Bei seiner Präsentation auf dem Eigenkapitalforum der Deutschen Börse Ende November 2023 in Frankfurt räumt Timm Armbrust, CFO von Bike24, ganz offen ein: „Mein Hauptjob hat sich gedreht. Sehr viel Finanzierung, sehr viel auf die Liquidität achten.“ Immerhin befindet sich das Umfeld des Online-Händlers für Radfahrzubehör und komplette Fahrräder in einer tiefen Krise, deren Ende noch nicht wirklich absehbar ist – zumindest für viele kleinere Player. Wie krass es aber auch den Börsenneuling von Mitte 2021 erwischt hat, zeigt ein Blick auf den Chart: Vom Emissionskurs bei 15 Euro hat die Notiz von Bike24 rund 85 Prozent an Wert eingebüßt. Angesichts des Dauerabgabedrucks auf den E-Commerce-Titel gab es bereits Befürchtungen, dass sich die Gesellschaft als eine Art windeln.de 2.0 herausstellt.
Just in dieser schwierigen Phase, hat sich das Sentiment für den Anteilschein der Dresdner plötzlich aber gewandelt und der Jahresauftakt für den Small Cap hätte besser kaum sein können. Offenbar setzt die Börse darauf, dass Bike24 à la longue als einer der Gewinner aus dem Sturm hervorgeht und Pleiten wie die des Signa Sport-Imperiums mit Marken wie fahrrad.de am Ende sogar vorteilhaft sein können. Mit ein Trumpf ist dabei, dass bei Bike24 das Geschäft mit traditionellen Rädern oder auch E-Bikes nur etwa ein Fünftel des Umsatz ausmacht. Der Rest entfällt im Wesentlichen auf Zubehör wie Reifen, Ketten, Zahnräder oder Trikots – mit entsprechend höherer Kauftaktung. Bei den meisten Wettbewerbern ist dieses Verhältnis genau andersherum. Entsprechend gilt die Gesellschaft auch als Profiteur einer grundsätzlich höheren Zahl von Rädern in der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass Bike24 konsequent auf das Thema Internationalisierung setzt und mittlerweile – neben Deutschland – auch in Spanien, Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern aktiv ist.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 103,63 | 118,66 | 137,10 | 199,15 | 250,16 | 261,52 | 226,34 | |
EBITDA1,2 | 11,25 | 12,66 | 15,24 | 23,97 | 20,34 | 7,21 | -6,08 | |
EBITDA-Marge3 | 10,86 | 10,67 | 11,12 | 12,04 | 8,13 | 2,76 | -2,69 | |
EBIT1,4 | 7,55 | 3,15 | 6,33 | 10,33 | 6,11 | -7,78 | -83,50 | |
EBIT-Marge5 | 7,29 | 2,65 | 4,62 | 5,19 | 2,44 | -2,98 | -36,89 | |
Jahresüberschuss1 | 2,62 | -9,07 | -4,08 | 0,56 | 2,23 | -6,63 | -80,40 | |
Netto-Marge6 | 2,53 | -7,64 | -2,98 | 0,28 | 0,89 | -2,54 | -35,52 | |
Cashflow1,7 | 2,19 | -1,03 | 3,46 | 21,10 | -9,54 | -11,88 | 6,20 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,06 | -0,21 | -0,09 | 0,01 | 0,05 | -0,15 | -1,82 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Keine Frage: Noch immer sind auch die Lager bei Bike24 zu voll und binden damit übermäßig Kapital, doch der Höhepunkt der Spirale scheint überstanden. Für 2023 musste die Gesellschaft ihre Prognose auf einen Umsatzrückgang von bis zu 16 Prozent drosseln – bei einer bereinigten EBITDA-Marge von minus 1 bis plus 1 Prozent. Üblich waren in den in der jüngeren Vergangenheit eher operative Renditen ein einer Bandbreite von 10 bis 14 Prozent. Unterm Strich führt das aufgrund der stattlichen Abschreibungen momentan zu tiefroten Zahlen. Und es dürfte wohl auch noch ein paar Jahre dauern, bis Bike24 wieder vorzeigbare Netto-Ergebnisse erwirtschaftet – trotz der längst eingeleiteten Initiativen zur Verbesserung der Profitabilität. „Die Margen sind unnormal tief. Keiner verdient mehr Geld“, sagt Timm Armbrust auf dem Eigenkapitalforum.
Die Spekulation der Investoren zielt also darauf ab, dass sich die Extremphase möglichst zügig dem Ende neigt und Bike24 tatsächlich den Dreh hinbekommt. Eine durchaus riskante Wette, dafür wird der Anteilschein aber auch nur zu weniger als 45 Prozent des Buchwerts gehandelt. Mit anderen Worten: Dem Börsenwert von 88 Mio. Euro stand zuletzt ein Eigenkapital von 203 Mio. Euro entgegen. Der Puffer am Kapitalmarkt ist also ziemlich ausgeprägt. Ein nicht zu unterschätzendes Risiko ist nach Auffassung von boersengefluester.de jedoch, dass mehr als die Hälfte der Bilanzsumme auf immaterielle Vermögenswerte und Goodwill entfällt. Sollte es hier zu größerem Korrekturbedarf kommen, könnte das Eigenkapital schneller als gedacht schrumpfen. Momentan setzen die Investoren bei dem Vollsortimenter mit mehr als 900 Marken jedoch eher auf die Turnaroundkarte und eine ausreichende Versorgung mit Liquidität. Vielleicht wird 2024 also zum Wendejahr für Bike24. Zumindest die Kurswende ist schon mal eingeläutet.
Foto: Unsplash+
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