Auf anhaltend großes Interesse stößt unsere laufend aktualisierte Übersichtstabelle mit den Unternehmen, die bereits ihren Börsenrückzug im Wege eines kalten Delistings – also ohne ordentliches Abfindungsangebot im Rahmen eines Squeeze-outs – angekündigt haben. Nicht nur für Privatanleger sind diese Beschlüsse, auch wenn sie nach geltender Rechtsprechung in Ordnung sind, eine echte Belastungsprobe. Meist gehen die Delistingmeldungen schließlich mit deutlich zweistelligen Kursverlusten einher. Etliche Nebenwertekenner befürchten, dass in den kommenden Quartalen noch weitere Firmen die Flucht vom Parkett antreten. Kein Wunder, dass die Small-Cap-Szene verunsichert ist. Leser von boersengefluester.de haben gefragt, ob wir nicht eine Liste mit potenziellen Delistingkandidaten erstellen könnten.
Zugegeben: Ein schwieriges Unterfangen, denn es gibt kein wirklich funktionierendes Raster, um die in Frage kommenden Firmen zu lokalisieren. Dennoch haben wir unsere Datenbank nach Kandidaten durchsiebt. Einige Gemeinsamkeiten weisen die Firmen, die mit Delistingplänen bereits vorgeprescht sind, schließlich auf:
- Notiz in den schwächer regulierten Segmenten Entry Standard oder General Standard
- Dominanter Großaktionär – meist aus dem Kreis der Firmengründer
- Häufig eher solide Bilanzen. Die Notwendigkeit, über die Börse Barkapitalerhöhungen durchzuführen ist also nicht gegeben, oder hat sich als unmöglich herausgestellt.
- Der Streubesitzanteil lag in der Regel zwischen acht und rund 35 Prozent
- Meist ein unbefriedigender Kursverlauf seit mehreren Quartalen
Ausgestattet mit dieser Roadmap hat boersengefluester.de ein entsprechendes Screening durchgeführt. Übrig geblieben ist zunächst eine Liste mit immerhin gut 50 Unternehmen, bei denen ein kaltes Delisting drohen könnte. Damit wäre ungefähr jeder achte Titel aus dem Small-Cap-Universum von boersengefluester.de in Gefahr. Die Aussage war uns allerdings zu grob. Also haben wir weiter reduziert. Titel, bei denen wohl eher ein klassisches Squeeze-out zu erwarten ist oder wo wir uns ein Delisting einfach nur schwer vorstellen können, wurden konsequent aussortiert. Am Ende umfasste die Tabelle noch 16 Gesellschaften. Um es gleich vorwegzunehmen: Bei keiner dieser Firmen gibt es unseres Wissens konkrete Pläne für einen Börsenrückzug. Manche Aktien finden sich zudem schon seit einer halben Ewigkeit auf dem Kurszettel. Es handelt sich also keinesfalls um eine „Todesliste“, wie sie zu Neuer-Markt-Zeiten für klamme Techbuden kursierten. Wir wollen Anleger, die hier engagiert sind oder es möglicherweise vorhaben, lediglich für ein mögliches Gefahrenpotenzial sensibilisieren.
Zwar ist die Delisting-Problematik durch eine breitete Berichterstattung – etwa in der Wirtschaftswoche – bereits deutlich stärker im Bewusstsein der breiten Anlegerschaft verankert als noch vor einigen Monaten. Einen Knalleffekt wird es aber vermutlich erst dann geben, wenn sich eine populäre Gesellschaft zu diesem Schritt entschließen sollte, und der Sachverhalt dann nicht nur ein paar eher unbekannte Nebenwerte betrifft. Perspektivisch können sich Finanzexperten so einen Schritt etwa bei der derzeit noch im SDAX gelisteten Balda-Aktie vorstellen. Die auf Kunststoffteile spezialisierte Gesellschaft hat mit der Thomas van Aubel zurechenbaren Elector GmbH einen starken Großaktionär, dessen Börsenabsichten noch schwer zu durchschauen sind. Hellhörig sollten Anleger auf jeden Fall werden, sollte das – mit der Degradierung aus dem SDAX per 22. September nicht mehr zwingend notwendige – Listing im Prime Standard irgendwann zur Debatte stehen.
Als indirekter Profiteur der zuletzt zahlreichen Delistings gilt übrigens die Valora Effekten Handel AG (WKN: 760 010). Das Wertpapierhandelshaus stellt außerbörsliche Kurse für alle bereits umgesetzten Listings. Eine Übersicht von Valora finden Sie HIER. Als Investment kommt der Titel aber dennoch kaum in Frage. Die Marktkapitalisierung der Gesellschaft aus Ettlingen beträgt nicht einmal 2 Mio. Euro.
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