Vorzugsaktien heißen Vorzugsaktien, weil sie ihren Besitzern einen Vorteil bieten sollen. Dieser bezieht sich regelmäßig auf einen attraktiveren Dividendenanspruch. De facto handelt es sich dabei aber um eine Entschädigung, denn die höhere Gewinnbeteiligung wird durch ein fehlendes Stimmrecht erkauft. Insbesondere bei Übernahmen kann das ein gravierender Nachteil sein. In die Röhre schauen zurzeit auch die Vorzugsaktionäre von Mineralbrunnen Überkingen-Teinach. Der Hersteller alkoholfreier Getränke wie Afri Cola, Bluna oder Vaihinger überraschte die Börsianer Ende Mai mit einer Rückkaufofferte für bis zu 542.000 Stammaktien zu einem Preis von 16,61 Euro pro Anteilschein. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kostete das mit Stimmrecht ausgestattete Papier 15,90 Euro. Die ursprüngliche Frist sollte vom 5. Juni bis zum 2. Juli 2013 laufen. Pikant: Die Vorzugsaktionäre erhielten kein vergleichbares Angebot für ihre Papiere. Das ist nicht unbedingt üblich für Mineralbrunnen Überkingen. Im Geschäftsjahr 2010 etwa hat die Gesellschaft über drei Rückkaufprogramme knapp 295.000 Stämme und rund 556.000 eigene Vorzüge erworben. Mit den Anteilen wurde Ende 2011 unter anderem der 45prozentige Einstieg bei der IT-Dienstleistungstochter Karlsberg Service GmbH mitbezahlt.
Das gesamte Gezeichnete Kapital der Gesellschaft aus Bad Überkingen in Baden-Württemberg ist zurzeit in 6.314.700 Stammaktien (WKN: 661400) und 2.187.360 Vorzüge (WKN: 661403) verästelt. Mit einem Anteil von 52,26 Prozent an den Stammaktien ist die Karlsberg Holding der wichtigste Aktionär. Heimischen Investoren ist die Brauereigruppe vermutlich auch durch die vor knapp einem Jahr platzierte Mittelstandsanleihe (WKN: A1REWV) ein Begriff. Zum illustren Aktionärskreis gehört mit 18,65 Prozent Anteil auch der „Förderverein der angehörigen des Württ.-Hohenz. Gaststättengewerbes e. V.“ mit Sitz in Stuttgart. 10,49 Prozent hält die „Versorgungshilfe für die Betriebsangehörigen der Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG e.V“. Der Berliner Immobiliengesellschaft „Blau-Rot GmbH Donath“ um Klaus Donath sind 3,0 Prozent der Stämme zuzurechnen. 4,88 Prozent der Stammaktien – das entspricht 308.206 Anteilscheinen – befinden sich im Besitz der Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG selbst. Der Streubesitz beträgt 13,72 Prozent. Für die Vorzugsaktien existiert keine solch detaillierte Auflistung des Aktionärskreises, vermutlich befinden sie sich weitgehend im Streubesitz. Die Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG hat zumindest keine eigenen Vorzüge im Bestand.
Angesichts des übersichtlichen Aktionärskreises ist es keine große Überraschung, dass auf der Hauptversammlung am 12. Juni 2013 alle Tagesordnungspunkte mit großer Mehrheit beschlossen wurden. Dazu zählt auch eine Dividende von 0,12 Euro pro Stammaktie und 0,20 Euro je Vorzugsaktie. Da auf im Eigenbesitz befindliche Anteilscheine grundsätzlich keine Dividenden gezahlt werden, teilt sich die gesamte Ausschüttungssumme von 1,16 Mio. Euro zu 0,723 Mio. Euro auf die Stämme und zu 0,437 Mio. Euro auf die Vorzüge auf. Auf den ersten Blick überraschender ist es da schon, dass zwölf Tage nach dem Aktionärstreffen die Angebotsfreist für das Rückkaufprogramm von 16,61 Euro auf 17,80 Euro angehoben wurde und die Frist um zwei Wochen bis zum 16. Juli 2013 verlängert wurde. Allerdings sieht die Angebotsunterlage so einen Schritt explizit vor. Und zwar für den Fall, wenn sich nach der Ankündigung des Angebots „erhebliche“ Kursabweichungen ergeben sollten. Nun lässt sich darüber streiten, wo die Grenzen zu ziehen sind. Fakt ist aber, dass sich in vergangenen Tagen am Kurs der Stammaktie kaum etwas geändert hat, er pendelte in einer engen Spanne zwischen 16,20 Euro und 17,20 Euro. Wichtig: Stammaktionäre, die der Gesellschaft ihre Anteile bereits zu Beginn der ursprünglichen Frist angedient hatten, bekommen laut Punkt 3.3 der Angebotsunterlage zusätzlich die für 2012 beschlossene Dividende von 0,12 Euro pro stimmberechtigtem Anteilschein. Die Vorzugsaktionäre bekamen nach der hauptversammlung 0,20 Euro je Titel überwiesen.
Auf Basis des nachgebesserten Angebots hat die Offerte bei Vollausschöpfung der 542.000 Stammaktien damit ein Gesamtvolumen von knapp 9,39 Mio. Euro. Der Anteil eigener Stammaktien würde sich dabei auf 850.206 Stück erhöhen, was einem Anteil von 13,46 Prozent der ausgegebenen Stämme und genau 10,0 Prozent des Gesamtkapitals entspricht. Damit wäre der Rahmen des auf der Hauptversammlung am 27. Juli 2011 beschlossenen Rückkaufprogramms voll ausgeschöpft. Fraglich ist nun, warum das Unternehmen sein Rückkaufprogramm diesmal ausschließlich auf die Stämme beschränkt. Sollte es im Wege einer späteren Einziehung nur um die Reduzierung der umlaufenden Aktien gehen, hätte Mineralbrunnen den Effekt auch günstiger haben können. Auf Basis des aktuellen Kurses ließen sich für die gleiche Summe ungefähr doppelt so viele Vorzüge kaufen. Am unstrittigsten wäre eine Kombination aus Stämmen und Vorzügen gewesen. Bei der jetzigen Ausgestaltung sind allerdings die Großaktionäre die klaren Gewinner. Zwar ist über die Verwendung der eigenen Aktien nach Abschluss der Offerte noch nicht entschieden. Sollte Mineralbrunnen Überkingen die Stämme einziehen, würde sich der Stimmrechtsanteil etwa der Karlsberg Holding von 52,26 Prozent auf 60,39 Prozent der Stammaktien erhöhen – vorausgesetzt die Franzosen reichen keine Papiere ein.
Den Vorzugsaktionären bleibt bei dem 2012er-Rückkaufprogramm von Mineralbrunnen Überkingen nur ein Trost. Seit der Veröffentlichung des ersten Angebots haben sich ihre Anteilscheine um 20 Prozent auf zuletzt 7,70 Euro verteuert. Die Stämme kletterten um knapp zehn Prozent auf 17,46 Euro. Damit sind sie eng an das erhöhte Niveau vorgeprescht. Ob sich nun genügend Anleger finden, die ihre Stücke zu 17,80 Euro andienen, werden die kommenden Tage zeigen. Fakt ist: Angesichts des ungewöhnlich großen Kursabstands (Spreads) zwischen Stämmen und Vorzügen wäre eine Einbeziehung der Vorzüge in das Rückkaufprogramm die bessere Wahl gewesen. So bleibt ein fader Beigeschmack, auch wenn die Offerte ihre Kurswirkung auf beide Gattungen abgestrahlt hat.
Foto: Mineralbrunnen Überkingen-Teinach AG