Was für eine irre Entwicklung. Als boersengefluester.de im Frühjahr 2014 erstmals das Management von Mutares zum Hintergrundgespräch in Frankfurt traf (HIER), öffnete sich die auf Sanierungsfälle spezialisierte Beteiligungsgesellschaft gerade zaghaft dem Kapitalmarkt. Zentrale Themen des in den Räumen von Hauck & Aufhäuser durchgeführten Meetings waren das geplante Uplisting in das Freiverkehrssegment Entry Standard – quasi dem Vorgänger des heutigen Scale – sowie die Vorbereitungen für eine eher größere Kapitalerhöhung, die dann später mit einem Volumen von brutto 24,5 Mio. Euro auch tatsächlich umgesetzt wurde. Knapp 6,5 Jahre später steht bei Mutares erneut ein Segmentwechsel auf der Agenda – diesmal in Form eines Upgrades vom Scale in den streng regulierten Prime Standard. Und erneut läuft gerade eine Barkapitalerhöhung. Mit einem Volumen von bis zu rund 100 Mio. Euro freilich in einer nochmals anderen Größenordnung.
„Es geht darum, Mutares in die nächste Liga zu führen“, sagt Johannes Laumann, CIO von Mutares im Teams-Call mit boersengefluester.de. Zur Einordnung: Bei voller Platzierung der bis zu 5.140.439 neuen Aktien würden die Münchner auf einen Börsenwert von 450 Mio. Euro zusteuern. Dagegen erreichte die Marktkapitalisierung bei unserem ersten Treffen mit dem Mutares-Vorstand rund 170 Mio. Euro, was mit Blick auf die seitdem verstrichene Zeitspanne bereits ein ordentlicher Zuwachs ist. On top kommen allerdings noch 115 Mio. Euro Dividenden, die seitdem ausgeschüttet wurden. So gesehen hat sich die Angelegenheit für dauerhaft engagiert gebliebene Investoren mehr als gelohnt. Da wir über Mutares in den vergangenen Jahren regelmäßig berichtet haben (HIER), wollen wir an dieser Stelle nicht die komplette Story nochmal erzählen, zumal sie sich durch die gerade laufende Kapitalerhöhung nicht grundlegend verändert. „Unsere strategische Ausrichtung bleibt gleich“, sagt Laumann.
Demnach geht die Gesellschaft weiter ihren Weg und passt dabei lediglich die durchschnittliche Größe sowie die Taktung der einzelnen Transaktionen nach oben an. Ein Prozess, der aber bereits seit geraumer Zeit im Gange ist. So hat sich der – wie es so schön heißt – „Sweet Spot“ beim Erwerb neuer Gesellschaften auf mehr als 100 Mio. Euro Umsatz vergrößert. In Einzelfällen kann die Summe sogar deutlich drüber liegen. Konkret sollen von den angepeilten brutto rund 100 Mio. Euro Emissionserlös laut Wertpapierprospekt etwa 40 bis 60 Mio. Euro in Akquisitionen fließen, zwischen 30 und 50 Mio. Euro sind für das bestehende Portfolio gedacht. Zudem gibt es noch einen Puffer für allgemeine Unternehmenszwecke. Erklärtes Ziel ist es, den Konzernerlös bis zum Jahr 2023 auf eine Größe von mindestens 5 Mrd. Euro zu hieven.
