Besser hätte das Timing kaum sein können: Pünktlich zu dem von Montega organisierten Round Table mit den Netfonds-Vorständen Karsten Dümmler (CEO) und Peer Reichelt legt der Finanzdienstleister seine Eckdaten für 2020 vor. Der Netto-Umsatz von 29,9 Mio. Euro entspricht quasi einer Punktlandung – bezogen auf die im Hochsommer heraufgesetzten Prognosen. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) blieben die Hamburger mit 3,8 Mio. Euro derweil leicht unter der im Jahresverlauf nicht angepassten Bandbreite zwischen 4,0 und 4,5 Mio. Euro. Das hängt in erster Linie mit den Verzögerungen bei der Einführung der Pflegezusatzversicherung CareFlex zusammen, wo Netfonds bereits für 2020 erste nennenswerte Zuflüsse erwartet hatte. Regelmäßige Leser von boersengefluester.de wissen um die Thematik Bescheid – insbesondere vor dem Hintergrund der in letzter Sekunde aus dem Konsortium ausgeschiedenen DFV Deutsche Familienversicherung (siehe dazu auch unseren Bericht HIER).
Für die im Wesentlichen mit der generellen Abrechnung des CareFlex-Geschäfts betrauten Netfonds ändert sich durch die neue Konstellation ansonsten aber nichts. Auch wird die Gesellschaft wie geplant ihre Berater in die angeschlossenen Betriebe der Chemiebranche schicken bzw. virtuelle Gespräche mit den potenziellen Versicherungskunden führen. Gebremst haben darüber hinaus die bedingt durch Corona langen Wartezeiten bei den Grundbuchämtern, so dass – wie Dümmler es ausdrückt – „ein paar hunderttausend Euro“ aus dem Immobiliengeschäft von Netfonds noch nicht für 2020 verbucht werden konnten. Last but not least räumt Dümmler auch ein, dass die Kosten für die neue Softwareplattform finfire im vergangenen Jahr mit 3,0 bis 3,5 Mio. Euro etwas höher ausgefallen sind als budgetiert und der IT-Prozess auch mehr als gedacht in Anspruch genommen hat. Insgesamt hat Netfonds zwischen 2018 und 2020 mittlerweile gut 10 Mio. Euro in das für das künftige Wachstum so wichtige Vorzeigeprojekt gesteckt. Letztlich aber top investiertes Geld, zumal in Kürze mit dem Investment-Modul ein weiterer wichtiger Baustein von finfire live gehr.
Die cloudbasierte Plattform ist für die im Spezialsegment m:access der Börse München gelistete Gesellschaft insbesondere deshalb so bedeutsam, weil sie es erlaubt, die Kundenbeziehungen zu den angeschlossenen Finanzberatern, Versicherungsagenten oder auch Banken nochmals auszuweiten und so tendenziell mehr Marge aus den bestehenden Assets under Management zu ziehen. Das intern als „Netfonds Prime“ bezeichnet Konzept um den Ausbau der eigenen Vermögensverwaltung und die Forcierung selbst aufgelegter Fonds hat boersengefluester.de ebenfalls schon mehrfach vorgestellt (etwa HIER). Angesichts der seit der Konzeptionierung massiv verbesserten Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten, dürfte das tatsächliche Potenzial sogar noch höher sein, als ursprünglich vermutet. Und so betont Vorstand Peer Reichelt auch auf dem Round Table von Montega: „Wir betrachten uns als Wachstumsunternehmen.“
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 17,12 | 20,19 | 26,47 | 31,82 | 38,64 | 33,62 | 36,60 | |
EBITDA1,2 | 2,58 | 1,39 | 3,43 | 4,17 | 15,65 | 6,47 | 4,91 | |
EBITDA-Marge3 | 15,07 | 6,88 | 12,96 | 13,10 | 40,50 | 19,24 | 13,42 | |
EBIT1,4 | 1,89 | -0,17 | 1,16 | 1,81 | 11,67 | 2,96 | 1,34 | |
EBIT-Marge5 | 11,04 | -0,84 | 4,38 | 5,69 | 30,20 | 8,80 | 3,66 | |
Jahresüberschuss1 | 1,27 | -0,72 | -0,40 | 0,03 | 8,74 | 0,88 | -0,28 | |
Netto-Marge6 | 7,42 | -3,57 | -1,51 | 0,09 | 22,62 | 2,62 | -0,77 | |
Cashflow1,7 | 1,57 | -0,04 | -9,68 | 5,22 | -17,77 | 3,07 | 1,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | -0,33 | -0,19 | 0,01 | 3,79 | 0,38 | -0,12 | |
Dividende8 | 0,20 | 0,15 | 0,00 | 0,16 | 0,25 | 0,25 | 0,25 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: NPP |
Das große Vorbild an der Börse ist dabei die Finanzierungsplattform Hypoport, die es mittlerweile auf eine Marktkapitalisierung von rund 3,7 Mrd. Euro bringt. Da ist Netfonds mit seinen zurzeit 70,5 Mio. Euro Börsenwert freilich noch Lichtjahre von entfernt. Unmittelbare Peer Group auf dem heimischen Kurszettel – schon allein mit Blick auf die MarketCap von knapp 150 Mio. Euro – bleibt vorerst die auf den Versicherungsbereich fokussierte JDC Group aus Wiesbaden. Hanseatisch konservativ ist der Ausblick für 2021 von Netfonds gehalten: Bei Erlösen von 35,0 bis 36,5 Mio. Euro soll das EBITDA auf eine Spanne von 5,5 bis 6,5 Mio. Euro wachsen. Vor Abzug von Steuern sollen 2,0 bis 2,5 Mio. Euro als Gewinn stehen bleiben. „CareFlex ist da nur ganz schwach eingerechnet“, sagt Dümmler. Letztlich bewegt sich die Vorschau damit im Rahmen der aktuellen Analystenprognosen. Unter normalen Umständen müssten die Zahlen aber besser ausfallen.
Per saldo dreht Netfonds schon jetzt ein ziemlich großes Rad, was an der Börse noch immer unterschätzt wird. Das hängt vermutlich zu einem nicht unerheblichen Teil mit der verschachtelten Gesellschaftsstruktur von Netfonds und dem auf Anhieb nicht gleich verständlichen Geschäftsmodell zusammen. Andererseits ist Netfonds eben auch keine Handelsplattform beziehungsweise Maklergesellschaft wie Lang & Schwarz oder die Baader Bank, bei der die Gewinne momentan geradezu explodieren und so die Investoren elektrisiert. Dafür punktet die eher in der Assetallokation tätige Netfonds durch eine sehr viel größere Nachhaltigkeit mit überwiegend wiederkehrenden Umsätzen. Die Fantasie aus zunehmend mehr eigenen Investmentprodukten – Stichwort Hamburger Vermögen oder auch die zuletzt erworbene Easyfolio – gibt es da derzeit fast gratis on top. Genau wie das kräftig wachsende Immobiliengeschäft. Ausbaufähig sind derweil noch immer die Handelsumsätze in der Netfonds-Aktie, selbst sich die Liquididtät längst verbessert hat. Und auch für primär dividendenorientierte Anleger ist das Papier nicht unbedingt ideal.
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