Normalerweise sind solche Worte vom Vorstand eines SDAX-Unternehmens Gift für den eigenen Aktienkurs. Doch Hans-Joachim Watzke, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Borussia Dortmund, machte auf der Bilanz-Pressekonferenz für das Geschäftsjahr 2015/16 (30. Juni) erneut unmissverständlich klar: „Wir sind kein Shareholder-Value-Verein. Und wir sind kein Verein, der auf die absolute Gewinnmaximierung aus ist.“ Angesichts der zuletzt positiven Analystenkommentare von Oddo Seydler („Die Perspektiven für den BVB waren niemals besser“) und den starken Zahlen für 2015/16 konnten die Börsianer aber beinahe gar nicht anders, als den Anteilschein der Borussen kräftig anzuschieben – in der Spitze bis auf 4,50 Euro. Per saldo hängt der Kurs aber immer noch in seinem massiven Seitwärtstrend fest. Selbst gewiefte Investmentprofis fragen sich mittlerweile, was geschehen muss, damit der Titel wieder nachhaltig in die Aufwärtsbewegung übergeht.
BVB-Geschäftsführer Thomas Treß geht schon mal in die Offensive und taxiert den fairen Wert der Dortmunder auf „rund eine dreiviertel Milliarde Euro“. Bei 92 Millionen ausstehenden Anteilscheinen entspricht das einem Aktienkurs von 8,15 Euro – also fast doppelt so viel wie die gegenwärtige Notiz. Damit liegt Treß auf einer Linie mit Oddo Seydler, die den eigentlichen Wert des Unternehmens sogar bei 902 Mio. Euro (entspricht 9,80 Euro je Aktie) ansiedeln. Momentan heftet aber auch Oddo Seydler erst einmal ein Kursziel von 6 Euro auf die BVB-Aktie. Antreiber auf dem Weg in solche Kursregionen, sind steigende Einnahmen aus TV-Rechten, die anstehende Reform der Champions-League ab 2018 sowie die Internationalisierung. Mit Blick auf die dritte Wachstumssäule sprach Watzke zwar von einem „Spagat zwischen Borsigplatz und Shanghai“, den es zu bewältigen gilt. Doch in Anlehnung an die berühmten Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, legte Watzke nach: „Wir kriegen das hin.“
Entscheidend für Aktionäre an dem dreistufigen Expansionsmodell ist aber ohnehin ein ganz anderer Punkt: Der langfristige Erfolg des BVB hängt nicht so sehr am Verlauf einzelner Spieltage, sondern wird durch übergeordnete Branchentrends dominiert. Sollte die neue Saison nicht gleich mit einer Siegesserie starten, muss das also kein Ungemach für die Aktie bedeuten. Bewertungstechnisch braucht ohnehin keinem BVB-Anleger bange zu sein. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt knapp 383 Mio. Euro und liegt damit nur knapp über dem für 2015/16 ausgewiesenen Umsatz von 376,26 Mio. Euro. „In absehbarer Zeit wollen wir die 400 Millionen Euro Umsatz knacken“, sagt Watzke. Der Nettogewinn schoss 2015/16 von 5,53 auf 29,44 Mio. Euro, was natürlich stark durch die jüngsten Transfererlöse gefärbt ist. Letztlich hätte vor zwölf Monaten aber niemand eine derartige Größenordnung für möglich gehalten.
Das Eigenkapital beträgt zurzeit 309,54 Mio. Euro. Bereits korrigiert um die anstehende Dividendenausschüttung von 5,52 Mio. Euro – entsprechend 0,06 Euro je Anteilschein – ergibt sich daraus ein Buchwert von 3,30 Euro je Aktie, was wiederum auf ein moderates Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,27 hinausläuft – verglichen dem von boersengefluester.de ermittelten Zehn-Jahres-Durchschnittswert von 1,47. Eher uninteressant bleibt die Aktie einzig unter dem Aspekt der Dividendenrendite. Dafür gibt es aber genügend andere Punkte, die den BVB in der SDAX-Performance-Tabelle in deutlich höhere Regionen befördern sollten. Hilfreich wäre es aber natürlich trotzdem, wenn Statements wie „Wir sind kein Shareholder-Value-Verein“ nicht mehr auf einer Bilanz-Pressekonferenz des BVB fallen würden.