Nun ist es amtlich: „Aufgrund des weiterhin ungeklärten Verbleibs wurde der bisherige Vorstandsvorsitzende der Youbisheng Green Paper AG, Haiming Huang, durch Beschluss des Aufsichtsrats mit sofortiger Wirkung von allen seinen Aufgaben entbunden. Gleichzeitig bestellte der Aufsichtsrat Herrn Haibo Huang, den Bruder von Haiming Huang, der sich bereits in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Herrn Lam Nan Lung, einem Unternehmer aus der Region, um das Tagesgeschäft der Youbisheng Green Paper AG gekümmert hatte, zum neuen Vorstandsvorsitzenden. In dieser Funktion wird Herr Haibo Huang das operative Tagesgeschäft der Youbisheng Green Paper AG verantworten, während Herr Lam Nan Lung insbesondere für die weitere strategische Ausrichtung der Gesellschaft zuständig ist.“
Soweit die scheinbar gute Nachricht. Doch was bedeutet, dass Haibo Huang der neue Vorstand der Youbisheng Green Paper AG ist? Das ist schlicht nicht vorstellbar. Denn Haibo Huang spricht kein Wort Deutsch oder Englisch. Die Youbisheng AG ist aber die deutsche, börsennotierte Holding, die ihren Briefkasten in Hamburg hat. Sie ist an der Holding Gui Xiang Industry in Hongkong beteiligt, die wiederum bei der operativ tätigen Gesellschaft Quanzhou Guige Paper engagiert ist. Nach unseren Informationen führen Haibo Huang und Lam Nan Lung nur die Geschäfte in China. Das tun sie aber bereits seit Monaten, ohne überhaupt vom deutschen Aufsichtsrat (AR) berufen zu sein. Hier legalisiert der AR jetzt – mehr als einen Monat, nachdem er vom Verschwinden des Vorstandschefs erfahren hat – nur das, was die Chinesen bereits seit Monaten praktizieren. Haibo Huang war sogar schon vor dem Börsengang 2011 im Unternehmen involviert. So bürgte er zusammen mit seinem Bruder für einen Kredit in Höhe von knapp 15 Mio. Euro gegenüber der Agricultural Bank of China. Das spricht dafür, dass er sich mit dem operativen Geschäft wirklich auskennt. Doch wie ist die Beziehung zu seinem Bruder? Wird er die Aufklärungsarbeit über dessen Verbleib vorantreiben?
Die drängendste Frage aber bleibt: Was ist mit den Cashmitteln, die sich zum Jahresende 2013 auf immerhin mehr als 33 Mio. Euro türmten? Liegt das Geld noch auf dem Konto oder ist Haiming Huang damit über alle Berge? Der AR hat darüber keine Informationen. Erst jetzt, nach der Bestellung Haibo Huangs zum Vorstand, „erwartet der Aufsichtsrat von dem neuen Management insbesondere belastbare Informationen über die tatsächliche Finanz- und Liquiditätslage des Konzerns.“ Warum haben die Aufsichtsräte mit Haibo Huang nicht mal kurz darüber gesprochen, als sie ihn zum Vorstand machten? Immerhin führt er die Geschäfte doch schon seit Monaten. Hat der Aufsichtsrat mit ihm überhaupt gesprochen und gibt Haibo Huang befriedigende Antworten? Die jüngste Ad-hoc-Mitteilung von Youbisheng macht nicht den Eindruck, als sei der Aufsichtsrat Herr der Lage. Besorgniserregend ist die Passage: „Derzeit prüft die Youbisheng Green Paper AG verschiedene Möglichkeiten, um den Liquiditätsbedarf der deutschen Holding zu decken.“ Das heißt nichts anderes als: Es gibt kein Geld, über das der Aufsichtsrat verfügen kann, um selbst Nachforschungen zu finanzieren. Damit sind sie voll auf die Kooperation von Haibo Huang angewiesen. Wird der seinen Bruder in die Pflicht nehmen?
Die Unsicherheit bleibt, auch wenn das Unternehmen nun auf dem Papier wieder einen ordentlichen Vorstand hat. Ist der auch in der Lage einen konsolidierten Halbjahresabschluss nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS aufzustellen? Der Finanzvorstand jedenfalls hat vor gut einem Monat das Handtuch geworfen. Wann wird es eine Hauptversammlung über das abgeschlossene Geschäftsjahr 2013 geben? Hat Haibo Huang überhaupt Interesse sich hier den Fragen der Anleger zu stellen? Eine seriöse Einschätzung über die weitere Entwicklung des Aktienkurses ist derzeit nicht möglich. Selbst Roger Becker, Analyst bei der emissionsbegleitenden BankM ist ratlos, obwohl er und einige seiner Kollegen häufig in China sind und intensiv den Kontakt zum Unternehmen vor Ort gesucht haben: „Vor diesem Hintergrund werden wir eine Neubewertung des Unternehmens erst wieder durchführen, sobald die Situation geklärt und das Zahlenwerk offengelegt sind sowie das Commitment des neuen Managements gegenüber der deutschen Holding klar erkennbar ist.“ Bis dahin empfehlen sich keine Neuengagements bei Youbisheng. Auch wenn der Kurs, wie nach der jüngsten Ad-hoc-Meldung, kräftig zulegt.
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