Einstmals ein reiner Telefoniedienstleister, hat sich 3U Holding zu einer erfolgreichen Beteiligungsgesellschaft mit den Segmenten ITK, Erneuerbare Energien und SHK weiterentwickelt. Sternchen im Portfolio der Marburger sind die Cloud-Lösung weclapp und die E-Commerce-Plattform Selfio. Im Vorstandsgespräch mit BankM erklärt Vorstandssprecher Michael Schmidt warum 3U kein Bauchladen ist, nimmt Stellung zu IPO-Plänen und gibt Auskunft zum Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten im Bereich Erneuerbare Energien.
BankM: Bis zum 30. September läuft der zweite Ausübungszeitraum der Option für die Veräußerung des Windparks Lüdersdorf II noch. Wie ist der aktuelle Stand?
Michael Schmidt: Wir gehen davon aus, dass die Option in den nächsten Tagen ausgeübt wird und der Verkauf entsprechend stattfindet.
BankM: Grundsätzlich möchten Sie die Erzeugungskapazitäten im Bereich Erneuerbare Energien auf Sicht von zwei Jahren mehr als verdoppeln. Allein 2018 sind dafür Investitionen in Höhe von rund 20 Mio. Euro geplant. Im bisherigen Jahresverlauf wurden jedoch noch keine Transaktionen vermeldet. Was können Investoren in den kommenden Monaten erwarten?
Schmidt: Wir suchen möglichst große Parks, die vornehmlich über baugleiche Anlagen verfügen und haben entsprechende Targets identifiziert, bei denen wir uns eine Übernahme vorstellen könnten. Ob eine oder mehrere Transaktionen zeitnah verwirklicht werden können, hängt von vielerlei Faktoren ab, auf die wir zum Teil nur geringe Einflussmöglichkeiten haben. Um zu sagen, ob wir das Investitionsvolumen im laufenden Jahr wie geplant umsetzen können, ist es deshalb noch zu früh.
BankM: Bestandsaufbau auf der einen, Veräußerung von Windparks auf der anderen Seite. Welche Rolle möchte 3U im Bereich Erneuerbare Energien strategisch einnehmen?
Schmidt: Derzeit gibt es einen gigantischen Wettbewerb um neue Windparks. Das treibt die Preise nach oben und lässt die Renditen fallen. Teilweise werden im Markt Eigenkapitalrenditen von 3 Prozent akzeptiert. In diesem Umfeld ist ein Verkauf für 3U attraktiver als ein langfristiger Betrieb. Neben dem Windpark Lüdersdorf II haben wir aktuell aber keinen weiteren selbst entwickelten Windpark im Portfolio, der kurzfristig zum Verkauf stehen würde. Umgekehrt gibt es viele alte Bestandswindparks mit EEG-Restlaufzeiten von weniger als sieben Jahren. Wir gehen davon aus, dass wir mit der Übernahme solcher Windparks, auch über die jeweilige EEG-Restlaufzeit hinaus, Geld verdienen können. Nach unseren Berechnungen können wir solche vollständig abgeschriebenen Windparks mit Stromgestehungskosten von um die 2 Eurocent pro kWh betreiben und gleichzeitig Verträge mit Energieunternehmen abschließen, die uns deutlich mehr einbringen. Von der technischen Seite sollte ein Weiterbetrieb nach dem Ende der EEG-Laufzeit von mindestens fünf bis zehn Jahren möglich sein.
BankM: Welche Rolle spielt das Segment Erneuerbare Energien im Gesamtgefüge der 3U Holding?
Schmidt: Mit EBITDA-Margen von um die 80 Prozent sind die Erneuerbaren Energien mit Abstand unser margenstärkstes Segment. Aktuell erwirtschaften wir hier etwa die Hälfte des Konzern-EBITDAs. Gelingt es uns die Stromerzeugungskapazitäten wie geplant zu verdoppeln, würde sich dies entsprechend positiv auf den Konzerngewinn auswirken. Zudem sind die Umsätze wiederkehrender Natur und bringen stabile Mittelzuflüsse.
BankM: Ist der Bereich Erneuerbare Energien die Konzern-Cashcow, so heißen die potentiellen Stars weclapp und Selfio. Was macht gerade weclapp so erfolgreich?
Schmidt: Mit bis zu 40 Programmierern hat weclapp über Jahre eine leistungsfähige, voll integrierte und in der Anwendung relativ einfache Business-Software-Suite entwickelt, die es bereits seit 2013 am Markt gibt und die auch für kleinere Unternehmen (bis 500 Mitarbeiter) erschwinglich ist. Lange mussten wir uns für diese Investitionen auch gegenüber unseren Aktionären rechtfertigen, aber zwischenzeitlich werden immer mehr potentielle Kunden auf die Lösung aufmerksam. Dass wir zwei Jahre in Folge die Auszeichnung „ERP-System des Jahres in der Cloud“ gewinnen konnten, hat dabei sicherlich nicht geschadet.
