Ein Performancekünstler war die seit Mitte 2017 an der Börse notierte Noratis-Aktie noch nie. Selbst 2019 bewegte sich die Notiz des Bestandsentwicklers von Wohnimmobilien per saldo nur seitwärts. Immerhin zahlten die Eschborner eine anständige Dividende, so dass der Titel beinahe schon etwas von einem Anleihenersatz aus dem Mittelstandssektor hatte. Nun: Zuletzt kam auch die Noratis-Aktie unter Druck und knickte von 21,50 auf im Tief 14,55 Euro ein – verlor also um rund ein Drittel an Wert. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es so manch anderen Vertreter aus dem Sektor im Zuge der Corona-Krise noch heftiger am Kapitalmarkt erwischt hat. Zumindest das Frankfurter Pharma-Unternehmen Merz – bekannt insbesondere durch die gleichnamigen Spezialdragees und die Gesundheitsmarke tetesept – hat die Chance genutzt und sich über den zum Konzern gehörenden Ableger Merz Real Estate mit 29,4 Prozent bei Noratis eingekauft.
Die Eckdaten des Deals: CEO Igor Christian Bugarski sowie ein anderer Großaktionär veräußern insgesamt 1.057.650 Noratis-Aktien zu einem Stückpreis von 21,00 Euro an die Merz-Gruppe. Auf Bugarski, der vor der Transaktion 666.666 Noratis-Aktien (entsprechend 18,51 Prozent) hielt, entfallen dabei rund 378.500 Aktien. Dementsprechend sinkt sein Anteil auf künftig zunächst 8,0 Prozent. Mit Blick auf die aktuelle Aktionärsstruktur wird somit auch klar, dass der zweite Verkäufer nur Mitgründer Edgars Pigoznis sein kann, der seine bislang 18,8 Prozent über die in Riga ansässige Hansaco hält und damit komplett an Merz veräußert. Damit nicht genug: Sehr zeitnah dürfte Noratis eine Barkapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts im Umfang von 252.525 Aktien zu je 19,80 Euro lancieren, die allerdings ausschließlich von Merz gezeichnet werden kann. Dadurch würden den Unternehmen brutto 5 Mio. Euro zufließen – und der Anteil von Merz auf 34 Prozent klettern.
Eine Pflichtofferte an die restlichen Aktionäre ist freilich nicht in Sicht, da Noratis im Freiverkehrssegment Scale notiert. Damit ist allerdings erst der Anfang gemacht. Bis Ende 2024 will das Familienunternehmen bis zu 50 Mio. Euro in Noratis investieren. „Wir sehen unser Engagement als langfristiges Investment“, sagt Henning Schröer, Geschäftsführer von Merz Real Estate. Operativ sind zunächst einmal keine grundsätzlichen Änderungen geplant, zumal der Bestand an Wohnungen, die dauerhaft im Portfolio bleiben sollen, ohnehin schon ausgebaut wurde. Ein Kurs, der weiter forciert wird. „Zukünftig sollen die Mieteinnahmen einen noch größeren Anteil an den Umsatzerlösen ausmachen“, heißt es. Zur Einordnung: 2019 entfielen rund 17 Prozent der Konzernumsätze auf Mieteinnahmen, der Rest sind Verkaufserlöse. Schon jetzt kündigt Noratis daher an, dass „kurzfristig weniger Objekte“ veräußert werden und der (bislang nach HGB ausgewiesene) Gewinn im laufenden Jahr deutlich unter dem Niveau von 2019 bleiben dürfte.
Mindestens ebenso interessant ist, dass die Eschborner eine Umstellung ihrer Bilanzierung auf IFRS planen, was eine Offenlegung der Marktpreisentwicklung des Immobilienportfolios mit sich bringt. Gemäß früherer Aussagen des Managements dürften die stillen Reserven 2019 bei mindestens 24 Mio. Euro gelegen haben (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER). Noch keine Informationen gibt es dazu, ob Noratis an seiner offensiven Dividendenpolitik, wonach rund die Hälfte des HGB-Gewinns ausgeschüttet werden soll, auch in der neuen Konstellation festhalten wird. Per saldo stuft boersengefluester.de den Einstieg von Merz als neuen Ankeraktionär sehr positiv ein, zumal das weitere Wachstumspotenzial von Noratis in der bisherigen Finanzierungsstruktur doch weitgehend limitiert war.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 67,99 | 56,12 | 75,95 | 28,70 | 73,60 | 85,61 | 60,18 | |
EBITDA1,2 | 15,32 | 15,72 | 15,95 | 8,63 | 16,29 | 12,98 | 4,08 | |
EBITDA-Marge3 | 22,53 | 28,01 | 21,00 | 30,07 | 22,13 | 15,16 | 6,78 | |
EBIT1,4 | 15,22 | 15,55 | 15,76 | 8,21 | 19,36 | 12,50 | 3,55 | |
EBIT-Marge5 | 22,39 | 27,71 | 20,75 | 28,61 | 26,30 | 14,60 | 5,90 | |
Jahresüberschuss1 | 8,67 | 9,27 | 8,67 | 2,80 | 9,54 | 8,28 | -10,99 | |
Netto-Marge6 | 12,75 | 16,52 | 11,42 | 9,76 | 12,96 | 9,67 | -18,26 | |
Cashflow1,7 | 12,86 | -0,09 | -18,36 | -94,05 | -70,10 | -33,03 | 22,91 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,97 | 2,57 | 2,40 | 0,58 | 1,97 | 1,71 | -2,21 | |
Dividende8 | 1,50 | 1,30 | 0,80 | 0,50 | 0,55 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RGT Treuhand |