Endlich einmal wieder ein positives Kurssignal von R. Stahl – nachdem die Aktie des Anbieters von explosionsgeschützten Elektronikkomponenten für den Einsatz in der Öl- und Gasindustrie oder auch dem Chemie-Sektor in den vergangenen 1,5 Jahren eine einzige Dauerenttäuschung war. Wirklich markant schwarze Zahlen hat R. Stahl zuletzt in den Geschäftsjahren vor 2014 geschrieben. Die verrückte Geschichte um das abgeschmetterte Übernahmeangebot des Elektronikspezialisten Weidmüller aus dem Jahr 2014 will boersengefluester.de an dieser Stelle gar nicht wieder aufwärmen. Dabei war R. Stahl früher durchaus ein Unternehmen, bei dem die Präsentationsräume auf großen Konferenzen wie dem Eigenkapitalforum bis auf den letzten Platz gefüllt waren.
Doch zurück in die Jetzt-Zeit. Nach neun Monaten 2022 kommt R. Stahl nämlich deutlich dynamischer voran, als wir es – angesichts des allgemein schwierigen Umfelds – gedacht haben. So kletterten die Erlöse um 9,6 Prozent auf 202,51 Mio. Euro. Fast 36,5 Prozent davon entfielen allein auf das dritte Quartal. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) kletterte in den ersten drei Quartalen um 34,4 Prozent auf 15,49 Mio. Euro – auch hier wesentlich getrieben durch das EBITDA von knapp 9,10 Mio. Euro im dritten Quartal. „Die erfreuliche Entwicklung ist für uns ein klarer Beweis, dass die konsequente Verfolgung unserer Unternehmensstrategie nun Früchte trägt“, sagt CEO Mathias Hallmann. Für das Gesamtjahr bleibt er bei der im Sommer konkretisierten Prognose, wonach bei Erlösen zwischen 270 und 275 Mio. Euro mit einem EBITDA vor Sondereinflüssen (etwa für Restrukturierungsaufwand) in einer Bandbreite von 18 bis 21 Mio. Euro zu rechnen ist.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 268,46 | 280,11 | 274,78 | 246,59 | 248,11 | 274,34 | 330,56 | |
EBITDA1,2 | 7,00 | 9,46 | 25,27 | 17,18 | 16,82 | 20,59 | 36,64 | |
EBITDA-Marge3 | 2,61 | 3,38 | 9,20 | 6,97 | 6,78 | 7,51 | 11,08 | |
EBIT1,4 | -10,69 | -4,16 | 6,34 | 0,49 | -0,06 | 3,85 | 19,12 | |
EBIT-Marge5 | -3,98 | -1,49 | 2,31 | 0,20 | -0,02 | 1,40 | 5,78 | |
Jahresüberschuss1 | -21,78 | -7,00 | 1,35 | -3,53 | -4,93 | 1,93 | 0,18 | |
Netto-Marge6 | -8,11 | -2,50 | 0,49 | -1,43 | -1,99 | 0,70 | 0,05 | |
Cashflow1,7 | 19,75 | 18,22 | 19,62 | 17,86 | 11,86 | 5,99 | 14,22 | |
Ergebnis je Aktie8 | -3,28 | -1,10 | 0,21 | -0,54 | -0,76 | 0,30 | 0,03 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: BDO |
Zunächst einmal wichtig: Die Bereinigungen machten nach Q3 nur noch rund 1,10 Mio. Euro aus, sind damit also beinahe vernachlässigbar. Trotzdem ist es so, dass unterm Strich für 2022 wohl noch immer rote Zahlen stehen werden, zumal R. Stahl eine Sonderabschreibung von rund 3 Mio. Euro auf die vor rund sechs Jahren eingegangene Beteiligung an dem russischen Unternehmen Zavod Goreltex vorgenommen hat, die sich entsprechend belastend auswirkt. Nun: Sollte sich der bereits seit dem zweiten Quartal 2022 zu beobachtende Schwung bei den Zahlen von R. Stahl fortsetzen, müssten im kommenden Jahr – bei aller Unsicherheit um die weitere globale Gesamtsituation – normalerweise richtig gute Ergebnisse rauskommen. Beim Blick in die Bilanz des Unternehmens aus Waldenburg fällt insbesondere ein Posten auf: die Pensionsrückstellungen. Standen hier zum Jahresende noch knapp 95,50 Mio. Euro in den Büchern, hat sich der Wertansatz in den vergangenen Quartalen bis auf 64,14 Mio. Euro verringert – eine Folge des höheren Rechnungszinsfußes. Das verändert Zinsumfeld schlägt sich also auch in den Tiefen einer Bilanz deutlich wieder.
Wichtig ist das an dieser Stelle unter anderem deswegen, weil boersengefluester.de die Pensionsrückstellungen zu den Finanzverbindlichkeiten zählt und mit dem Rückgang auch eine entsprechende Verringerung des Unternehmenswerts – Enterprise Value (Börsenwert plus Netto-Finanzverbindlichkeiten) – einhergeht. Demnach wird R. Stahl schon jetzt „nur“ mit dem knapp Zehnfachen des für 2022 zu erwartenden EBITDA gehandelt. Ein Multiple, was sich im kommenden Jahr nochmals deutlich erniedrigen sollte.
Unbedingt wichtig bei dem im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelisteten Unternehmen ist ein Blick auf die Aktionärsstruktur, denn der Streubesitzanteil ist relativ überschaubar: Der Löwenanteil der Aktie befinden sich in den Händen der Gründerfamilien, der RAG-Stiftung sowie der Investmentaktiengesellschaft für langfristige Investoren TGV um Norman Rentrop. Aber auch die werden sich nach der langen Durststrecke allesamt nach höheren Kursen und perspektivisch auch wieder einer Dividende sehnen. Die bislang letzte Ausschüttung gab es nämlich für 2016.
Foto: R. Stahl AG