Seit Wochen hängt die Notiz der Deutsche Familienversicherung (DFV) in einem vergleichsweise engen Korridor zwischen 17 und 19 Euro fest. Auf den ersten Blick nicht unbedingt verwunderlich, gibt es zurzeit doch eine Art Pattsituation zwischen den grundsätzlich attraktiven Wachstumsperspektiven des digital ausgerichteten Anbieters von Zusatzpolicen für Krankheit, Zahn und Pflege sowie Sachversicherungen und den zuletzt recht deutlichen Belastungen für das Kapitalanlageergebnis aufgrund der zwischenzeitlichen Verwerfungen der Finanzmärkte. Unbedingt einen Blick wert ist Aktie der Deutschen Familienversicherung momentan aber aus einem ganz anderen Grund: So macht sich das amerikanische Versicherungsunternehmen Lemonade zurzeit nämlich börsenfein und hat kürzlich bereits den dafür obligatorischen S-1-Prospekt veröffentlicht.
Lemonade und Deutsche Familienversicherung hört sich zunächst einmal nach einem Pärchen an, das ungleicher nicht sein könnte. Doch von der Namensgebung sollten sich Investoren nicht ablenken lassen, letztlich sind beide Firmen vergleichsweise junge Versicherungsgesellschaften, die den verkrusteten Markt mit viel Technologie aufmischen wollen – und dabei auch noch ähnlich groß sind. Nicht nur im Börsensprech ist in diesem Zusammenhang häufig von InsurTechs die Rede, quasi dem Versicherungspendant zu den eher banknahen FinTechs. So weist Lemonade für 2019 Bestandsbeiträge von 116 Mio. Dollar (rund 103,5 Mio. Euro) aus, während die DFV zum Ende des ersten Quartals 2020 auf ein Prämienvolumen von 108,3 Mio. Euro kommt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 70,66 | 66,52 | 90,92 | 114,74 | 155,22 | 183,51 | 119,50 | |
EBITDA1,2 | 2,12 | -2,88 | -2,71 | -7,52 | 2,42 | 4,03 | 7,33 | |
EBITDA-Marge3 | 3,00 | -4,33 | -2,98 | -6,55 | 1,56 | 2,20 | 6,13 | |
EBIT1,4 | 2,12 | -4,10 | -5,20 | -10,56 | -0,81 | 1,67 | 5,72 | |
EBIT-Marge5 | 3,00 | -6,16 | -5,72 | -9,20 | -0,52 | 0,91 | 4,79 | |
Jahresüberschuss1 | 1,48 | -3,34 | -2,10 | -7,43 | -1,70 | 0,99 | 4,16 | |
Netto-Marge6 | 2,09 | -5,02 | -2,31 | -6,48 | -1,10 | 0,54 | 3,48 | |
Cashflow1,7 | 16,62 | 6,63 | 14,33 | 17,67 | 14,62 | 46,35 | 23,40 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | -0,25 | -0,37 | -0,53 | -0,12 | 0,26 | 0,28 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Dafür denken die Amerikaner in großen Dimensionen und weisen für 2019 einen gegenüber dem Vorjahr ungefähr auf das Doppelte gestiegenen Verlust von 108,5 Mio. Dollar aus. Zum Vergleich: Die in Frankfurt ansässige Deutsche Familienversicherung bilanziert für 2019 einen operativen Verlust von 5,2 Mio. Euro. Unterm Strich blieb aufgrund steuerlicher Besonderheiten sogar „nur“ ein Fehlbetrag von 2,1 Mio. Euro stehen. Bewertungstechnisch geht die Schere noch sehr viel weiter auseinander. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde wurde Lemonade mit rund 2 Mrd. Dollar (knapp 1,8 Mrd. Euro) bewertet. Dem steht bei der Deutsche Familienversicherung zurzeit eine Marktkapitalisierung von annähernd 240 Mio. Euro entgegen. Entsprechend wurde Lemonade zuletzt mit einem Faktor von etwa 7,5 auf den aktuellen Börsenwert der DFV bewertet.
Kein Wunder, dass auch die Experten von Hauck & Aufhäuser auf die interessante Ausgangslage bei der im Prime Standard gelisteten Aktie hinweisen und ihr Kursziel von 25 Euro bestätigen. „Insgesamt bleibt die DFV eine der aufregendsten Wachstumsgeschichten in Europa“, urteilen die Analysten. Die Chancen stehen also gut, dass die Notiz demnächst nach oben ausbrechen könnte. Dafür bräuchte das IPO von Lemonade nur ein ganz bisschen auf die Deutsche Familienversicherung abstrahlen.