BankM: Was sind die nächsten Zwischenschritte auf dem anvisierten Weg zum führenden Cloud-CRM- und -ERP-Anbieter in Deutschland?
Schmidt: Mit einem geplanten durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstum von 80 Prozent bis 2021 wollen wir das hohe Wachstumstempo der Vergangenheit beibehalten. Das Auslandsgeschäft wird dabei enorm an Bedeutung zulegen. Von Anfang an wurde weclapp so konzipiert, dass es den weltweiten ERP-Markt adressieren kann. Schon heute ist die Lösung in sechs Sprachen verfügbar und in 33 Ländern aktiv. Neben dem organischen Wachstum suchen wir aktiv nach Kundenstämmen, die wir in die Cloud überführen können. Es tummeln sich einige Hundert ERP-Hersteller in Deutschland, die wir genau analysieren. Interessant für uns sind Unternehmen mit hohem Standardisierungsgrad und wenig Customizing. Hier ist die Chance für eine erfolgreiche Integration der Kunden auf die weclapp-Plattform besonders groß. Einige passende Targets haben wir bereits identifiziert.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 46,89 | 47,94 | 54,45 | 61,05 | 55,94 | 62,66 | 52,35 | |
EBITDA1,2 | 6,67 | 6,72 | 10,10 | 11,55 | 11,27 | 165,59 | 5,23 | |
EBITDA-Marge3 | 14,22 | 14,02 | 18,55 | 18,92 | 20,15 | 264,27 | 9,99 | |
EBIT1,4 | 2,99 | 2,71 | 5,50 | 5,94 | 6,76 | 161,09 | 1,64 | |
EBIT-Marge5 | 6,38 | 5,65 | 10,10 | 9,73 | 12,08 | 257,09 | 3,13 | |
Jahresüberschuss1 | 1,21 | 2,15 | 4,40 | 3,96 | 4,04 | 159,40 | 3,10 | |
Netto-Marge6 | 2,58 | 4,48 | 8,08 | 6,49 | 7,22 | 254,39 | 5,92 | |
Cashflow1,7 | 6,65 | 0,60 | 4,68 | 4,78 | -9,46 | 16,54 | 0,47 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,03 | 0,06 | 0,11 | 0,09 | 0,08 | 4,26 | 0,07 | |
Dividende8 | 0,02 | 0,03 | 0,04 | 0,05 | 0,05 | 3,20 | 0,05 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
BankM: Um Ihre Wachstumsziele zu erreichen, möchten Sie in den kommenden 24 Monaten noch einmal 20 Mio. Euro in die Entwicklung von weclapp stecken. Sind vor diesem Hintergrund größere Kapitalmaßnahmen geplant?
Schmidt: Die 20 Mio. Euro enthalten ja auch Fremdkapital und interne Mittel, anders hätten wir weclapp gar nicht bis hierher gebracht. Und um eines klar zu sagen: weclapp ist ausgereift und benötigt diese Summe nicht zur Weiterentwicklung der Lösung, sondern für anorganisches Wachstum. Mit entsprechenden Zukäufen würde weclapp in eine neue Umsatzdimension hineinkatapultiert und damit ein noch attraktiverer Kandidat für den von uns präferierten IPO.
BankM: Was macht einen Börsengang aus Ihrer Sicht besonders attraktiv?
Schmidt: Der ERP-Markt unterhalb der SAP-Welt wird in den kommenden Jahren neu verteilt. 70 bis 80 Prozent des Marktes entfallen am Ende auf die Top-3. Da wollen wir dabei sein und das geht nur über Zukäufe. Bei EBITDA-Multiples von 20 sind Akquisitionen im Cloud-Bereich aber nicht gerade günstig. Ein Börsengang gibt uns die Möglichkeit einerseits die Kontrolle über unsere Beteiligung zu behalten und andererseits Geld für das weitere Wachstum einzuwerben.
BankM: Im Segment SHK (Sanitär-, Heiz- und Klimatechnik) verfolgen Sie mit der E-Commerce-Plattform Selfio eine ähnliche Strategie.
Schmidt: Das stimmt. Auch bei Selfio verfolgen wir einen klaren Wachstumskurs mit Zukäufen und zunehmender Internationalisierung. In den kommenden Jahren möchten wir den Umsatz so von derzeit rund 18 Mio. Euro auf über 50 Mio. Euro steigern. Ähnlich wie weclapp ist Selfio vom Reifegrad schon relativ weit fortgeschritten und kann mittelfristig auch ohne den Konzernverbund erfolgreich operieren. Entsprechend können wir uns grundsätzlich auch hier einen Exit durch IPO oder Anteilsverkauf vorstellen.
