Es ist ein offenes Geheimnis, dass die irische Kingspan Group mit der Börsennotiz ihrer mehrheitlich gehörenden Tochter Steico nicht sonderlich viel anfangen kann. Strategisch hat das Listing im Münchner Spezial-Freiverkehrssegment m:access für die Kingspan keinen gesonderten Wert, letztlich verursacht die Notiz nur Aufwand im Sinne der Einhaltung der Publizitätsvorschriften. Andererseits ist Kingspan aber eben nicht allein auf der Welt, immerhin 38,9 Prozent der Steico-Aktien sind offiziell noch dem Streubesitz zuzurechnen. Im Interesse der Iren dürfte es liegen, möglichst günstig an eben diese Anteilscheine zu kommen. Hintergrund: Für den Mehrheitsanteil an dem Spezialisten für Holzfaser-Dämmstoffe und Konstruktionsprodukte zahlte Kingspan 2023 insgesamt 251 Mio. Euro, das entspricht einem Preis je Aktie von 35 Euro. Aktuelle Notiz: Knapp 20 Euro.
Der nächste Schritt könnte etwa über eine freiwillige Offerte geschehen, die mit einem Delisting aus dem m:access verbunden ist. Eine Pflicht zur Annahme eines solchen Angebots gibt es zwar nicht, doch die Kombination aus einer Einschränkung von Veröffentlichungen, weiter rückläufigem Streubesitz und auch noch schlechten operativen Zahlen könnte Privatanleger zunehmend mürbe machen. Einen Vorgeschmack gab es im Dezember 2024, als die Gesellschaft plötzlich Abschreibungsbedarf von mehr als 15 Mio. Euro für die Produktionsanlagen in Polen lokalisierte und die – erst zwei Monate zuvor heraufgesetzten – Erwartungen an das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) entsprechend auf eine Bandbreite zwischen 38 und 40 Mio. Euro stutzte.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 230,31 | 251,96 | 281,00 | 308,77 | 388,18 | 445,16 | 365,29 | |
EBITDA1,2 | 37,91 | 44,41 | 56,71 | 57,02 | 91,31 | 90,05 | 57,86 | |
EBITDA-Marge3 | 16,46 | 17,63 | 20,18 | 18,47 | 23,52 | 20,23 | 15,84 | |
EBIT1,4 | 22,02 | 24,56 | 32,49 | 33,58 | 67,61 | 65,20 | 30,38 | |
EBIT-Marge5 | 9,56 | 9,75 | 11,56 | 10,88 | 17,42 | 14,65 | 8,32 | |
Jahresüberschuss1 | 15,27 | 16,16 | 22,79 | 25,43 | 48,16 | 47,86 | 16,88 | |
Netto-Marge6 | 6,63 | 6,41 | 8,11 | 8,24 | 12,41 | 10,75 | 4,62 | |
Cashflow1,7 | 25,49 | 40,52 | 43,36 | 42,91 | 85,76 | 65,63 | 51,65 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,08 | 1,15 | 1,62 | 1,81 | 3,42 | 3,40 | 1,18 | |
Dividende8 | 0,21 | 0,25 | 0,25 | 0,30 | 0,40 | 0,40 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Damals reagierten die Analysten von Montega sehr deutlich und reduzierten ihr Kursziel für die Steico-Aktie von 42 auf 30 Euro. „Die Sonderabschreibungen bleiben als Non-Cash-Event im Grunde ohne Folgen für unsere DCF-basierte Bewertung und belasten vor allem das Sentiment. Unabhängig davon setzen wir unsere operativen Prognosen für die kommenden Jahre deutlich konservativer an“, so das Fazit der Studie. Nun liegen Eckdaten des Unternehmens aus Feldkirchen bei München auf dem Tisch, wobei das EBIT mit 36,1 Mio. Euro sogar noch leicht unter dem niedrigeren Prognoseende liegt. „Die Abweichungen beim EBIT sind zurückzuführen auf Kosten oberhalb der Erwartungen, unter anderem aufgrund von erhöhten Reparatur- und Wartungskosten, zusätzlichen Abschreibungen auf Vorräte sowie Einmaleffekten bei den Personalkosten“, betont Steico.
Klingt so, als ob sich hier jemand wirklich Mühe gibt, alle möglichen Belastungen im Zahlenwerk für 2024 unterzubringen. Immerhin könnte der Abschluss für 2024 auch eine zentrale Rolle bei einem möglichen Börsenrückzug spielen. Und da liegt es eben nicht im Interesse von Kingspan, die Situation möglichst gut darzustellen. Losgelöst davon bleibt Steico ein Unternehmen, das grundsätzlich prima positioniert ist und signifikant von einer möglichen Belebung der Baukonjunktur profitieren sollte. Immerhin dürfte die neue Regierung in Deutschland viel daran setzen, die Wohnungsnot zu bekämpfen und entsprechende finanzielle Anreize setzen. Mit Blick auf unsere Ergebnisschätzung für 2026 wird die Steico-Aktie jedenfalls nur mit einem KGV von etwas mehr als 11 bewertet.
Im langfristigen Mittel liegt diese Kennzahl bei Steico fast doppelt so hoch. Und selbst wenn man die Übertreibungsphase von 2021 ausklammert, ist die aktuelle Bewertung noch immer ungewöhnlich niedrig – zumindest für Steico-Verhältnisse. Wird also ein spannendes Börsenjahr für den Spezialwert. Unser Idealszenario wäre freilich, dass Steico an der Börse notiert bleibt und sich die Umsatz- und Ergebniszahlen stärker als vermutet entwickeln. Aber selbst ein Delisting wäre für erfahrene Privatanleger nicht zwingend ein Drama.
Last but not least ein Hinweis in eigener Sache: Vorerst noch in der “Public Beta-Version”, doch wer mag, kann HIER schon mal einen Blick auf die neue Webseite von boersengefluester.de werfen. Ein paar Dinge sind noch auf unserer To-Do-Liste, aber alle wesentlichen Inhalte stehen bereits. Hoffentlich gefällt es Ihnen. Wir haben lange dran gearbeitet und viel Energie in das Projekt gesteckt.
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