Wenn eine Aktie in einem Börsenjahr wie 2013 um 80 Prozent an Wert verliert, muss die Lage ernst sein – und genau das ist es auch bei YOC. Im Zeitraffer betrachtet, stellt sich die Entwicklung für die Aktionäre etwa so dar: Anfang Februar 2013 verschaffte sich der Spezialist für Online-Marketing und mobile Technologien über eine Kapitalerhöhung zunächst ein wenig Luft und nahm brutto 1,87 Mio. Euro ein. Bereits im April musste der Ende 2012 als neuer CEO an Bord geholte ehemalige AOL-Manager Dirk Freytag dann aber eine Verlustanzeige bekanntgeben – mehr als die Hälfte des Eigenkapitals war also aufgezehrt. Im Mai konnte YOC über eine zweite Kapitalrunde knapp 1,3 Mio. Euro einnehmen. Auf der Hauptversammlung (HV) am 6. Juni 2013 wurden schließlich umfangreiche Kapitalmaßnahmen beschlossen, die bis heute aber noch nicht umgesetzt sind. Zudem gab es zwei Umbesetzungen im Aufsichtsrat. Als Strippenzieher dieser Personalrochaden gilt Firmengründer Dirk Kraus, der zuvor im September 2012 vom Aufsichtsrat vor die Tür gesetzt wurde. Als Großaktionär schaltete er aber offenbar weiter im Hintergrund.
Ende Juli 2013 wurde, nach immerhin rund einjährigen Verkaufsverhandlungen, der Bereich Mobile Technology (Sevenval aus Köln) für bis zu 6,5 Mio. Euro an eine Tochter der Berlin Technologie Holding GmbH veräußert. Das verschaffte zwar ein wenig Luft, doch der Deal – vor allem zu dem Preis – war stets umstritten. Im September folgte dann die große Überraschung: Dirk Kraus kehrte zurück in den Vorstand von YOC, zunächst an der Seite von Dirk Freytag. Wenig später machten dann die erst zur HV gewählten Aufsichtsräte Bernhard Heiss und Ludwig Prinz zu Salm-Salm eine Rolle rückwärts und stellten ihre Ämter bereits wieder zur Verfügung. Die beiden hatten zuvor die Unternehmer und langjährigen YOC-Kenner Oliver Borrmann (bmp media investors) und Peter Zühlsdorff abgelöst – offenbar keine kluge Personalentscheidung des Aktionärstreffens. Anfang Oktober dann die nächste Wendung: Der Hoffnungsträger Freytag stellte aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zur Verfügung, so dass Kraus plötzlich allein das Kommando hatte.
Nun hat YOC den mit Spannung erwarteten Neun-Monats-Bericht vorgelegt. So viel vorweg: Lichtblicke gibt es kaum, vielmehr herrscht mittlerweile Alarmstufe Rot. Bei Umsatzerlösen von 13,68 Mio. Euro summierte sich der Verlust auf bedrohliche 9,74 Mio. Euro. Davon entfallen knapp 6,55 Mio. Euro auf den fortzuführenden Bereich Media. Zudem hinterlässt die Firmenwertabschreibung auf den verkauften Bereich Mobile Technology ihre Spuren. Das Eigenkapital türmt sich mittlerweile auf minus 3,69 Mio. Euro auf. Zwar bewegte sich YOC hier bereits zum Halbjahr im negativen Terrain, doch mit minus 0,85 Mio. Euro sah die Lage in der Konzernbilanz per 30. Juni noch nicht ganz so dramatisch aus. Unumwunden räumt Firmenchef Kraus ein: „In den ersten drei Quartalen dieses Geschäftsjahres konnte die YOC-Gruppe ihre anvisierten Ziele nicht erreichen. Die Gründe hierfür liegen zum einen an Fehlentscheidungen des Managements, zum anderen an der angespannten Liquiditätssituation, hervorgerufen durch Cash-Abflüsse aufgrund von Verlusten und Darlehenstilgungen.“
Brisant: Der verbliebene Bereich Media – also die Vermarktung von mobilen Internetseiten sowie der Sektor Affiliate-Marketing (Performanceabhängige Bezahlung von Werbeanzeigen) über die Tochter Belboon – vergrößerte den Verlust nach neun Monaten 2013 von 1,5 auf 2,8 Mio. Euro. Als Grund nennt YOC eine „signifikant erhöhte Kostenstruktur“. Hier schlagen Abfindungen und Bonuszahlungen ins Kontor. Den liquiden Mitteln von 0,88 Mio. Euro stehen gegenwärtig zinstragende Verbindlichkeiten von 5,52 Mio. Euro entgegen. Die dramatische Botschaft des Zwischenberichts lautet: „Aufgrund der weiterhin angespannten Liquiditätssituation ist der Fortbestand des Unternehmens gefährdet.“ Mit anderen Worten: YOC braucht dringend neues Geld. Doch woher nehmen? Zwar haben die Aktionäre auf der Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung im Nominalvolumen von bis zu 571.700 Euro beschlossen, einzelne Anteilseigner gaben gegen diese Maßnahme jedoch Widerspruch zu Protokoll. Offen ist, wie sich hier gegenwärtig die Situation darstellt. Angesichts des dramatischen Kursverfalls und der angespannten wirtschaftlichen Situation, dürfte es aber ohnehin schwierig sein, potenzielle Investoren zu überzeugen.
Der Börsenwert von YOC beträgt lediglich noch 4,8 Mio. Euro – bei einem Streubesitz von 71 Prozent. Damit ist die Gesellschaft auf das Niveau eines Micro Caps geschrumpft. Vor drei jahren betrug die Kapitalisierung von YOC noch 58 Mio. Euro. Gewisse Hoffnung macht die Ankündigung von Kraus, dass sich die Umsätze im vierten Quartal nach oben entwickeln und YOC „deutliche Kostensenkungen“ eingeleitet hat. „Wir alle sind uns der schwierigen Situation bewusst, sind aber entschlossen, die Unternehmensentwicklung signifikant nach vorne zu treiben“, ruft der Vorstand den Anteilseignern im Neun-Monats-Bericht zu. Für ein Investment in die YOC-Aktie reicht das allerdings nicht aus. Anleger machen besser einen Bogen um den Titel. Das Überleben der Firma ist nicht gesichert.