Hauptversammlungen sind normalerweise eine trockene Angelegenheit. Ganz anders das Aktionärstreffen von Mobotix am 20. Dezember 2013 in den Geschäftsräumen im pfälzischen Winnweiler-Langmeil. „Oh je, oh je – das war heiter“, lautete das Fazit eines Privatinvestors. Was war geschehen? Nach schier endlosen Vorstandsreden – manch einer hatte den Eindruck, sie dienten dazu, die Aktionäre einzulullen – trat die Tochter des Firmengründers und bis Oktober 2013 als CEO agierenden Ralf Hinkel vor das Mikrofon, und trug für die von ihr vertretene Dr. Ralf Hinkel Holding einen geänderten Vorschlag zur Gewinnverwendung vor. Statt einer Dividende von 0,50 Euro je Aktie sollte der Anbieter von Überwachungskameras 0,75 Euro pro Anteilschein auskehren. Ralf Hinkel selbst war offenbar nicht präsent.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse bei Mobotix – der Hinkel Holding waren zum Zeitpunkt der HV 50,22 Prozent der Aktien zuzurechnen – ist es keine Überraschung, dass dieser Vorschlag angenommen wurde. Der ursprünglich vorgesehene Dividendenteil von 0,50 Euro wurde am Tag nach der HV ausgezahlt, die zweite Rate wird zum 31. März 2014 fällig. Dividendenberechtigt sind freilich nur diejenigen Anteilseigner, die den Titel bereits zur Hauptversammlung im Depot hatten. Insgesamt beträgt die Dividendensumme nun 9,86 Mio. Euro. Davon fließen 5 Mio. auf das Konto von Ralf Hinkel. Knapp 1,67 Mio. Euro mehr als ursprünglich geplant. Unschöne Randnotiz: Der kurzerhand geänderte Dividendenplan lässt das neue Vorstandsteam um Magnus Ekerot (CEO und Vertrieb), Oliver Gabel (Technik) und Klaus Gesmann (Finanzen) wie Schulbuben aussehen.
Überhaupt hat der frühere Börsenhighflyer, 2012 kostete der Titel in der Spitze fast 27 Euro, zuletzt einiges an Vertrauen bei den Investoren eingebüßt – nicht nur weil die Geschäfte an Dynamik verloren hatten. Beispiel: Ende Mai hatte Mobotix den Wechsel des Börsensegments vom streng regulierten Prime Standard in den laxen Entry Standard beschlossen. Keine unübliche Entscheidung. Um Kosten zu sparen, gingen zuletzt etliche Small Caps diesen Weg. Der Börsenwert von Mobotix beträgt rund 197 Mio. Euro. Offiziell kam der Vorstoß damals vom Vorstand – und somit von Hinkel. Dem Vernehmen nach soll der Aufsichtsrat zu dieser wichtigen Veränderung allerdings nicht gefragt worden sein. So passt es ins Bild, dass bereits am 10. Juni 2013 der Aufsichtsratschef Thomas Hoch und Ulrich Putsch das Kontrollgremium verließen. Putsch gehört zu der Familie, der bei dem Sitzhersteller Recaro das Sagen hat. Seinem Bruder Martin Putsch werden momentan 9,91 Prozent der Mobotix-Aktien zugerechnet. Neu in den Aufsichtsrat wechselten damals Hinkels Ehefrau Sabine sowie der Unternehmer Willi A. Fallot Burghardt aus dem benachbarten Kaiserslautern.
Angesichts der jüngsten Entwicklungen fragen sich die Investoren nun wohin die Reise geht. Zum Stabwechsel im Oktober wies Hinkel darauf hin, dass von seiner Seite „derzeit keine Verkaufsverhandlungen geführt werden und auch keine Verkaufsabsichten bestehen“. Spekuliert wurde daher in die andere Richtung. Demnach könnten Hinkel oder Mitglieder der Familie den Dividendenregen nutzen, um zunächst weitere Aktien zu erwerben und dann – gemeinsam mit dem Putsch-Clan – auf lange Sicht doch einen Verkauf des Unternehmens in Form eines möglichst großen Pakets in die Wege zu leiten. Insbesondere aus dem asiatischen Kreis dürfte es Interesse an Mobotix geben. Technisch sind die Spezialkameras der Pfälzer über jeden Zweifel erhaben. Zudem kann sich die Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von 66 Prozent sehen lassen. Den Finanzschulden von 8,6 Mio. Euro standen liquide Mittel von 7,8 Mio. Euro entgegen. Außerdem hat Mobotix noch einen kleinen Goldschatz, der mit 3,6 Mio. Euro in der Bilanz steht. Die stillen Reserven hieraus sind allerdings auf nur noch rund 200.000 Euro geschrumpft. Zum Bilanzstichtag 30. September 2013 waren es noch gut 650.000 Euro.
Mittlerweile hat sich jedoch das Blatt gewendet. So teilte die Ralf Hinkel Holding überraschend mit, dass sie sich “aktuell von Teilen ihrer Aktien trennt, die Meldeschwelle von 50% unterschritten hat und weitere Aktienverkäufe plant.” Offen ist, ob das über die Börse erfolgen soll oder Hinkel bereits einen Abnehmer für die Stücke hat. Unklar ist auch, in welchem Umfang der Firmengründer sein Paket reduzieren will. Für Außenstehende wird die Entwicklung auch kaum nachvollziehbar sein, schließlich gilt im Entry Standard nicht die sonst übliche Mitteilungspflicht beim Touchieren bestimmter Meldeschwellen. Vor dem Hintergrund der plötzlich geänderten Pläne kommt die Dividendenerhöhung jedenfalls noch kurioser daher.
Bleibt ein Blick auf die Bewertung der Aktie: Für das Geschäftsjahr 2013/14 kalkuliert der Vorstand derzeit mit einem Umsatzplus von rund zehn Prozent auf dann 95 Mio. Euro. Die operative Marge soll bei etwa 21 liegen. Das entspräche einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) von knapp 20 Mio. Euro – eine Größenordnung, die sich mit den Erwartungen der Analysten deckt. Zur Einordnung: 2012/13 kam Mobotix auf ein EBIT von 18,3 Mio. Euro. Gegenwärtig wird der Small Cap also mit dem Faktor zehn auf das für das laufende Jahr erwartete EBIT gehandelt. Marktführer Axis Communications kommt hier auf ein Multiple von immerhin 16,5. Aus charttechnischer Sicht hatte sich die Notiz von Mobotix im laufenden Jahr bereits mehrfach im Bereich zwischen 14 und 15 Euro gefangen. Gut möglich, dass die jüngste Kursschwäche eine gute Einstiegsgelegenheit für Langfristanleger eröffnet. Als Kursbremse dürfte sich jedoch die unerwartete Abgabebereitschaft des Großaktionärs erweisen. Unterm Strich ist das Papier damit wohl eine Halten-Position.