BankM: Trotz der guten Baukonjunktur wurden die Wachstumsziele im Segment SHK im ersten Halbjahr 2018 aber nicht erreicht, die Margen sind sogar gesunken. Welche Gründe gibt es dafür und welche konkreten Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen, um dies zu verbessern?
Schmidt: Die Gründe sind in erster Linie witterungsbedingt. Der relativ lange Winter 2017/18 führte zu erheblichen Verzögerungen bei den SHK-Bau-/Sanierungsprojekten unserer Onlinekunden und der Jahrhundertsommer 2018 hat sich eher dämpfend auf die Onlinenachfrage ausgewirkt. In diesem Umfeld waren höhere Google-Ads-Kosten erforderlich. Im Rahmen unseres kontinuierlichen Verbesserungsprozesses arbeiten wir aber konsequent an der Optimierung von Einkauf, Produktverfügbarkeit, Artikelanlage und Suchmaschinenergebnissen. Wir sind deshalb sehr zuversichtlich unsere Wachstumsziele in den kommenden Jahren wie geplant zu erreichen.
BankM: Wo sehen Sie nach einem möglichen Verkauf von weclapp und/oder Selfio die langfristige Zukunft des Konzerns?
Schmidt: Grundsätzliches Ziel ist es, Geschäftsmodelle im Rahmen unserer derzeitigen Segmentstruktur erfolgreich zu entwickeln. In den nächsten zwei bis drei Jahren haben wir mit der Weiterentwicklung des bestehenden Beteiligungsportfolios genug zu tun. Wir sind von den langfristigen Erfolgsaussichten überzeugt und ein IPO schließt eine weiterführende Beteiligung ja nicht aus. Und so lange Bereiche wie die Telefonie unverändert positive Ergebnisse erzielen, haben auch diese weiterhin ihre Daseinsberechtigung im 3U-Konzern.
BankM: Windparks, ERP-Systeme und Heizungen: Warum ist die 3U Holding dennoch kein Bauchladen?
Schmidt: Alle unsere Segmente sind technologiegetrieben und bewegen sich im Bereich Gebäudeinfrastrukturdienstleistungen. Über diese große Klammer hinaus, profitieren die einzelnen Geschäftsbereiche auch voneinander. Dies gilt insbesondere für weclapp und Selfio. In der Telefonie und bei Selfio ist das Tarifmanagement ausschlaggebend, weil die Kunden die Preise online vergleichen. Um bei den Suchmaschinen ganz oben zu landen, müssen Sie ein tiefes Verständnis hinsichtlich deren Suchalgorithmen haben und ständig ein gezieltes Content-Marketing betreiben. Das haben wir beim Vermarktungsstart von weclapp gelernt und später bei Selfio 1-zu-1 umgesetzt. Dass der Handel eine wesentliche Zielgruppe für weclapp ist, führt zu weiteren gegenseitigen Befruchtungen. So wissen wir über Selfio genau welche Anforderungen ein Onlinehändler an ein ERP-System stellt und erhalten über weclapp umgekehrt Einblicke in Geschäftsprozesse von Handelskunden, die uns im SHK-Bereich helfen. Wir haben die heutige Segmentstruktur während der vergangenen Jahre mit Bedacht entwickelt und sind damit sehr zufrieden.
BankM: Die positive Entwicklung wird auch vom Kapitalmarkt zunehmend wahrgenommen…
Schmidt: Wir sind wieder auf der Erfolgsspur und wollen das auch durch eine kontinuierliche Dividendenzahlung deutlich machen. Dies und die guten Perspektiven unserer Beteiligungen haben zweifellos zu einem erhöhten Interesse an der 3U-Aktie geführt, was sich auch im Sprung über die 1-Euro-Marke zeigt. Aber mit Verlaub: Das aktuelle Niveau spiegelt in keinster Weise den wahren Wert der 3U wider. Allein der Wert der unserer 75-Prozent-Beteiligung an weclapp von vielen Marktteilnehmern heute schon beigemessen wird, übersteigt den aktuellen Börsenwert der gesamten 3U.
Michael Schmidt studierte Nachrichtentechnik an der Fachhochschule Gießen. Nach seinem Abschluss zum Diplom-Ingenieur begann er seine berufliche Laufbahn als selbstständiger Kaufmann im Bereich Telekommunikation und IT. 1997 war er einer der Gründer der 3U Telekommunikation GmbH und bis 2002 Leiter Technik des Unternehmens. Im selben Jahr wurde er zum Vorstand der 3U Holding (vormals 3U Telecom) berufen und ist Hauptaktionär des Unternehmens.