Zum Schluss ging alles schneller als gedacht. Nur wenige Tage, nachdem der TecDAX-Konzern Cancom mitteilte, dass er einen Anteil von mehr als zwölf Prozent an Pironet NDH halte, präsentierten die Münchner ein offizielles Gebot für den Anbieter von Cloud-Computing-Lösungen: 4,50 Euro pro Anteilschein lautet der Preis. Damit würde Pironet NDH mit 65,65 Mio. Euro bewertet. Für Anleger, die erst kürzlich aufgrund der Gerüchte um eine Übernahme auf den Zug aufgesprungen sind, mag die Höhe zunächst enttäuschend klingen. Immerhin war die Pironet-Notiz zuletzt bis auf 5,10 Euro vorgeprescht. Das entspricht etwa dem Niveau der zuletzt ausgegebenen Kursziele der Analysten von Hauck & Aufhäuser oder GBC Research.
Kurzer Rückblick: Pironet NDH galt an der Börse lange Zeit als eine Art Geheimtipp für Value-Investoren. Das Kölner Unternehmen ist frei von Bankschulden und glänzt mit einer weit überdurchschnittlichen Eigenkapitalquote – zuletzt waren es immerhin 84 Prozent. Zudem hatte sich der, nicht ganz schmerzfreie, Umbau des Geschäfts Richtung Cloud Computing und Content Management immer positiver in den Zahlen niedergeschlagen. 2012 erreichte die Gesellschaft bereits wieder eine operative Marge von knapp fünf Prozent. Für 2009 und 2010 musste das Unternehmen Betriebsverluste von kumuliert gut 14 Mio. Euro ausweisen.
Spätestens Ende 2011 begann die Story von Pironet NDH auf dem Kapitalmarkt wieder zu zünden. Damals stand der Aktienkurs freilich noch bei 1,70 Euro, was einem Discount von 25 Prozent auf den Buchwert gleichkam. Zu diesem Zeitpunkt stieg auch die für ihren guten Riecher bekannte Beteiligungsgesellschaft Scherzer & Co bei Pironet NDH ein. Nach einem Kursgewinn von mehr als 130 Prozent sahen die ebenfalls aus Köln stammenden Nebenwerteprofis Ende September 2013 allerdings den Zeitpunkt für den Ausstieg gekommen und veräußerten ihren Anteil von rund drei Prozent in einer außerbörslichen Transaktion. Damit befeuerten sie indirekt auch die – zu diesem Zeitpunkt bereits existierenden – Übernahmegerüchte von Pironet durch Cancom.
Keine Frage: Für Cancom wäre Pironet eine Bereicherung beim Ausbau ihrer Cloud-Computing-Aktivitäten. Auf Basis ihres Gebots wird der Small Cap mit annähernd dem Doppelten des Buchwerts eingestuft. Bezogen auf den für 2013 erwarteten Umsatz ergibt sich ein Aufschlag von etwa 40 Prozent. Gemessen am EBIT-Ziel von „mehr als 2,8 Mio. Euro“ ergibt sich ein Bewertungsmultiple von deutlich über 20. Ein unentdecktes Schnäppchen ist Pironet also schon lange nicht mehr. Das sollten Anleger, die auf eine Nachbesserung spekulieren bedenken. Gleichwohl zeigt die Erfahrung, dass Anleger nicht unbedingt das erste Angebot annehmen sollten. Geduld hat sich häufig als sehr lohnenswerte Strategie erwiesen. Inklusive der Anteile der beiden Pironet-Vorstände Felix Höger (CEO) und Udo Faulhaber kommen die Münchner derzeit auf einen Stimmenanteil von rund 27,4 Prozent. Offen ist, wie sich die Otto Wolff Industrieberatung und Beteiligungen GmbH verhalten wird – die Gesellschaft hält immerhin 27,35 Prozent an Pironet.
Unabhängig davon: Der Weg bis zu einem möglichen Squeeze-out ist sehr weit. Finanzieren will der TecDAX-Konzern den Pironet-Deal via Kapitalerhöhung. Details hierzu sind noch nicht bekannt. Die Cancom-Aktie befindet sich seit Anfang August im Konsolidierungsmodus. Dieser dürfte vermutlich noch eine Weile anhalten. Immerhin kommt die Gesellschaft bereits auf einen Börsenwert von 273 Mio. Euro, was immerhin dem gut 3,4fachen des Buchwerts entspricht. Die Kursziele der Analysten für Cancom bewegen sich in einer Range zwischen 26,50 und 29 Euro. Zurzeit kostet das Papier knapp 24 Euro. Haltenswert ist das Papier also allemal. Gleiches gilt für Pironet NDH. Hier ist das letzte Wort bestimmt noch nicht gesprochen. In den Himmel wachsen die Bäume bei den Kölnern allerdings auch nicht mehr.
Foto: Cancom AG