Schneller als gedacht, ist es nach der jüngsten Kapitalerhöhung von Analytik Jena nun zu einem ersten Pflichtangebot an die Aktionäre durch Endress + Hauser gekommen. 13,75 Euro bietet der Familienkonzern, der in den Bereichen industrielle Messtechnik und Automatisierung Zuhause ist, pro Anteilschein von Analytik Jena. Bereits jetzt spekulieren die Anleger aber auf einen Nachschlag, denn mit 14,90 Euro übersteigt die aktuelle Notiz des Small Caps die Offerte deutlich. Boersengefluester.de hatte mehrfach auf die interessante Konstellation hingewiesen. Überraschend ist dennoch, wie schnell die Schweizer plötzlich auf einen Anteil von 47,33 Prozent der Stimmen gekommen sind.
Hintergrund: Ende Juni 2013 hatte Endress + Hauser 10,69 Prozent der Aktien von Jens Adomat, dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von Analytik Jena übernommen und zudem noch weitere Stücke eingesammelt, so dass ihr Anteil an der Gesellschaft auf 22,33 Prozent stieg. Endress+Hauser bezeichnete das Engagement als „strategische Beteiligung“ und stellte von vornherein klar: „Ein eigener Ausbau der Beteiligung durch den Erwerb weiterer Stimmrechte an der Analytik Jena AG innerhalb der nächsten zwölf Monate ist beabsichtigt.“ In der Jenaer Konzernzentrale in der Konrad-Zuse-Straße 1 registrierte das Management dieses Vorhaben wohlwollend. Offenbar passt die Verbindung von Analytik Jena und Endress + Hauser. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn in der Vergangenheit gab es bereits Annäherungsversuche von anderen Vertretern aus der Branche. Doch diese wurden stets vereitelt. Zu spüren bekam das etwa der Niederländer Andriess Verder. Ganz abschmettern ließ sich die Verder-Gruppe, ein Anbieter von Laborgeräten und Verdrängerpumpen, allerdings nicht und hielt seit dem ein bedeutendes Aktienpaket.
An der Börse galt die Kombination aus aufstockungswilligem Großaktionär und anderen Investoren, die sich möglicherweise nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollten, als perfekter Treibsatz für steigende Kurse. Zwar wurden die ursprünglichen Erwartungen zunächst nicht ganz erfüllt. Die Aktie von Analytik Jena bewegte sich im August/September lange Zeit seitwärts bei gut 13 Euro. Vor dem Hintergrund der Gewinnwarnung, die das Unternehmen Ende Juli überraschend auftischte, lässt sich diese Performance aber durchaus sehen. Ohne den Übernahmekick hätte es bei Analytik Jena wohl mit Sicherheit einstellige Kurse gegeben. Quasi eine Steilvorlage für eine weitere Stärkung der Position von Endress + Hauser war dann die Anfang September von Analytik Jena beschlossene Kapitalerhöhung im Verhältnis 3:1 zum Preis von 12,50 Euro pro Anteilschein. Grund: Endress + Hauser gab eine Garantie für den Erwerb aller Aktien, bei denen die Inhaber ihre Bezugsrechte nicht ausüben wollten. Dazu wurde eine Erwerbvereinbarung zwischen der emissionsbegleitenden IKB Bank und der Schweizer Ruesch Holding abgeschlossen, die die nicht bezogenen neuen Aktien als eine Art Zwischenhändler aufnahm und diese dann – mit der kartellrechtlichen Freigabe – an Endress + Hauser weiterreichen würde.