Für Aktionäre ist diese Zahl freilich nur von begrenzter Relevanz. Sehr viel wichtiger ist, was auf Ebene der Holding an Dividenden oder Umsatzerlösen aus dem Beratungsgeschäft für die einzelnen Portfoliofirmen sowie möglichen Exit-Erlösen übrig bleibt. Für das laufende Jahr rechnet Laumann mit einem Holding-Ergebnis zwischen 43 und 55 Mio. Euro – nach 33,4 Mio. Euro im Jahr zuvor. Maßgeblich für Anleger ist dieses Resultat insbesondere deshalb, weil sich hieraus die jeweilige Dividendenzahlung speist. Dabei peilt Mutares eine jährliche Basisdividende von 1 Euro je Aktie an, womit der Titel per se schon mal zu den Renditehits auf dem heimischen Kurszettel gehört. Je nach Exit-Erlösen aus Firmenverkäufen kann hierauf noch ein Bonus kommen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 899,70 | 865,10 | 1.015,90 | 1.583,90 | 2.504,00 | 3.751,70 | 4.689,10 | |
EBITDA1,2 | 67,10 | 49,10 | 79,20 | 142,70 | 566,50 | 181,50 | 756,90 | |
EBITDA-Marge3 | 7,46 | 5,68 | 7,80 | 9,01 | 22,62 | 4,84 | 16,14 | |
EBIT1,4 | 40,00 | 19,40 | 26,20 | 41,20 | 447,30 | -3,10 | 436,90 | |
EBIT-Marge5 | 4,45 | 2,24 | 2,58 | 2,60 | 17,86 | -0,08 | 9,32 | |
Jahresüberschuss1 | 43,90 | 12,00 | 16,70 | 19,70 | 442,40 | -21,00 | 367,10 | |
Netto-Marge6 | 4,88 | 1,39 | 1,64 | 1,24 | 17,67 | -0,56 | 7,83 | |
Cashflow1,7 | -29,10 | -11,10 | -10,70 | -43,00 | -103,50 | -20,80 | -27,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,85 | 0,96 | 1,37 | 1,78 | 26,83 | -0,32 | 18,41 | |
Dividende8 | 1,00 | 1,00 | 1,00 | 1,50 | 1,50 | 1,75 | 2,25 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Gut zu wissen: Der Sockelbetrag von 1 Euro je Aktie bleibt auch bei Vollplatzierung der Kapitalerhöhung stehen und wird nicht etwa auf 0,75 Euro verwässert. Als Faustformel für Aktionäre gilt zudem, dass Mutares mittel- bis langfristig ein Nettoergebnis auf Holdingebene von 1,8 bis 2,2 Prozent des Konzernumsatzes anpeilt. Im Mittel und bezogen auf die für 2023 avisierte Erlös-Untergrenze von 5 Mrd. Euro käme die Gesellschaft damit auf einen Überschuss von rund 100 Mio. Euro. Bei knapp 20,64 Millionen Aktien ergibt sich also eine Menge Dividendenspielraum nach oben. Wichtig auch der Hinweis, dass sich der Streubesitzanteil der Mutares-Aktie im Zuge der laufenden Kapitalerhöhung von derzeit 59,77 Prozent wohl Richtung 65 Prozent verschieben wird. Die bisherigen Kernaktionäre aus Vorstand, Aufsichtsrat sowie dem Unternehmer Johann Vielberth werden rund 20 Prozent der neuen Aktien zeichnen – also etwa jedes zweite Bezugsrecht ausüben. Das ist eine durchaus markante Größe bei dem stets schwierigen Spagat zwischen Vergrößerung der Aktionärsbasis und Bekenntnis zum eigenen Unternehmen.
Per saldo bleibt der Titel damit eine attraktive Option für risikobereite Dividendenfans. Die aktuelle Kursschwäche ist dabei zum wesentlichen Teil der noch bis 13. Oktober laufenden Kapitalerhöhung geschuldet und sollte bald überwunden sein. Das Uplisting in den Prime Standard wiederum ist für den 19. Oktober 2021 angesetzt. Die Hoffnung von Mutares ist, dass der Wechsel zusätzliche Profiinvestoren anzieht, die bislang aus meist regulatorischen Gründen nicht in den Titel investieren durften. Rein charttechnisch ist wiederum interessant, dass die Notiz der Mutares-Aktie momentan am steigenden 200-Tage-Durchschnitt andockt – normalerweise liegt hier eine solide Unterstützungszone.
Foto: Chris Kaeppeli auf Unsplash