlauf bringen möchte, der ohne Wallets und Private Keys auskommt und somit massentauglich ist, steht in Kooperationsgesprächen mit einer großen Finanzinstitution. Hier gehören uns 10 Prozent und eine Option auf weitere 10 Prozent. Bei allen dreien sind wir sehr gespannt auf die nächsten Wochen und Monate.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 9,61 | 12,53 | 16,45 | 0,13 | 11,10 | 13,32 | 4,79 | |
EBITDA1,2 | 2,70 | 2,34 | 4,84 | -1,12 | 6,79 | 2,61 | -7,67 | |
EBITDA-Marge3 | 28,10 | 18,68 | 29,42 | -861,54 | 61,17 | 19,59 | -160,13 | |
EBIT1,4 | 2,27 | 1,72 | 4,19 | -1,12 | 5,61 | -5,31 | -82,49 | |
EBIT-Marge5 | 23,62 | 13,73 | 25,47 | -861,54 | 50,54 | -39,87 | -1.722,13 | |
Jahresüberschuss1 | 1,68 | -0,68 | 3,42 | -0,74 | 14,08 | 6,85 | -81,51 | |
Netto-Marge6 | 17,48 | -5,43 | 20,79 | -569,23 | 126,85 | 51,43 | -1.701,67 | |
Cashflow1,7 | -2,00 | -1,60 | 0,88 | -1,75 | -5,83 | 10,76 | -2,68 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,05 | 0,26 | -0,05 | 0,28 | 0,16 | -1,76 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,02 | 0,02 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
Kürzlich haben Sie Ihr zweites Aktienrückkaufprogramm abgeschlossen und halten nun rund 9,4 Prozent eigenen Aktien. Werden die Stücke eingezogen oder sollen sie eher als Akquisitionswährung eingesetzt werden?
Christoph Gerlinger: Wir wollen die erworbenen eigenen Aktien einziehen. Da wir sie im Schnitt für 1,57 Euro erworben haben und schätzen, dass der NAV pro Aktie deutlich höher liegt, haben wir mit den Rückkäufen einen Wertzuwachs in Größenordnung von 10 Prozent des Kurses für die verbliebenen Aktionäre erzielt, der sich aber bislang noch nicht in einem Kursanstieg ausgehend vom letzten Ankaufskurs von 1,50 Euro niedergeschlagen hat, sondern wir aufgrund des Marktumfelds sogar einen Kursverlust verzeichnet haben. Womit wir wieder bei Ihrer Eingangsfrage wären.
Bleibt es dabei, dass auch künftige Erlöse aus Beteiligungsverkäufen zu einem wesentlichen Teil für Aktienrückkäufe eingesetzt werden?
Christoph Gerlinger: Ja, das ist unsere Absicht.
Wo würden Sie die German Startups Group gern in drei Jahren sehen?
Christoph Gerlinger: Statt eines Asset-Owners werden wir ein Asset-Manager sein, und das schon deutlich vor Ablauf von drei Jahren. Voraussichtlich schon Ende dieses Jahres wird die GSG eine ganz andere Company sein als heute. Lassen Sie sich überraschen.
Thema Startups und Konjunkturabschwung. Sind junge Unternehmen momentan besonders gefährdet oder wie schätzen Sie die Lage ein?
Christoph Gerlinger: Nein, Startups erzeugen ihr Wertwachstum aus disruptiver Innovation, nicht aus konjunkturellen Entwicklungen. Der Kapitalmarktwissenschaftler Nassim Nicholas Taleb bezeichnet VC-Anlage deshalb als „antifragil“. Darauf ob sich das erneut als zutreffend erweist, kommt es aber für uns angesichts unseres Strategiewechsels nicht mehr an.
Fast 92 Prozent der GSG-Aktien befinden sich laut Ihrer Homepage offiziell im Streubesitz. Ein paar bekannte Investoren wie Rolf Elgeti über die Obotritia Capital oder den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen um Frank Fischer gibt es aber doch. Wie werten Sie die Anlegerstruktur: Fehlt es an starken Ankeraktionären oder sind Sie mit der jetzigen Mischung rundum zufrieden?
Christoph Gerlinger: Wir sind mit unseren Aktionären sehr zufrieden, bei den genannten Adressen und vielen anderen unserer Aktionäre handelt es sich um erfahrene, erfolgreiche, urteilskräftige Anleger, die angesichts unseres Strategiewechsels auf eine Neubewertung der Aktie setzen. Das gilt auch für die übrigen acht Prozent Aktionäre, nämlich meine Familie und mich. Wir sind überzeugt, dass unser Aktienkurs aufgrund des Discounts zum NAV weiterhin nur wenig Downside-Potenzial hat, aber in den letzten Monaten viel Upside-Potenzial dazugewonnen hat.
Zur Person:
Christoph Gerlinger, CEO der German Startups Group, besitzt mehr als 20 Jahre Führungserfahrung in der Internetbranche. Unter anderem gründete er Frogster Interactive Pictures, führte das Unternehmen an die Börse und leitete es sieben Jahre als Vorstandsvorsitzender. Zuvor war Gerlinger Deutschlandchef von Infogrames/Atari und CFO der ebenfalls von ihm an die Börse gebrachten CDV Software Entertainment.
Foto: