Das ist einzigartig im SDAX: Der Stahlhändler Klöckner & Co wird auf Netto-schuldenfreier Basis gerade einmal mit dem 1,7fachen des für das laufende Jahr vom Vorstand erwarteten EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) vor Sondereffekten von mittlerweile rund 800 Mio. Euro gehandelt und hat darüber hinaus auch noch einen Discount von rund einem Viertel auf das zum Halbjahr ausgewiesene Eigenkapital. Dabei ist die rasante operative Entwicklung den Investoren nicht einmal verborgen geblieben, wie die Kursentwicklung der vergangenen Quartale zeigt. Warum also die – zumindest gemessen an den Bewertungskennzahlen – weiterhin so große Vorsicht der Börsianer? In erster Linie liegt es daran, dass wesentliche Teile des für das laufende Jahr zu erwartenden Rekordergebnisses durch sogenannte „Windfall-Effekte“ zustande kommen.
Bei Klöckner ist das immer dann im positiven Sinn der Fall, wenn die Verkaufspreise deutlich höher sind als der Wertansatz der Bestände. Freilich wirkt der Hebel bei rückläufigen Verkaufspreisen auch in die anderen Richtung – wie in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen. Momentan läuft es für Klöckner & Co aber alles wie am Schnürchen, so dass es zu den enormen Steigerungsraten auf der Ergebnisseite kommt. Immerhin wies die Gesellschaft für 2020 noch ein EBITDA vor wesentlichen Sondereffekten von gerade einmal 111 Mio. Euro aus. Dabei machen die eigentlichen Extraposten – 2021 handelt es sich überwiegend um Erträge aus Standortveräußerungen – “nur” rund 15 Mio. Euro aus. Zum Vergleich: 2020 schlugen die Restrukturierungsaufwendungen aus dem sogenannten Surtsey-Projekt – Klöckner hat seine Wachstumsinitiative nach der isländischen Vulkaninsel Surtsey benannt – mit rund 72 Mio. Euro belastend zu Buche.
Die Ausgaben vom vergangenem Jahr sind nun jedoch mit ein Motor für 2021 sowie die Folgejahre. Entsprechend sollte Klöckner auch bei sich bei normalisierenden Stahlpreisen deutlich ertragsstärker sein, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass auch ein Distributionsunternehmen wie Klöckner viel in Sachen Digitalisierung unternommen hat. „Unser Ziel heißt „Zero-Touch“, also Wertschöpfung mit minimalem manuellem Aufwand“, betont die Gesellschaft. Größter Werttreiber für die Aktie dürfte hierbei die offene Online-Plattform XOM Materials sein, die das Unternehmen – zusätzlich zur eigenen Klöckner-Plattform – forciert. Ein Potenzial, das vom Kapitalmarkt vermutlich noch deutlich unterschätzt wird. Nun: Selbst wenn das EBITDA für 2022 auf ein Drittel des für das laufende Jahre zu erwartenden Werts schrumpfen sollte – wovon wir nicht ausgehen – wäre die SDAX-Gesellschaft noch immer ziemlich günstig bewertet.
Zudem dürften die Duisburger zur Hauptversammlung Anfang Juni 2022 endlich auch wieder eine Dividende auf die Tagesordnung setzen. Und die könnte, wenn der operative Trend nicht komplett dreht, richtig gut ausfallen. Summa summarum markiert der Buchwert von zurzeit 14 Euro für boersengefluester.de eine Art natürliches Kursziel.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6.291,56 | 6.790,49 | 6.314,72 | 5.130,11 | 7.440,86 | 9.378,69 | 6.956,61 | |
EBITDA1,2 | 219,56 | 227,10 | 139,03 | 52,14 | 878,70 | 480,96 | 190,44 | |
EBITDA-Marge3 | 3,49 | 3,34 | 2,20 | 1,02 | 11,81 | 5,13 | 2,74 | |
EBIT1,4 | 129,84 | 141,46 | 1,73 | -93,64 | 754,50 | 348,08 | 65,76 | |
EBIT-Marge5 | 2,06 | 2,08 | 0,03 | -1,83 | 10,14 | 3,71 | 0,95 | |
Jahresüberschuss1 | 102,25 | 68,65 | -54,88 | -114,36 | 629,34 | 259,34 | -189,80 | |
Netto-Marge6 | 1,63 | 1,01 | -0,87 | -2,23 | 8,46 | 2,77 | -2,73 | |
Cashflow1,7 | 78,87 | 60,20 | 204,23 | 160,98 | -305,77 | 405,17 | 321,57 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,96 | 0,66 | -0,56 | -1,16 | 5,58 | 2,32 | -1,91 | |
Dividende8 | 0,30 | 0,30 | 0,00 | 0,00 | 1,00 | 0,40 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
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