Mit die spannendsten Investmentstorys liefern regelmäßig Unternehmen in Umbruchsituationen. Aus diesem Grund hatte sich boersengefluester.de Mitte Februar auch die Aktie von Amalphi näher angesehen (HIER). So hat sich die bislang auf Wartungskonzepte für Server und sonstige IT-Ausstattung spezialisierte Gesellschaft durch die Übernahme der Medondo AG aus Hannover, einem Anbieter von Praxissoftware für Kieferorthopädie und Zahnärzte, deutlich Richtung Software verändert. Ein Prozess, der in den kommenden Quartalen noch deutlich an Fahrt gewinnen soll. Zur Wachstumsfinanzierung führt Amalphi momentan eine Barkapitalerhöhung im Verhältnis 14:1 zu einem Ausgabekurs von 4,20 Euro durch. Hieraus könnten die Münchner brutto bis zu 3,1 Mio. Euro einnehmen.
Parallel läuft die Emission einer Wandelanleihe im Volumen von bis zu 2 Mio. Euro – diese Maßnahme allerdings unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre. Sphene Capital-Analyst Peter Thilo Hasler sieht den neuesten Finanzierungsmix sehr positiv und hat das Kursziel für den Spezialwert kurzerhand von 5,80 auf 8,80 Euro heraufgesetzt (Download der Studie HIER): „Durch den Mittelzufluss der beiden Kapitalmaßnahmen kommt es nach unserer Einschätzung zu erheblichen Vorzieheffekten bei der von uns erwarteten Geschäftsentwicklung.“ Boersengefluester.de hat nun ein sehr ausführliches Interview mit Amalphi-Vorstand Peter Biewald geführt. „Unsere Vision ist, dass sich die neue amalphi AG bis 2026 zu einem Marktführer für Software im Gesundheitswesen entwickelt“, sagt Biewald.
Herr Biewald, Mitte 2020 haben Sie mit der amalphi AG die vollständige Übernahme der medondo AG aus Hannover, einem Anbieter von Praxissoftware für Kieferorthopädie und Zahnärzte, auf die Schiene gesetzt und dafür bereits umfangreiche Kapitalmaßnahmen durchgeführt. Analysten trauen Ihnen zu, dass amalphi durch die medondo-Übernahme mittelfristig zu einem führenden Anbieter von cloud-basierter Abrechnungssoftware für den medizinischen Bereich aufsteigen wird. Teilen Sie diese Einschätzung?
Peter Biewald: Ja, davon bin ich überzeugt. Das Gründerteam der medondo ist seit 20 Jahren im Medizinsektor unterwegs und kennt den Markt dementsprechend gut. Die Kombination aus innovativen Ärzten auf der fachlichen Seite und ehemaligen SAP-Beratern, die langjährige Erfahrungen aus internationalen Softwareprojekten mitbringen, auf der technischen Seite, ist eine wichtige Erfolgsgrundlage für ein Projekt in diesem Ausmaß. Außerdem haben unsere Marktanalysen bestätigt, dass es international nur wenige Softwarehersteller gibt, die den ganzheitlichen Ansatz fahren, wie ihn sich medondo auf die Fahnen schreibt. Der Trend, Apps für separate Einzelthemen anzubieten, verschärft zunehmend das Problem, dass zahlreiche Insellösungen existieren, die unzulänglich miteinander verknüpft sind. medondo setzt darauf, die bisherigen Flickenteppiche durch eine integrierte Universallösung zu ersetzen.
medondo bietet seine Software Praxen und Kliniken im Rahmen eines „Software as a Service“-Modells in einer deutschen Cloud unter Einhaltung strengster Sicherheitsstandards an. Wie kommt die Software bisher am Markt an?