Laut offizieller Meldung vom 20. September lag die Bezugsquote für die insgesamt 1.950.232 Aktien umfassende Kapitalerhöhung bei rund 86,6 Prozent, demnach kaufte die Ruesch Holding 260.554 nicht bezogene junge Anteilscheine von Analytik Jena. Endress + Hauser sowie die TIB – hierbei handelt es sich um einen Fonds der Erfurter b-mt (Beteiligungsmanagement Thüringen GmbH), die wiederum eine Tochter der Thüringer Aufbaubank ist – nahmen ihre Bezugsrechte vereinbarungsgemäß im vollem Umfang wahr. Nach dieser Rechnung hätte Endress + Hauser – inklusive des Ruesch-Pakets – nach der Maßnahme 1.959.283 Papiere gehalten. Bezogen auf die gesamte neue Aktienzahl von 7.655.697 Stück entsprach das einem Anteil von 25,59 Prozent. Damit lagen die Schweizer zunächst unterhalb der Stimmrechtsschwelle von 30 Prozent, die zumindest ein Pflichtangebot an die Aktionäre nach sich gezogen hätte. Marktbeobachter hatten damit gerechnet, dass Endress + Hauser bereits unmittelbar nach der Kapitalerhöhung diese Schwelle überschreiten würden.
Woher sind die Stücke also gekommen, wenn die Schweizer nun 47,33 Prozent der Stimmen für sich reklamieren? Eine zentrale Rolle spielt die Glatt GmbH aus Binzen, die – zur Überraschung aller Beobachter – am 26. September einen Anteil von 17,63 Prozent (entsprechend 1.349.621 Aktien) meldete. Der Hersteller von Anlagen zum Trocknen und Granulieren von Stoffen für die Pharmabranche trat in dem ganzen Übernahmeprozess bislang nämlich noch nicht auf. Die Homepage des Familienunternehmens ist wenig ergiebig. Seit Mitte 2011 gehört Glatt der Exellence United an, einer „strategischen Allianz von Familienunternehmen des Spezialmaschinenbaus für die pharmazeutische Produktion“. Direkte Verbindungen zu Endress + Hauser sind hier nicht zu erkennen. Aber keine Frage: Man wird sich wohl gut kennen.
Auf den ersten Blick pikant: Der Anteil der Glatt GmbH entspricht nahezu exakt der Höhe des Anteils, den der Landesfonds TIB nach der Kapitalerhöhung hätte halten müssen – nämlich 1.349.333 Stück. Eine Übertragung von TIB-Anteilen an Endress+ Hauser wäre laut Wertpapierprospekt für die Kapitalerhöhung allerdings nicht so einfach durchführbar, er bedürfte zumindest der schriftlichen Zustimmung der IKB. Und so ist es auch: Das Land bleibt zunächst mit 17,79 Prozent bei Analytik Jena engagiert. Vorstandschef Klaus Berka sind 9,93 Prozent zuzurechnen. „Beide Anteilseigner werden zu einem späteren Zeitpunkt in Verhandlungen zum Verkauf ihrer Pakete eintreten“, heißt es offiziell.
Quelle für die Herkunft des Glatt-Pakets ist also die Verder-Gruppe. Sie hätte nach der Kapitalerhöhung auf einen Besitz von bis zu 1.180.359 Aktien kommen können – weitere Zukäufe über die Börse einmal ausgeklammert. Offenbar haben die Niederländer in den vergangenen Tagen vor der Kapitalerhöhung aber genau das getan und suchen jetzt den Exit. Für die weitere Kursentwicklung ist der Verkauf von Verder nicht unbedingt förderlich, denn die nun im Boot sitzenden Großaktionäre ziehen alle an einem Strang und werden sich wohl gütlich mit den Schweizern einigen. Eine heiße Übernahmenschlacht ist da nicht mehr zu erwarten. Fraglich ist daher, ob Endress + Hauser tatsächlich noch einmal nachlegt. „Wir halten das Angebot unter Berücksichtigung der aktuellen Situation und der Zukunftsaussichten der Gesellschaft für fair und angemessen”, sagt Luc Schultheiss, Vorstandschef von Endress + Hauser. Diese Aussage ist natürlich wenig verwunderlich. Die Erfahrung bei anderen Übernahmen zeigt aber, dass auf lange Sicht durchaus nachgebessert wurde. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Aktie längst kein Schnäppchen mehr ist. Trotzdem: Anleger, die den Titel im Depot haben, brauchen zunächst einmal nichts zu tun.
Foto: Analytik Jena AG