Boersengefluester.de sprach mit Alphaform-Vorstandschef Thomas Vetter über die Hintergründe der jüngsten Gewinnwarnung, die weiteren Branchenaussichten, mögliche Aufträge zur Fertigung von Serienteilen und die Perspektiven für die Aktie.
Herr Vetter, Sie haben lange Zeit an Ihrer Prognose für 2013 festgehalten – unter der Prämisse, dass es keinen konjunkturellen Einbruch gibt. Was ist in den vergangenen sieben Wochen seit der Hauptversammlung passiert, dass Sie nun doch zurückrudern müssen?
Thomas Vetter: Zur Hauptversammlung am 6. Juni 2013 lagen uns die Mai-Zahlen – bis auf den Umsatz – noch nicht vor. Wir wussten, dass die Geschäfte im April sehr verhalten liefen. Dem hatten wir zunächst aber nicht so ein hohes Gewicht eingeräumt. Angesichts der eher positiven gesamtwirtschaftlichen Aussichten und wichtiger Sonderthemen wie etwa die IAA Internationale Automobil-Ausstellung im September, waren wir zuversichtlich, dass sich die Lage im Jahresverlauf wieder deutlich aufhellen würde. Als wir dann Mitte Juni gesehen haben, dass auch die Ergebniszahlen für den Mai ähnlich schlecht wie die April-Daten ausfielen, war uns klar: Irgendwas läuft hier gerade in die verkehrte Richtung. Zunächst einmal haben wir Inventurprobleme vermutet.
Wie kamen Sie darauf?
Vetter: Die Zahlen waren einfach schlechter, als es die Umsätze hätten vermuten lassen. Daher haben wir zum Halbjahr alles untersucht, und es stellte sich heraus, dass die Bestände und Materialen in Ordnung waren, wir aber ein gravierendes Preisproblem hatten.
Das haben Sie vorher nicht gemerkt?
Vetter: Wir wussten zwar, dass wir bei den Angebotspreisen zuletzt immer Nachlässe gewähren mussten. Aber es ist bei uns nicht so, wie bei einem Serienproduzenten mit großen Ordermengen. In unserem schnell laufenden Prototyping-Geschäft haben wir hunderte, wenn nicht gar tausende, Kleinaufträge. Daraus frühzeitig einen Preiseffekt für das Gesamtunternehmen abzuleiten, ist ausgesprochen schwierig.
Gab es überhaupt keine Warnsignale?
Vetter: Vorbote war sicher die konjunkturelle Abschwächung im vierten Quartal 2012. Da wurden auch bei den meisten anderen Prototyping-Diensteistern Kapazitäten frei. Im Laufe des ersten Quartals sind daher die Preise Zug um Zug nach unten gegangen. So etwas wirkt sich in unserer Brache rasch aus – in beide Richtungen übrigens. Allerdings haben wir zum Teil noch mit Aufträgen aus dem Vorjahr gearbeitet, daher kam der Effekt bei uns nicht sofort mit voller Wucht an.
In welchem Umfang mussten Sie Zugeständnisse bei Preis machen?
Vetter: Im Medizintechnikbereich liegt das im Bereich um zehn Prozent. In den anderen Segmenten war es ähnlich. Das hat sich in den vergangenen vier bis sechs Wochen mit der steigenden Nachfrage unserer Kunden aber wieder erholt. Momentan können wir wieder Aufträge zu „normalen“ Preisen annehmen.
Dennoch haben Sie Ihre Prognose für 2013 kräftig gestutzt. Statt eines Umsatzes von 27 bis 29 Mio. Euro rechnen Sie nun mit Erlösen von 26,5 Mio. Euro. Dabei soll nicht mehr ein Gewinn nach Steuern von 0,8 Mio. Euro herausspringen, sondern ein leicht negatives Ergebnis. Anders ausgedrückt: Sie befürchten möglicherweise „nur“ 0,5 Euro weniger Umsatz als ursprünglich gedacht zu machen, gehen auf der Ergebnisseite aber gleich um 1 Mio. Euro nach unten. Wie passt das zusammen?
Vetter: Zum Ende des ersten Halbjahres 2013 weisen wir einen Verlust von 1,1 Mio. Euro aus. Selbst wenn die zweiten sechs Monate planmäßig, oder vielleicht sogar etwas besser verlaufen, müssen wir die 1 Mio. Euro erst einmal kompensieren. Dazu brauchen wir bessere Preise und mehr Aufträge – bei beiden Punkten sieht es momentan gut aus. In den vergangenen sechs bis acht Wochen sind die Order sogar so deutlich angezogen, dass wir Kapazitätsprobleme haben. Unsere Prognosen zeigen, dass wir Ende 2013 etwa auf eine rote „Null“ hinaus laufen werden.