Peter Biewald: Das Feedback ist hervorragend. Bereits in der Entwicklungsphase haben sich etwa 60 Praxen dem medondo innovation club angeschlossen, um Ideen, Wünsche und Anregungen in die Konzeption ihrer zukünftigen Software einzubringen und das Projekt aktiv mitzugestalten. Als Vorstufe zum medondo manager sind nun die ersten drei Produkte erfolgreich in den Verkaufsstart gegangen: Der medondo coordinator ist eine Software, über die Patienten direkt mit ihrem Arzt vernetzt und in die Praxisprozesse eingebunden werden. Das Patientenportal des coordinators bietet z. B. die Möglichkeit, Termine online zu vereinbaren, Nachrichten, Dokumente und Aufgaben auszutauschen sowie Videosprechstunden durchzuführen. Die in Kooperation mit Prof. Dr. Axel Bumann entwickelte Spezialsoftware CMD Professional entlastet Zahnarztpraxen erheblich bei Kiefergelenk-Behandlungen. Und mit dem medondo communicator erhalten Praxen ein wertvolles Marketingtool für die Positionierung und Kommunikation über alle gängigen sozialen Netzwerke.
Wie sieht Ihr Zeitplan für den weiteren Rollout aus?
Peter Biewald: Der medondo coordinator wird im Laufe des Jahres schrittweise um weitere Apps erweitert und vor allem im Bereich Patientenversorgung und Abrechnung zu einem vollwertigen Praxismanagementsystem ausgebaut. Im weiteren Verlauf stehen Erweiterungen auf unserer Roadmap, mit denen der medondo manager heutige Softwarelösungen weit hinter sich lässt. Die Details will ich heute zwar noch nicht verraten, aber sowohl unsere Kunden als auch unsere Aktionäre dürfen gespannt sein.
Welche Rolle spielt die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für medondo?
Peter Biewald: Dass die elektronische Patientenakte bei medondo eine zentrale Rolle spielt, erkennt man schon am Firmennamen, der für „medical online documentation“ steht. medondo hat die Vision, medizinische Daten in die Hände von Patienten und Ärzten zu geben. In diesem Zusammenhang setzt medondo von Anfang an auf Technologien und Konzepte, die international bereits etabliert sind und nun auch in Deutschland eingeführt werden. Damit besteht mittelfristig auch eine gute Grundlage, um mit anderen „Playern“ im Gesundheitswesen strukturierte Daten auszutauschen. Beispielsweise können Rechnungen für Privatpatienten bei Bedarf auch direkt zwischen Arzt und Krankenversicherung ausgetauscht werden, so dass die Zwischenfinanzierung durch den Patienten entfällt.
Und wie ist der Schutz der sensiblen Patientendaten gewährleistet?
Peter Biewald: Der Datenschutz spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, schließlich arbeiten wir mit den wertvollsten Daten, die es überhaupt gibt. Die beteiligten Ärzte möchten sicherstellen, dass Patientendaten da bleiben, wo sie zweifelsfrei hingehören: in den Händen von Ärzten und Patienten. Es ist technisch sichergestellt, dass weder medondo noch Dritte an die Datenbestände von Praxen gelangen können. Über das Patientenportal haben Patienten Einblick in ihre medizinischen Daten und ihre Behandlungshistorie. In Zukunft können sie mehr als je zuvor darüber entscheiden, was mit ihren Daten passiert. medondo schafft eine Transparenz und Mitbestimmung, wie sie durch den Datenschutz schon lange gefordert wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 1,96 | 2,06 | 2,41 | 2,50 | 2,20 | 1,60 | 1,25 | |
EBITDA1,2 | -0,53 | -0,70 | -0,47 | -0,75 | -2,56 | -3,03 | -1,86 | |
EBITDA-Marge3 | -27,04 | -33,98 | -19,50 | -30,00 | -116,36 | -189,38 | -148,80 | |
EBIT1,4 | -0,54 | -0,72 | -0,49 | -1,05 | -4,11 | -5,24 | -4,14 | |
EBIT-Marge5 | -27,55 | -34,95 | -20,33 | -42,00 | -186,82 | -327,50 | -331,20 | |
Jahresüberschuss1 | -0,65 | -0,81 | -0,57 | -1,10 | -4,18 | -5,33 | -4,29 | |
Netto-Marge6 | -33,16 | -39,32 | -23,65 | -44,00 | -190,00 | -333,13 | -343,20 | |
Cashflow1,7 | -0,64 | -0,68 | -0,13 | -1,00 | -3,82 | -1,41 | -1,62 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,06 | -0,08 | -0,06 | -0,11 | -0,29 | -0,35 | -0,28 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Quintaris |
Was sind die größten Hürden bei der Markterschließung durch medondo?
