Beim Studium des Halbjahresberichts von R. Stahl wird einem schnell ein wenig schwindelig. So sehr jongliert der Anbieter von explosionsgeschützten Elektronikbauteilen bei der Darstellung der Zahlen mit Sondereinflüssen und sonstigen Bereinigungen im Zuge der laufenden Restrukturierung. Die Effekte sind mitunter enorm: So zeigt R. Stahl für das erste Halbjahr 2019 ein von 2,67 auf 10,46 Mio. Euro verbessertes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA). Das sieht zunächst einmal nach einem knackigen Anstieg aus, allerdings stand nach dem ersten Quartal 2019 bereits ein EBITDA von 6,29 Mio. Euro zu Buche, was den Zuwachs doch spürbar relativiert. Parallel dazu weist die Gesellschaft ein um Sondereffekte bereinigtes EBITDA von 13,10 Mio. Euro aus. Die Differenz zwischen den 13,10 und den 10,46 Mio. Euro erklärt sich jeweils zur Hälfte aus Abfindungen sowie Rechts- und Beratungskosten. Bleibt jedem selbst überlassen, ob man solche Posten tatsächlich heraus rechnen muss, oder ob es sich nicht doch um normale Ausgaben handelt, wie sie im Wirtschaftsleben einer notierten Gesellschaft nunmal anfallen.
Dass das EBITDA im laufenden Jahr überhaupt so deutlich Richtung Norden gezogen ist, hängt freilich auch mit den geänderten Bilanzierungsvorschriften nach IFRS 16 zusammen. So haben sich die Abschreibungen im Zuge dieser Neuregelung im ersten Halbjahr um 2,72 Mio. Euro erhöht – mit entsprechend positiver Wirkung auf das EBITDA. Auf Gesamtjahressicht rechnet der Vorstand mit einem positiven Ergebniseffekt hieraus von 6,80 Mio. Euro. An der eigentlichen operativen Verfassung ändert sich freilich nichts, da es sich nur um buchhalterische Umgruppierungen handelt, die manch Vorstand durchaus in die Kategorie „sinnfrei“ einordnet. Zumindest ergebnismäßig scheint es bei R. Stahl aber – trotz einer Rückrufaktion für Leuchten – etwas besser als gedacht zu laufen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 268,46 | 280,11 | 274,78 | 246,59 | 248,11 | 274,34 | 330,56 | |
EBITDA1,2 | 7,00 | 9,46 | 25,27 | 17,18 | 16,82 | 20,59 | 36,64 | |
EBITDA-Marge3 | 2,61 | 3,38 | 9,20 | 6,97 | 6,78 | 7,51 | 11,08 | |
EBIT1,4 | -10,69 | -4,16 | 6,34 | 0,49 | -0,06 | 3,85 | 19,12 | |
EBIT-Marge5 | -3,98 | -1,49 | 2,31 | 0,20 | -0,02 | 1,40 | 5,78 | |
Jahresüberschuss1 | -21,78 | -7,00 | 1,35 | -3,53 | -4,93 | 1,93 | 0,18 | |
Netto-Marge6 | -8,11 | -2,50 | 0,49 | -1,43 | -1,99 | 0,70 | 0,05 | |
Cashflow1,7 | 19,75 | 18,22 | 19,62 | 17,86 | 11,86 | 5,99 | 14,22 | |
Ergebnis je Aktie8 | -3,28 | -1,10 | 0,21 | -0,54 | -0,76 | 0,30 | 0,03 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
„Unsere operationalen Fortschritte und der konsequente Fokus auf angemessene Umsatzqualität tragen Früchte“, sagt Vorstand Mathias Hallmann. So setzt Hallmann das Erlösziel für 2019 nun zwar in einer Bandbreite von 275 bis 280 Mio. Euro an – verglichen mit einem bislang auf dem Vorjahresniveau von 280 Mio. Euro angesiedelten Umsatzziel. Beim EBITDA (vor Sondereinflüssen) wird Hallmann dagegen etwas zuversichtlicher und stellt nun eine Spanne von 28 bis 30 Mio. Euro in Aussicht – nach zuletzt 26 bis 29 Mio. Euro. Geht man vereinfacht davon aus, dass sich die Sondereinflüsse im Gesamtjahr auf rund 5 Mio. Euro belaufen werden, würde das auf ein „normales“ EBITDA von in der Mitte 24 Mio. Euro hinauslaufen. Unterm Strich sollte das für einen – von boersengefluester.de in diesem Ausmaß bislang so nicht erwarteten – Ergebnisswing reichen. Für wirklich erkleckliche Gewinne sind jedoch deutliche höhere Margen notwendig. Ob sich die in dem momentan arg abkühlenden Konjunkturklima umsetzen lassen, bleibt die große Frage.
Vermutlich wären EBITDA-Renditen von um die zehn Prozent bereits ein Erfolg. Per saldo bleiben wir damit bei unserer eher positiven Einschätzung von Mitte Mai (siehe dazu auch unseren Beitrag “R. Stahl: Wieder einen Blick wert“). Nach den vielen schwierigen Jahren mit unternehmerischen Fehlentscheidungen scheint es nun vorsichtig bergauf zu gehen. Diesen Eindruck hatten wir auch nach der Telefonkonferenz zur Präsentation der Halbjahreszahlen. Ein Feuerwerk an Inspirationen für ein Investment in R. Stahl kam da nicht rüber, eher eine bodenständige Verbesserung der operativen Situation. Nun: Manchmal entpuppen sich gerade diese vermeintlichen Langweiler als einträgliche Aktienanlagen.
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