Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Gleich zwei Kapitalerhöhungen im Gesamtumfang von 2,46 Millionen neuen Aktien sowie die Platzierung der 630.000 eigenen Anteilscheine bei Investoren hat sich Medisana (WKN: 549254) bis zum 20. Juni 2013 vorgenommen. 2,20 Euro pro Aktie will der Hersteller von Blutdruckmessgeräten, Massageequipment und anderen elektronischen Apparaten zur Selbsttherapie einspielen. Dieser Preis liegt zwar immer noch nördlich der aktuellen Notiz von 1,99 Euro. Doch im Vergleich zu Ende 2012, als der Titel in den Penny-Stock-Bereich abzurutschen drohte, sieht das gegenwärtige Kursniveau in der Tat verlockend zur Aufnahme frischer Mittel aus. Womöglich ziehen die Anleger sogar mit. Für die eigenen Aktien sowie die 210.000 neuen Papiere ohne Bezugsrecht für Altanleger, haben die Neusser dem Vernehmen nach bereits Investoren gefunden. Den bestehenden Aktionären werden bis zu 2,25 Millionen Anteilscheine im Verhältnis 3:1 angeboten. Das heißt: Hat ein Anleger beispielsweise 6000 Medisana-Aktien im Depot, kann er sich bis zum 20. Juni 2013 überlegen, ob er 2000 weitere Stücke zum Preis von je 2,20 zeichnen will. Insgesamt will das Unternehmen mit den Maßnahmen rund 6,7 Mio. Euro einnehmen. Ziel ist es, damit künftige Investitionen zu finanzieren.
Für das beinahe schon chronisch defizitäre Unternehmen steht viel auf dem Spiel, denn der Markt für elektronische Gesundheitsprodukte befindet sich im Wandel. Internet und Smart Phones eröffnen ganz neue Märkte – etwa im Bereich der Messgeräte für Blutzucker, Blutdruck, Puls oder Temperatur. „Mit der strategischen Expansion in Richtung Sport und Fitness wollen wir unsere Kundenbasis erweitern“, sagt Vorstandschef Ralf Lindner – selbst größter Aktionär von Medisana. 2012 erzielte die Gesellschaft „unter schwierigen Rahmenbedingungen“ bei Umsatzerlösen von 41,8 Mio. Euro ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von fast 2,4 Mio. Euro Minus. Unterm Strich stand ein Fehlbetrag von knapp 3 Mio. Euro. Gegenüber 2011 war dies auf den ersten Blick eine krasse Verschlechterung. Allerdings verzerren die positiven Effekte aus der Rückabwicklung der 2009 gestarteten Beteiligung an Gimelli Laboratories. Der Hersteller von Medizin- und Dentalprodukten mit Sitz in Hongkong erwies sich als glatter Fehlgriff. Immerhin bekam Medisana 2011 den Kaufpreis von 2,8 Mio. Dollar plus 630.000 eigene Aktien zurück.
Erste Erfolge zeigten sich bereits im ersten Quartal 2013, auch wenn die erhöhten Vertriebs- und Marketingaufwendungen keine Verbesserung der Ertragslage zuließen. Immerhin kletterten jedoch die Umsätze gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresquartal um drei Prozent 9,5 Mio. Euro. Positiv: Zwischen den Zeilen ist zu erkennen, dass Firmenlenker Lindner zuversichtlicher wird. So scheint der Manager mittlerweile überzeugter davon aus, dass Medisana bereits 2013 schwarze Zahlen könnte. Zur Vorlage des Geschäftsberichts Ende April hieß es noch, dass für 2013 ein „verbessertes Ergebnis“ zu erwarten sei und „spätestens im Folgejahr“ mit der Rückkehr in die Profitabilität zu rechnen sei. Das Eigenkapital summierte sich im Auftaktquartal 2013 mit 7,54 Mio. Euro auf knapp 28 Prozent der Bilanzsumme – eine Quote, die der Vorstand als „solide“ bezeichnet. Fakt ist aber auch: Die anhaltenden Verluste haben erheblich an der Qualität der Bilanz gezerrt. Vor fünf Jahren hatte Medisana noch mehr als 14 Mio. Euro Eigenkapital in den Büchern. Das entsprach 2008 einer Eigenkapitalquote von 49,5 Prozent. Unter diesem Blickwinkel ist die zurzeit laufende Kapitalerhöhung also nur konsequent und auch dringend notwendig. Zum Vergleich: Geratherm Medical (WKN: 549562), ebenfalls ein Hersteller von medizintechnischen Geräten, kommt auf eine Eigenkapitalquote von 69 Prozent.
Sollten die jüngsten Investitionen in neue Produkte tatschlich fruchten, rechnet Lindner für 2013 bis 2015 mit Erlöszuwächsen von jeweils zehn Prozent. Demnach könnte Medisana im laufenden Jahr auf einen Umsatz von rund 46 Mio. Euro kommen. Dem steht gegenwärtig ein Börsenwert von knapp 17 Mio. Euro entgegen. Wenn die Neusser ihre Maßnahmen zur Mittelzufuhr komplett unterkriegen, würde sich die Kapitalisierung – auf Basis des aktuellen Kurses – auf annähernd 22 Mio. Euro erhöhen. Gemessen an den Erlösen ist auch das noch eine moderate Relation. Bleibt die Frage nach der Rentabilität: Die für iPhones von Apple gemachten medizinischen Applikationen aus der Produktreihe VitaDock sollten zunehmend an Gewicht im Umsatzmix gewinnen und für attraktivere Margen sorgen. Boersengefluester.de hält EBIT-Renditen von gut fünf Prozent für erreichbar. Unterm Strich käme die Medisana-Aktie damit auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp zwölf. Für eine Turnaroundspekulation mit noch geringer Prognosesicherheit gibt es da nichts zu meckern. Susanne Schwartze, Analystin bei Warburg Research, hat die Medisana-Aktie kürzlich bereits von „Halten“ auf „Kaufen“ heraufgestuft und das Kursziel massiv von 2,00 auf 3,20 Euro geschraubt. Der Small Cap hat demnach also noch eine Menge Potenzial. Klar sollte aber auch sein: Der Titel ist eine heiße Spekulation. Wenn das Unternehmen die erhofften Zahlen zum dritten und vierten Quartal nicht bringt, wird der Kurs gehörig unter Druck kommen. Derzeit spielen die Börsianer aber zuversichtlich die Turnaroundkarte. Die psychologisch wichtige Chartmarke von 2 Euro sollte also bald signifikant übersprungen werden. Dann klappt es auch mit der Kapitalerhöhung.