Peter Biewald: Die größte Hürde ist aus unserer Sicht, dass in Deutschland das Thema Digitalisierung in vielen Köpfen noch nicht präsent ist. Im Medizinsektor trifft man tendenziell auf Menschen, die wenig technikaffin sind und die die tatsächlichen IT-Risiken falsch einschätzen. Das lokale Praxisnetzwerk mag auf den ersten Blick ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, wenn man noch nie einen virtuellen Einbruch bzw. einen Datenverlust erlebt bzw. mitbekommen hat. Dass die Sicherheitslücken in vielen Praxen allerdings größer sind als in einer professionell geschützten Cloud-Umgebung, ist vielen nicht klar. Bei medondo ist das Thema IT-Sicherheit sehr hoch aufgehängt. Hier sehen wir aber noch einige Aufklärungsarbeit im Markt vor uns.
Wie sieht aktuell die Konkurrenzsituation auf dem Markt für Praxismanagement-Software aus?
Peter Biewald: Was die Konkurrenten angeht, haben wir zum einen die alteingesessenen Softwareanbieter für Praxismanagement. In Deutschland herrscht hier vollkommene Markttransparenz, weil die KBV und KV alle für die GKV-Abrechnung zugelassenen Softwaresysteme offiziell listen. Perspektivisch sehen wir allerdings die größere Konkurrenz in Anbietern, die mit großen Marketingbudgets Nischenprodukte für Spezialthemen befeuern. Damit wird dann allerdings der bereits genannte Flickenteppich nur größer. Langfristig werden hier diejenigen erfolgreich sein, die finanziell die Größe eines Tankers haben, sich in der Produktpolitik aber als wendiges Schnellboot aufstellen.
Sie werben damit, dass Ihre Kunden durch die Automatisierung von Prozessen in der Arztpraxis und die Integration von Patientendaten in ein integriertes Projektmanagementsystem zeitliche und finanzielle Vorteile haben – und das bei höherer Qualität. Wie sieht Ihr Vertriebsmodell aus?
Peter Biewald: In der aktuellen Phase setzen wir im Vertrieb vor allem auf diejenigen Praxen, die auf der Höhe der Zeit bleiben oder sogar vorweg gehen wollen – und davon gibt es erfreulicherweise einige. Unser Vertriebsmodell basiert auf einer gesunden Kombination aus langjährig im Medizinsektor verankerten, bei medondo angestellten Vertriebsmitarbeitern, renommierten „Key Opinion Leadern“ als Kunden der ersten Stunde und einem Netzwerk von Kooperationspartnern. Unsere Lifetime-Provision stellt für unsere externen Partner eine attraktive Einnahmequelle dar.
Zur Finanzierung eines beschleunigten Ausbaus des Vertriebsnetzes und einem schnelleren Markteintritt wollen Sie eine Wandelanleihe im Volumen von maximal 2 Mio. Euro und eine Bar-Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht im Volumen von bis zu 3,1 Mio. Euro platzieren. Gibt es schon positive Rückmeldungen aus Ihrem Aktionärskreis oder Interessensbekundungen neuer Investoren?
Peter Biewald: Die Rückmeldungen zur Wandelanleihe sind so positiv, dass wir davon ausgehen, die Zeichnung zeitnah schließen zu können. Die Kombination einer 4%igen tagesgenauen Verzinsung bis zum potenziellen Wandlungstag mit einem nah am aktuellen Aktienkurs liegenden Wandlungspreis von 5 Euro bei jederzeitiger Wandlungsmöglichkeit kommt sowohl bei Altaktionären als auch bei neuen Investoren gut an. Die Bezugsfrist für die Bar-Kapitalerhöhung beginnt gerade, erste positive Rückmeldungen lassen auch hier auf starkes Interesse sowohl von bestehenden als auch neuen Aktionären schließen, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen.
Wie sieht die aktuelle Aktionärsstruktur der amalphi AG aus? Wie viele Aktien halten Management und Aufsichtsrat?
Peter Biewald: Aktuell beträgt das Grundkapital 10,42 Mio. Euro bestehend aus ebenso vielen Aktien. Vor den aktuellen Kapitalmaßnahmen halten Management und Aufsichtsrat zusammen einen Anteil in Höhe von circa 30 Prozent. Ich erwarte, dass die Kollegen, so wie ich selbst, ihr Engagement verstärken, so dass die Anteilsquote sogar noch etwas steigen sollte. Die ehemaligen medondo-Aktionäre halten weitere rund 20 Prozent, wobei neben dem Management auch die Aktionäre in Führungspositionen einem Lock-up ihrer Aktien aus dem Aktientausch zugestimmt haben.
