Sonderlich glücklich lief das IPO der STS Group bislang nun wahrlich nicht: Weder für die Beteiligungsgesellschaft mutares als abgebenden Aktionär, noch für den Lkw-Zulieferer selbst. Immerhin werden die Stücke im vorbörslichen Handel auf Tradegate gerade einmal am unteren Ende der bislang kommunizierten Spanne von 26 bis 32 Euro gehandelt. Insbesondere für mutares-Aktionäre ist das insofern enttäuschend, weil es in Finanzkreisen zuvor die Hoffnung gab, dass die STS Group zu einer Bewertung im Bereich um 300 Mio. Euro an die Börse geführt werden könne. In der Mitte der gegenwärtig gewählten Bandbreite käme die Gesellschaft aus Hallbergmoos in der Nähe des Münchner Flughafens aber gerade einmal auf eine Kapitalisierung von 174 Mio. Euro, was sogar deutlich unter dem zuletzt genannten Net Asset Value (NAV) von rund 220 Mio. Euro liegt. Für potenzielle Zeichner der STS-Aktie mag das auf den ersten Blick eine Chance sein, immerhin kommt der Titel nun deutlich günstiger an die Börse als gedacht. Andererseits drängt sich die Frage auf, warum die – sonst nicht als gerade als zimperlich geltende – Emissionsbank Hauck & Aufhäuser auf einen entsprechenden Discount gedrängt hat.
Auf der Frühjahrskonferenz in Frankfurt begründete mutares-CFO Mark Friedrich das Pricing in erster Linie mit dem gegenwärtigen Börsenumfeld. Unserer Meinung nach keine schlagende Argumentation – wie übrigens auch schon bei dem zuvor abgesagten Börsengang von Springer Nature. Immerhin kennt der DAX seit Wochen fast nur noch die Aufwärtsbewegung und man mag fragen, wie gut das Börsenumfeld denn eigentlich noch werden soll? Freilich räumte Friedrich ganz unumwunden ein: „Wir hätten uns eine höhere Spanne gewünscht.“ Zudem drängt sich natürlich die Frage auf, wie belastbar die NAV-Berechnungen von mutares für die einzelnen Töchter tatsächlich ist, wenn es beim ersten Stresstest gleich zu derartigen Diskrepanzen kommt. Die Quittung gab es an der Börse prompt: Immerhin knickte der Aktienkurs von mutares um ein rundes Viertel nach unten ein und bemüht sich gegenwärtig um Stabilisierung im Bereich 12,50 Euro. Im Wertpapierprospekt zum IPO der STS-Aktie wird indes schnell deutlich, dass die Zahlen des Experten für Spritzgussteile wie Stoßfänger und Innenverkleidungen durch erhebliche Sondereffekte geprägt sind, weil die heutige STS Group in den vergangenen Jahren erst durch verschiedene Zukäufe zur jetzigen Gestalt geformt worden ist.
Den Startpunkt bildete im Jahr 2013 der Erwerb des italienischen Nutzwagen-und Leichtfahrzeuggeschäfts der schweizerischen Autoneum-Gruppe. Die anschließend in STS Acoustics S.p.A. umfirmierte Gruppe war damals mit Erlösen von 112 Mio. Euro und einem Betriebsergebnis von minus 13 Mio. Euro jedoch alles andere als eine gesunde Gesellschaft. Im Sommer 2016 folgte die Expansion nach Brasilien – abermals durch einen Werkskauf von Autoneum. Ende 2016 leitete mutares dann die Übernahme der zwei französischen Werke (rund 70 Mio. Euro Umsatz) der mittlerweile in Novares umfirmierten Mecplast-Gruppe ein. Im Sommer 2017 besiegelte mutares schließlich die Übernahme des Nutzfahrzeug-Zuliefergeschäfts von Plastic Omnium – wodurch knapp 200 Mio. Euro Umsatz zusätzlich zur STS Group kamen. Unter der Annahme, dass die jüngsten Verstärkungen allesamt bereits komplett in die Zahlen für das vergangene Jahr eingeflossen wären, käme die STS Group 2017 auf Erlöse von 425,23 Mio. Euro sowie ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 65,81 Mio. Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 309,99 | 401,23 | 362,80 | 235,00 | 242,00 | 235,10 | 277,90 | |
EBITDA1,2 | 55,04 | 11,88 | 15,30 | 14,70 | 19,10 | 9,60 | 20,50 | |
EBITDA-Marge3 | 17,76 | 2,96 | 4,22 | 6,26 | 7,89 | 4,08 | 7,38 | |
EBIT1,4 | 46,86 | -1,33 | -6,48 | -1,40 | 3,60 | -6,60 | 6,80 | |
EBIT-Marge5 | 15,12 | -0,33 | -1,79 | -0,60 | 1,49 | -2,81 | 2,45 | |
Jahresüberschuss1 | 46,97 | -4,80 | -12,12 | -15,90 | 1,80 | -9,90 | -1,20 | |
Netto-Marge6 | 15,15 | -1,20 | -3,34 | -6,77 | 0,74 | -4,21 | -0,43 | |
Cashflow1,7 | -8,67 | 7,10 | 36,64 | -1,60 | 36,10 | 6,50 | 30,50 | |
Ergebnis je Aktie8 | 7,82 | -1,20 | -2,03 | -2,60 | 0,30 | -1,50 | -0,20 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
So weist der Börsenaspirant dagegen Umsätze von 309,99 Mio. Euro sowie ein EBITDA von 55,04 Mio. Euro aus. Bereinigt um Sondereffekte aus den Übernahmen und Transferleistungen aus der früheren Konzernstruktur bliebe davon allerdings „nur“ ein EBITDA von knapp 14,17 Mio. Euro übrig – nach (bereinigt) 7,33 Mio. Euro im Jahr zuvor. Das wiederum entspricht einer nicht unbedingt üppigen EBITDA-Marge von annähernd 4,6 Prozent. Hier agieren andere börsennotierte Lkw-Zulieferer wie SAF-Holland oder Jost Werke in deutlich höheren Regionen. Auf die Manager der STS Group wartet also noch einiges an Arbeit. Immerhin betonte STS-Chief Operating Officer Patrick Oschust auf der von Edison und BankM gesponserten Frühjahrskonferenz: „Die klassische Integration ist abgeschlossen. Wir gehen jetzt ins Tagesgeschäft über.“ Mit den Mitteln aus dem Börsengang – es geht um vermutlich knapp 30 Mio. Euro – will STS insbesondere die weitere Expansion Richtung China und Nordamerika sowie die Ausdehnung der Produktion nach Osteuropa vorantreiben. Um der Börsenstory mehr Pepp zu verleihen, fehlen aber auch die Schlagworte Autonomes Fahren und E-Mobility nicht.
Per saldo wird sich in den kommenden Tagen aber erst einmal zeigen müssen, ob der Sprung in den Prime Standard überhaupt gelingt. Die erste Enttäuschung bei der “nur” im Börsensegment Scale gelisteten mutares-Aktie scheint indes verdaut. Trotzdem werden die kommenden Tage extrem spannend. Die Aktie von mutares scheint indes schon allein wegen der sehr hohen Dividendenrendite von fast acht Prozent haltenswert. Die Hauptversammlung findet allerdings erst am 20. Juli 2018 statt – bis zur Ausschüttung dauert es also noch eine Weile. Bei STS sehen wir kurzfristig keinen Handlungsbedarf.
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