Die Fans von „steuerfreien Dividenden“ werden ohnehin aufgehorcht haben. Tatsächlich ist die von Ernst Russ zur Hauptversammlung (HV) am 30. Mai 2024 avisierte Dividende von 1,00 Euro je Aktie aber nicht nur wegen der steuerlichen Ausgestaltung bemerkenswert. So steht die Ausschüttung bezogen auf den aktuellen Kurs von 5,60 Euro für eine Rendite von knapp 18 Prozent. Abgesehen von der mehrheitlich zur Deutschen Bank gehörenden DWS Group sowie Sonderfall Camerit – die Gesellschaft löst sich auf und zahlt im Zuge dessen eine finale Dividende – bietet derzeit kaum eine Aktie aus der Datenbank von boersengefleuster.de eine ähnlich so hohe Rendite. Nun sind ungewöhnlich hohe Dividenden stets mit einer gesunden Portion Skepsis als alleiniges Anlagekriterium zu sehen, zumal die Dividende mit der Ausschüttung vom Aktienkurs abgezogen wird – also definitiv kein Geld verschenkt wird. Zudem ist es bei marktengen Nebenwerten mit viel Dividendenantrieb häufig so, dass Anleger nach der HV Kasse machen und somit zusätzlicher Abgabedruck entsteht.
All das sind Punkte, auf die Investoren bei der überwiegend auf Containerschiffe spezialisierten Schiffsreederei Ernst Russ ebenfalls achten müssen. Fakt ist aber auch, dass sich die im Börsenkreisen häufig auch als „kleine Hapag-Lloyd“ bezeichnete Gesellschaft nicht nur im schwierigen Umfeld 2023 wacker geschlagen hat, sondern auch für das laufende Jahr mit einem ansprechenden Ausblick punktet. So erreichten die Umsätze für 2023 mit 202,67 Mio. Euro ein Rekordniveau und liegen komfortabel innerhalb der zuletzt in Aussicht gestellten Bandbreite von 190 bis 210 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) kam zwar leicht von 90,1 auf 86,6 Mio. Euro zurück, mit Blick auf die von den Hamburgern angepeilte Spanne zwischen 70 und 90 Mio. Euro EBIT hat Ernst Russ aber auch diesbezüglich geliefert. „Ich bin sehr zufrieden mit der Unternehmensentwicklung“, sagt Vorstand Robert Gärtner. Da 2023 zudem ein deutlich geringerer Part des Gewinns als 2022 auf Anteile dritter Gesellschafter entfiel, kam das um diesen Effekt bereinigte Ergebnis je Aktie sogar von 1,46 auf 1,66 Euro voran.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 44,04 | 52,71 | 58,79 | 55,57 | 92,29 | 191,74 | 202,67 | |
EBITDA1,2 | 10,71 | 8,60 | 9,00 | 9,70 | 40,13 | 122,29 | 116,60 | |
EBITDA-Marge3 | 24,32 | 16,32 | 15,31 | 17,46 | 43,48 | 63,78 | 57,53 | |
EBIT1,4 | 3,90 | 3,80 | 4,00 | 2,30 | 30,80 | 90,10 | 86,60 | |
EBIT-Marge5 | 8,86 | 7,21 | 6,80 | 4,14 | 33,37 | 46,99 | 42,73 | |
Jahresüberschuss1 | 6,35 | 6,38 | 1,77 | 4,74 | 26,29 | 83,90 | 81,61 | |
Netto-Marge6 | 14,42 | 12,10 | 3,01 | 8,53 | 28,49 | 43,76 | 40,27 | |
Cashflow1,7 | -4,03 | -0,98 | 12,25 | 8,03 | 39,72 | 98,75 | 90,18 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,17 | 0,19 | 0,05 | 0,12 | 0,49 | 1,46 | 1,66 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,20 | 1,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Positiv auch, dass der leicht rückläufige operative Cashflow von 90,18 Mio. Euro insgesamt auf einem hohen Niveau geblieben ist. Für 2024 kalkuliert das Unternehmen mit Erlösen zwischen 155 und 175 Mio. Euro sowie einem EBIT in einem vergleichsweise breiten Korridor von 47 bis 67 Mio. Euro. Gewinntechnisch geht es also nach Süden, doch die Einbußen hätten auch sehr viel kräftiger ausfallen können. „Bereits rund 81 Prozent der konsolidierten Umsatzerlöse sind durch bestehende Charterverträge gesichert und rund 12 Prozent der geplanten Umsatzerlöse entfallen auf Chartererlöse aus Einnahmepools“, betont CEO Gärtner im frisch vorgelegten Geschäftsbericht. Dabei profitiert Ernst Russ von den regelmäßig durchgeführten Investitionen in möglichst moderne Schiffe, wobei die gesamte Flotte zurzeit 30 Schiffe mit einem Buchwert von 251,8 Mio. Euro umfasst.
Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung des im Scale gelisteten Unternehmens beträgt momentan annähernd 188 Mio. Euro – und das bei einem auf die Anteilseigner von Ernst Russ entfallenden Eigenkapital von knapp 171 Mio. Euro. Da lässt sich nichts gegen sagen, selbst wenn boersengefluester.de bei der Buchwert-Ermittlung die anstehende Dividendensumme von 33,5 Mio. Euro ebenfalls vom Eigenkapital abzieht, weshalb sich auch ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von momentan deutlich größer als 1 ergibt. Was sind die größten operativen Risiken? Nun: Selbst wenn Ernst Russ von einer Normalisierung der Charterraten spricht, es gibt kaum etwas volatileres als die Preise für den gewerblichen Schiffstransport. Nur so sind auch die gewaltigen Ausschläge beim Gewinn von Hapag-Lloyd zu erklären. Folglich ist es kaum valide abschätzbar, wie sich die Geschäfte der Hamburger ab 2025 entwickeln werden. Sei es drum: Vorerst dürften die guten Zahlen für 2023, die ungewöhnlich hohe Dividende sowie der robuste Ausblick für 2024 den Aktienkurs dominieren.
Foto: Unsplash+
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