Immerhin drei Jahre hangelte sich die Notiz von Gerry Weber in einer Range zwischen 30 und knapp 40 Euro. In dieser Zeit schoss der MDAX, in dem die Aktie des Damenmodespezialisten enthalten ist, mal eben um 100 Prozent in die Höhe. Kein Wunder, dass der Anteilschein von Gerry Weber nicht gerade zu den am heißesten diskutierten Papieren gehörte. Das hat sich nach der jüngsten Gewinnwarnung schlagartig geändert. Bei Kursen um 20 Euro – das entspricht ungefähr dem Niveau vom Sommer 2011– stellen sich viele Anleger die Frage, ob sie hier einen Qualitätstitel zum Ausverkaufspreis einsammeln sollen oder aber, ob sich bei Gerry Weber womöglich eine noch viel tiefer führende Baisse ankündigt.
Die nüchternen Fakten sehen so aus: Gegenwärtig beträgt die Marktkapitalisierung von Gerry Weber knapp 930 Mio. Euro, was nahezu exakt dem Doppelten des Buchwerts entspricht. Verglichen mit dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre von 3,6 lockt das zum Einstieg. Doch Vorsicht: In den letzten Jahren ist die Eigenkapitalrendite – als das Verhältnis von Jahresüberschuss zum Eigenkapital – kontinuierlich geschmolzen: von gut 25 Prozent auf im vergangenen Geschäftsjahr weniger als 16 Prozent. Und in der laufenden Abrechnungsperiode wird diese Kennzahl, die in Beziehung zum Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) steht, nochmals deutlich abschmelzen. Zumindest unter KBV-Gesichtspunkten drängt sich der Eindruck auf, dass der Anteilschein von Gerry Weber viel zu lange auf einem Hochplateau verharrte und der fällige Abstieg nun mit erhöhtem Tempo vonstatten ging. Ein Vergleich mit der Boss-Aktie ist nur schwer möglich, denn Boss bewegt sich mit einer Eigenkapitalrendite von fast 40 Prozent in einer anderen Liga. Dementsprechend hoch ist hier auch das KBV mit rund 12,5. Immerhin: Gegen ein KBV von 2,0 bei Gerry Weber lässt sich wohl kaum etwas sagen.
Ähnlich sieht es mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) aus. Auf Basis der deutlich reduzierten Ergebnisprognosen von boersengefluester.de kommt der MDAX-Titel gerade auf ein KGV von etwa 14. Das ist ungefähr so sportlich wie die meisten Kollektionen von Gerry Weber. Andererseits muss man aber fragen, warum der Titel momentan ein deutlich höheres KGV verdient haben sollte. Zwar hat das Unternehmen ein umfassendes Programm angekündigt, um gegen die schwierigen Rahmenbedingungen mit hohen Rabatten beim Abverkauf zu steuern. Kurzfristig sind hier aber kaum signifikante Verbesserungen zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Integration des Zukaufs Hallhuber erhebliche Kapazitäten bindet. Schnäppchenjäger sollten also aufpassen: So günstig wie die Gerry-Weber-Aktie aussieht, ist sie womöglich gar nicht. Für einen weiteren massiven Kursrutsch fehlen derzeit aber auch die Anhaltspunkte. Am cleversten wird es wohl sein, erst einmal zu schauen, ob sich die Notiz bei rund 20 Euro stabilisieren kann. Ob die Großinvestoren, die den Titel zuletzt aus ihren Depots geschmissen haben, so schnell zurückkehren, ist zumindest fraglich. Oft dauert es länger als man vermutet, bis sich neues Vertrauen am Kapitalmarkt aufbaut. Die jüngsten Insiderkäufe des Managements sind für boersengefluester.de jedenfalls noch kein hinreichendes Signal zum Einstieg.