Zu einer Reihe von gewöhnungsbedürftigen Verschiebungen hat die Corona-Krise auf dem Börsenparkett geführt: Das Mainzer Biotechunternehmen Biontech ist mit 11,5 Mrd. Euro etwa plötzlich fast genauso viel wert wie die Deutsche Bank. Der bis vor kurzem noch als Highflyer gefeierte Flugzeugbauer Airbus wird in Sachen Marktkapitalisierung vom Pharmakonzern Merck KGaA überholt, Börsenneuling TeamViewer ist auf einmal wertvoller als das DAX-Urgestein HeidelbergCement und der Kochboxenlieferant HelloFresh zieht mit einem Börsenwert von mittlerweile 4,8 Mrd. Euro an dem Medienriesen RTL Group vorbei. Und im Spezialwertebereich hätten wir zu Jahresbeginn auf alles Mögliche getippt, aber wohl kaum auf ein derart rasantes Comeback der Aktie von Stratec, welches die Notiz deutlich über das bisherige Rekordhoch von gut 80 Euro aus dem März 2018 geführt hat.
Auslöser der neu entflammten Kauflaune: Als Systemlieferant für den Bereich Diagnostik stellt Stratec Analysesysteme her, die unter anderem auch zur Diagnose von Corona-Erkrankungen eingesetzt werden können. Entsprechend groß ist die Zusatznachfrage der Labore. Wichtig zu wissen: Stratec baut die Geräte zwar zusammen. Gelabelt werden sie aber für bekannte Diagnostikkonzerne wie Abott, DiaSorin, Hologic oder Siemens Healthineers, wobei konkrete Kundennamen in der Regel nicht genannt werden. Ein Selbstläufer ist die Corona-Zusatzkonjunktur freilich nicht. Schon allein, weil dringend benötigte Bauteile nicht mehr ohne weiteres verfügbar sind. Konkrete Prognosen, in welchem Umfang die Jahreszahlen 2020 über den ursprünglichen Erwartungen liegen werden, sind derzeit also kaum möglich.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 209,76 | 187,82 | 214,16 | 250,10 | 287,34 | 274,63 | 261,91 | |
EBITDA1,2 | 47,33 | 35,53 | 35,60 | 56,27 | 66,43 | 58,07 | 40,08 | |
EBITDA-Marge3 | 22,56 | 18,92 | 16,62 | 22,50 | 23,12 | 21,14 | 15,30 | |
EBIT1,4 | 28,84 | 15,01 | 17,19 | 33,68 | 48,18 | 41,14 | 22,39 | |
EBIT-Marge5 | 13,75 | 7,99 | 8,03 | 13,47 | 16,77 | 14,98 | 8,55 | |
Jahresüberschuss1 | 25,64 | 8,97 | 14,41 | 25,18 | 39,96 | 29,22 | 13,07 | |
Netto-Marge6 | 12,22 | 4,78 | 6,73 | 10,07 | 13,91 | 10,64 | 4,99 | |
Cashflow1,7 | 29,98 | 11,95 | 21,26 | 31,85 | 63,47 | 10,28 | 19,43 | |
Ergebnis je Aktie8 | 2,22 | 0,75 | 1,20 | 2,07 | 3,28 | 2,41 | 1,07 | |
Dividende8 | 0,80 | 0,82 | 0,84 | 0,90 | 0,95 | 0,97 | 0,55 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Entsprechend zurückhaltend formuliert auch CEO Marcus Wolfinger die aktuelle Entwicklung: „Die Coronavirus-Pandemie wirkt sich bis jetzt tendenziell erhöhend auf die Bestellprognosen unserer Kunden aus. Allerdings sind die weiteren Auswirkungen der Pandemie, wie beispielsweise mögliche temporäre Unterbrechungen in der Lieferkette, auch für uns derzeit noch nicht vollumfänglich abschätzbar.“ Vermutlich sind Aktionäre momentan auch gar nicht so gut beraten, ein Investment einzig an einen möglichen Corona-Effekt zu knüpfen. Dafür ist Stratec mit einem Gesamtumsatz von im Vorjahr immerhin fast 222 Mio. Euro einfach zu groß. Wichtiger erscheint da die grundlegende Story: Nach einem für Stratec-Verhältnisse recht schwachen Jahr 2018 hat die Gesellschaft für 2019 wieder signifikante Ergebnissteigerungen hinbekommen und stellt – auch dank etlicher Produkteinführungen – für das laufende Jahr weitere Zuwächse für Umsatz und Ergebnis in Aussicht.
Konkret rechnet Vorstandschef Wolfinger mit einem Erlösplus im hohen einstelligen Prozentbereich sowie einer um Bilanzeffekte aus Übernahmen sowie damit zusammenhängenden Integrationsaufwendungen bereinigten EBIT-Marge von rund 15 Prozent – nach 14,1 Prozent für 2019. Zur (vermutlich) am 20. Mai 2020 stattfindenden Hauptversammlung soll nach jetzigem Stand eine Dividende von 0,84 Euro auf die Agenda gesetzt werden, was immerhin auf die 16. Dividendenerhöhung in Folge hinauslaufen würde. Bezogen auf die aktuelle Notiz von 81,50 Euro erreicht die daraus abgeleitete Dividende allerdings gerade einmal etwas mehr als 1 Prozent. Nicht unbedingt jedermanns Sache ist auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) jenseits von 30.
Allerdings sollte Investments in der jetzigen Phase auch nicht in erster Linie am KGV festgezurrt werden. Wichtiger ist, dass sich Stratec in einem langfristigen Wachstumsmarkt befindet. Und da müsste schon viel falsch laufen, wenn der Aktienkurs in drei bis fünf Jahren nicht signifikant über der aktuellen Notiz stehen würde.
Foto: Stratec SE