Sie haben stets betont, Alphaform habe sich in den vergangenen Quartalen kostenmäßig soweit optimiert, dass die Gesellschaft in der Lage ist, dem Preisdruck standzuhalten. Was können Sie nun noch tun?
Vetter: Auf der Fixkostenseite sind die Möglichkeiten weitgehend ausgereizt. Hier müssten wir schon Kapazitäten abbauen. Unsere Angestellten wollen wir aber auf jeden Fall behalten, da wir in den kommenden ein/zwei Jahren viele neue Programme in der Pipeline haben. Daher versuchen wir derzeit, mit unserer Stammmannschaft so flexibel wie möglich umzugehen und etwa Zeitarbeitsmodelle einsetzen. Der größere Hebel liegt aber ohnehin in der Effizienz der eingesetzten Materialien. Hier geht es darum, wie man mit Hilfe spezieller Software die Auslastung unserer Maschinen noch weiter optimieren kann. Angesichts der vielen kleinen Einzelaufträge, besteht hier ein enormes Potenzial. Zuletzt haben wir bereits die gesamte Schichtbaufertigung – also den 3D-Printing-Bereich – umgestellt. Das ermöglicht uns, auch bei gegebenenfalls sinkenden Preisen bessere Margen holen zu können.
Sie geben das Stichwort. Bis 2016 wollten Sie eigentlich auf eine zweistellige Umsatzrendite kommen. Ist diese Vorgabe noch realistisch?
Vetter: Ja, von diesem Ziel sind wir noch nicht abgerückt. Es wird aber eine ziemliche Herausforderung. Voraussetzung ist, dass wir mit unseren 3D-Druckanlagen in serienähnliche Anwendungen gelangen und die Produktion noch effizienter gestalten. Um es noch einmal klar zu sagen: Treiber für uns ist nicht das Prototyping, sondern die Serienfertigung.
Gibt es hier bereits greifbare Projekte?
Vetter: Wir hoffen, dass wir vielleicht schon im laufenden Quartal einen wichtigen Referenzauftrag vermelden können.
Bezieht sich das auf den Bereich Medizintechnik oder den Fahrzeugsektor?
Im Automobilbereich gibt es bereits Serienaufträge, die spielen aber eine eher geringe Rolle. Im Fokus ist die Medizintechnik: Hier steht das Drucken von Implantaten an erster Stelle. Wichtig für uns ist aber auch die Serienfertigung von komplexen Teilen im Kunststoffbereich. Und zwar in all den Segmenten, in denen man mit kleineren Stückzahlen – wir sprechen von 1000 bis 5000 Gleichteilen pro Jahr – unterwegs ist. Einsatzbeispiele hierfür sind Sonderfahrzeuge wie Busse, Wohnmobile oder Landmaschinen. In Frage kommen aber auch Schienenfahrzeuge und Flugzeuge. Selbst ein Rolls Royce bewegt sich in diesen Stückzahlen.
Hand aufs Herz: War die Alphaform-Aktie Anfang des Jahres bei Kursen über 3 Euro zu sehr vom Thema 3D-Druck-Fantasie aufgepumpt?
Anfang des Jahres war sicherlich eine Menge Spekulation im Kurs enthalten. Ich glaube aber, dass die Aktie insgesamt deutlich unterbewertet ist. Momentan werden wir unter Buchwert gehandelt. Wir werden momentan nicht höher eingestuft, weil uns die Nachhaltigkeit bei den Zahlen fehlt. Angesichts der Perspektive, die der Bereich 3D-Printing mit sich bringt, gehe ich davon aus, dass wir in den kommenden ein/zwei Jahren höhere Kursniveaus erwarten können.
Dr. Thomas Vetter ist Elektroingenieur und hält einen Doktortitel der Technischen Universität Darmstadt. Seine Karriere begann im Management der kunststoffverarbeitenden Industrie. Zunächst arbeitete er bei der Carl Schenck AG und später bei der Rieter Holding AG. Dann berief ihn die Sarnamotive Europe Division in den Vorstand. Bevor er Anfang 2008 zu Alphaform kam, war er General Manager bei Johnson Controls, einem der weltgrößten Automobilzulieferer.
Fotos: Alphaform AG