„Seit einigen Wochen besteht eine ungeklärte Abwesenheit des Vorstandsvorsitzenden der Youbisheng Green Paper AG, Herrn Haiming Huang“, das schreibt der Aufsichtsrat (AR) des chinesischen Kartonherstellers am 4. Juli 2014 in einer Ad-hoc-Mitteilung. Doch was tut das Kontrollgremium eigentlich? Bereits am 20. Juni 2014 wurde er – laut der Meldung – über die Abwesenheit informiert. Warum wartet der AR zwei Wochen, bis er diese extrem wichtige und kursrelevante Nachricht veröffentlicht? Auch boersengefluester.de hat von den Merkwürdigkeiten bei Youbisheng erfahren. Wir haben bereits am 23. Juni darüber berichtet und zu „höchster Vorsicht“ gemahnt. Doch warum muss man einen Aufsichtsrat informieren?
Im Geschäftsbericht 2013 schreibt der AR-Vorsitzende Gernot Kugler, dass er mit dem Vorstandsvorsitzenden in regelmäßigem Kontakt stand. Wie regelmäßig ist ein Kontakt, wenn eine wochenlange Abwesenheit nicht auffällt? Da müssen erst die Mitarbeiter der BankM, die das Designated-Sponsor-Mandat bei Youbisheng haben, nach China fliegen, um rauszubekommen, dass der Vorstandschef seit Wochen nicht mehr gesehen wurde. Der Aufsichtsrat scheint wenig Interesse daran zu haben, was in China so vor sich geht. Von den 14 AR-Sitzungen und Beschlussfassungen, die im Geschäftsbericht erwähnt werden, fanden nur zwei als Präsenzsitzungen statt – keine in China. Die eine war am Tag vor der Hauptversammlung und die andere während des Eigenkapitalforums. Also als der Vorstand sowieso hier war.
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Dieses Verhalten ist gerade für chinesische Unternehmen nicht tragbar. Das weiß auch Kugler. Denn er schreibt im Geschäftsbericht: „Die Struktur der Youbisheng Green Paper Unternehmensgruppe mit ihrer deutschen börsennotierten Konzernspitze, einer Zwischenholding in Hongkong und zwei Tochtergesellschaften in China bringt besondere Anforderungen aufgrund der räumlichen Trennung, sprachlicher Gegebenheiten und unterschiedlicher Mentalitäten an das Management und den Aufsichtsrat mit sich.“ Warum schreiben die Aufsichtsräte so etwas und vernachlässigen dann ihre Pflichten? Hier müssen die Aktionäre bei den Hauptversammlungen deutlich Druck machen.
Wie geht es jetzt aber weiter bei Youbisheng? Die Gerüchteküche kocht. Ist Huang einfach nur erkrankt und daher in der Versenkung verschwunden? Kommt er in ein paar Wochen zurück und alles ist gut? Diese Variante folgt dem Prinzip Hoffnung. Wir hatten bisher einen sehr guten Eindruck von dem Unternehmen. Huang erschien uns bei unserem Besuch im Frühjahr 2012 in China als ein ordentlicher Geschäftsmann. Alle Fragen hat er bereitwillig befriedigend beantwortet. Erste Zweifel kamen mit dem plötzlichen – völlig unnötigen und unbegründeten – Wechsel des Wirtschaftsprüfers auf. Irritiert waren wir, als unsere Fragen zum Jahresabschluss und der Anleihe über Wochen nicht beantwortet wurden. Wir haben das mit der Unerfahrenheit und chinesischen Eigenart abgetan. Das Geschäftsmodell und auch die Anleihe schienen aus unserer Sicht sinnvoll. Auch der Jahresabschluss sah ordentlich aus. Es gab keinerlei Kritik der Wirtschaftsprüfer. Haben wir wichtige Warnsignale übersehen?
Die zweite Alternative folgt dem Prinzip „Worst Case“. Dann könnte sich Huang – ähnlich wie es dem Chef von Kinghero unterstellt wird – mit der Kasse vom Acker gemacht haben. Ein Totalverlust für die Aktionäre wäre dann nicht ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeiten für beide Varianten sind nicht seriös zu schätzen. Der Aktienkurs des Herstellers von Verpackungsmaterialien aus Altpapierbasis ist derweil im Tief bis auf 1,30 Euro abgestürzt. Auf diesem Niveau beträgt die Marktkapitalisierung gerade einmal 13,3 Mio. Euro. Gemessen an normalen Kriterien ist das eigentlich ein Witz. Doch zurzeit lässt sich nicht sagen, was die bislang vorgelegten Bilanzen tatsächlich wert sind.
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