Die amalphi-Aktie ist derzeit nur im Basic Bord des Freiverkehrs notiert. Wäre vor dem Hintergrund Ihrer ambitionierten Ziele nicht der Wechsel in ein qualifiziertes Segment des Freiverkehrs folgerichtig?
Peter Biewald: In der Tat gehen unsere Überlegungen mittelfristig dahin, in ein anderes Marktsegment zu wechseln, wobei wir natürlich zuerst einmal die „harten“ Kriterien der Börse bzgl. Umsatz und/oder Profitabilität erfüllen müssen. Ob der Scale dann das angemessene Marktsegment ist, wird sich zeigen; Vorteile für Investoren würden sich hier kaum ergeben, da wir bereits heute die weiteren Anforderungen hinsichtlich Reporting, Transparenz etc. erfüllen oder sogar übererfüllen. Möglicherweise wäre dann eher der Prime Standard das richtige Segment für uns.
Kommen wir zurück auf das operative Geschäft: Sie bringen dort auch die Option von anorganischem Wachstum ins Spiel. In welche Richtungen schauen Sie sich dabei um? Welche Anforderungen haben Sie an eine potenzielle Beteiligung?
Peter Biewald: Das wesentliche Kriterium für eine Beteiligung ist deren Beitrag zur operativen Weiterentwicklung, entweder indem wir bereits entwickelte passende Features oder Apps zukaufen und damit die bei Eigenentwicklung benötigte Zeit stark verkürzen oder indem wir den Eintritt in neue Märkte schneller erreichen. In diesem Bereich reden wir vor allem von bereits etablierten Vertriebskanälen, durch die wir schneller unsere Kunden erreichen können.
Sphene-Capital-Analyst Peter Thilo Hasler geht davon aus, dass das bisherige Kerngeschäft der amalphi, die herstellerunabhängige Third Party Maintanance (TPM), nun in den Hintergrund rücken wird. Ist dem so?
Peter Biewald: Wenn wir uns an der jüngsten Sphene-Studie und den zugrunde liegenden Marktdaten orientieren, dann ist es offensichtlich, dass das medondo-Geschäft eine ganz andere Dynamik an den Tag legt als das TMP-Geschäft. Gerade der in Deutschland vorhandene Nachholbedarf bei der Digitalisierung des Medizinbereichs spielt unserer cloud-basierten, voll integrierten Software in die Karten. Die auch gerade durch Covid generierte Erkenntnis der Branche, wie effizient und vorteilhaft digitale Prozesse sowohl für Arzt und Patient sein können, tut ein Übriges.
Wie sieht Ihre Vision der „neuen amalphi AG“ aus? Wo könnte die Gesellschaft in drei bis fünf Jahren stehen?
Peter Biewald: Unsere Vision ist, dass sich die neue amalphi AG bis 2026 zu einem Marktführer für Software im Gesundheitswesen entwickelt und Gesundheitsdienstleistungen international auf einem völlig neuen Niveau möglich macht. Bereits bis Ende 2023 wollen wir eine ernst zu nehmende Rolle im Gesundheitssektor der DACH-Region spielen. Kommerziell erwarten wir für die nächsten Jahre ein progressives Wachstum, wobei die EBIT-Marge, wie im Bereich eigenentwickelter Software üblich, mittelfristig deutlich über der Marke von 20 Prozent liegen sollte.
Peter Biewald arbeitete nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre 14 Jahre bei DAX-Unternehmen in verschiedenen Führungspositionen innerhalb des Finanzbereichs mit Schwerpunkten auf Corporate Finance, M&A, IR und Kapitalmarkt. Seit 2002 war er als CFO/ COO in größeren mittelständischen, meist börsennotierten Unternehmen, unter anderem im Biotechnologie Sektor, tätig. Peter Biewald ist seit dem Börsengang der Amalphi ag Aufsichtsratvorsitzender und wechselte im Dezember 2016 in den Vorstand der Gesellschaft.