Wenige Tage nachdem Solarworld seinen Hauptversammlungsmarathon zur Rettung des Solarkonzerns erfolgreich bestritten hat, geht auch der Poker bei IVG Immobilien in eine neue Runde. Wesentliche Mitspieler sind die Gläubigerkonsortien der Kredite „SynLoan I“ (1.350 Mio. Euro) und SynLoan II (1.047,4 Mio. Euro), die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit einem 100 Mio. Euro-Kredit sowie die Gläubiger der Wandelanleihe (WKN: A0LNA8) von 2007 im Volumen von 400 Mio. Euro. Auf der anderen Seite stehen die Aktionäre von IVG Immobilien. Das Gezeichnete Kapital von 208 Mio. Euro ist eingeteilt in ebenso viele Anteilscheine (208.000.000 Stück). Das den Aktionären zustehende Eigenkapital betrug per 31. März 2013 rund 835,1 Mio. Euro.
Um die drohende Pleite bzw. den als “Plan B” bezeichneten Weg unter das Schutzschirmverfahren abzuwenden, haben die Gläubiger – im Wesentlichen handelt es sich mittlerweile wohl um Hedge Fonds – dem IVG-Vorstand nun doch noch ein Restrukturierungskonzept vorgelegt. Zur Verlustabdeckung soll in einem ersten Schritt das Grundkapital im Verhältnis 200 zu 1 heruntergesetzt werden. Demnach würde das Kapital auf 0,5 Prozent des bisherigen Kapitals geschrumpft. Ein Anleger, der bislang 10.000 Anteilscheine (im Gegenwert von 2.200 Euro) im Depot hat, käme damit auf einen Portfoliobestand von nur noch 50 IVG-Aktien.
Zum Vergleich: Der Rettungsplan von Solarworld sieht zunächst einen ähnlich dramatischen Kapitalschnitt im Verhältnis 150 zu 1 vor. Anschließend wandeln die Anleihengläubiger des Solarkonzerns 55 Prozent ihrer Forderungen in Solarworld-Aktien. Das Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) wird mit 40 Prozent im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage in Eigenkapital überführt. Finanzexperten bezeichnen so einen Tausch als „Debt-to-Equity-Swap“. Bei Solarworld halten die Finanzgläubiger nach Wirksamwerden aller Maßnahmen 95 Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft. Die Altaktionäre kommen auf nur noch fünf Prozent.
Bei IVG Immobilien ist geplant, dass der SynLoan I sowie die Wandelanleihe jeweils mit ihrem kompletten Nominalwert – also insgesamt 1,75 Mrd. Euro – via Sachkapitalerhöhung in die Gesellschaft eingebracht werden. Der Konsortialkredit SynLoan II über knapp 1,05 Mrd. Euro scheint in dem Maßnahmenpaket ausgeklammert. Laut IVG würden damit künftig 80 Prozent des Grundkapitals auf SynLoan I entfallen, die restlichen 20 Prozent auf die Wandelanleihe. Damit stellt sich die Frage, was mit dem bisherigen Eigenkapital geschieht. Grundsätzlich ist es so, dass sich ein positives Eigenkapital nur dann ergibt, wenn die Forderungen aller Gläubiger komplett erfüllt werden. Angesichts des Finanzschuldenbergs von mehr als 4 Mrd. Euro und einer vermutlich nicht ganz einfachen Verwertbarkeit des Immobilienvermögens, kommen die Gläubiger offenbar zu dem Schluss, dass das bisherige Eigenkapital mit 0 Euro beizulegen ist – die IVG-Aktie also quasi wertlos sei.
Ganz so weit wollen die Anwälte der Hedge Fonds dann aber offenbar wohl doch nicht gehen. So sieht das Rettungskonzept eine Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht für die Altaktionäre sowie die Inhaber der 2006 aufgelegten, 400 Millionen Euro schwere, IVG-Hybridanleihe (WKN: A0JQMH, aktueller Kurs: 5,2 Prozent) vor. Bei Ausübung des Bezugsrechts könnten diese beiden Gruppen bis zu drei Prozent am späteren Grundkapital halten. Wie sich die Bezugsverhältnisse für Altaktionäre und Inhaber der Hybridanleihe aufteilen, steht noch nicht fest. Um die Geschäfte bis zur Umsetzung der Maßnahmen am Laufen zu halten, wollen die Gläubiger des SynLoan I zudem eine Brückenfinanzierung von 140 Mio. Euro bereit stellen. Zudem hat die LBBW eine Verschiebung der Fälligkeit ihres 100-Mio.-Euro-Kredits in Aussicht gestellt. Ein ähnliches Signal haben auch die Gläubiger der Wandelanleihe gesendet.
„Die Gesellschaft wird kurzfristig diese Ergebnisse prüfen, auf dieser Basis weitere Verhandlungen führen und im Falle einer detaillierten Gesamteinigung zur Hauptversammlung und zur Versammlung der Hybridanleihegläubiger einladen“ kommentiert IVG Immobilien das Maßnahmenpaket. Beinahe in einem Nachsatz geben die Bonner aber noch bekannt, dass zusätzlicher Wertberichtigungsbedarf von 350 Mio. Euro auf den Immobilienbestand und das Kavernengeschäft (Gasspeicherung) erkannt worden ist, der zu einer Verlustanzeige führen wird (weitere Infos zu dem Thema Verlustanzeige HIER). Damit stellt sich die Situation für das Unternehmen nochmals schlechter dar als bislang vermutet – wenngleich die Verlustanzeige keine wirkliche Überraschung mehr ist. Ein fader Beigeschmack ergibt sich nur, weil die Meldung erst jetzt erfolgt.
Wie geht es nun weiter? Sollte der Vorstand dem Deal zustimmen, muss das komplette Maßnahmenpaket noch von den Aktionären abgesegnet werden. Und genau hier könnte es interessant für Spekulanten werden. Die Gläubiger haben offenbar ein Interesse daran, dass ihr Vorschlag umgesetzt wird. Gleichwohl sind sie auf die Zustimmung der Altaktionäre angewiesen. Diese dürften angesichts der ohnehin aufgetürmten massiven Kursverluste aber nicht unbedingt auf einen Kuschelkurs ausgerichtet sein. Denkbar wäre also, dass sich die Kreditgläubiger auch mit IVG-Aktien eindecken, um so die nötige Stimmenmehrheit zu gewährleisten. Der IVG-Aktie stehen also heiße Wochen bevor. Diesmal könnte es zur Abwechslung zwischenzeitlich aber auch mal scharf nach oben gehen. Grundsätzlich zeigt sich jedoch wieder einmal, dass Aktionäre bei der Rettung von in Schieflage geratenen Unternehmen die Gelackmeierten sind. Letztlich kommt der scharfe Kapitalschnitt nämlich einer Enteignung gleich.
Foto: IVG Immobilien AG, © Martin Joppen