Noch Anfang 2010 zählte die YOC-Aktie zu den angesagtesten Small Caps überhaupt auf dem heimischen Kurszettel. Verglichen mit den Preisen, die in Übersee für die Entwickler von mobilen Webapplikationen bezahlt wurden, galt das Berliner Unternehmen geradezu als Schnäppchen – und das bei einer Marktkapitalisierung von damals fast 70 Mio. Euro. Drei Jahre später steht YOC mit dem Rücken zur Wand. Die kurzfristigen Schulden türmten sich Ende 2012 auf bedrohliche 20 Mio. Euro. „Die Liquiditätssituation ist angespannt“, heißt es unverblümt im jüngsten Geschäftsbericht. An der Börse ist YOC (WKN: 593273) nur noch 14 Mio. Euro wert. Vor wenigen Wochen musste Neuvorstand Dirk Freytag eingestehen, dass die Verluste mehr als die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt haben.
Die bereits Ende Juli 2012 eingeleiteten Gespräche zum Verkauf des Bereichs Mobile Technology – er stand zuletzt für etwa 37 Prozent der Konzernerlöse von knapp 35 Mio. Euro – sind immer noch ohne zählbares Ergebnis. In dieser Sparte implementiert und wartet das Unternehmen mobile Internetportale. Nach offizieller Lesart führt das YOC-Management weiterhin intensive Gespräche. Zum genauen Stand der Dinge gibt es aber keine konkrete Info. Klar ist: Die frühzeitige Ankündigung, sich von dem Bereich trennen zu wollen, entpuppt sich nicht gerade als strategischer Vorteil. Letztlich arbeitet die Zeit hier gegen die Berliner. Konzentrieren will sich YOC künftig auf den Geschäftsbereich Media, sprich der Vermarktung von mobilen Internetseiten von Verlagshäusern und Portalbetreibern. Der Smartphone-Boom mit der damit einhergehenden Verlagerung von Werbebudgets soll die Geschäfte antreiben. Noch hinkt YOC dem Markttempo allerdings hinterher.
Wenn sich die Anteilseigner nun am 6. Juni im Berliner Veranstaltungszentrum Urania zur Hauptversammlung (HV) treffen, geht es sprichwörtlich um die Wurst. Zwei kleinere Kapitalerhöhungen haben in den vergangenen Wochen zwar bereits rund 3 Mio. Euro in die Kassen gespült. Doch das reicht nicht, um YOC wieder flott zu machen. Punkt 6 der Tagesordnung zur HV sieht daher eine Kapitalerhöhung um bis zu zwei Millionen Anteilscheine vor. „Das ist eine Option”, sagt Firmenboss Freytag im Gespräch mit boersengefluester.de, ohne Details zu verraten. Vor dem Hintergrund des aktuellen Kurses könnte die Gesellschaft mit solch einer Maßnahme maximal zwischen 8 und 9 Mio. Euro einspielen. Das Volumen kommt nicht von ungefähr. Stets hatte das Management durchblicken lassen, dass die Kaufpreisvorstellungen für den Bereich Mobile Technology nicht unterhalb des Buchwerts liegen. Laut dem 2012er-Abschlussbericht betragen die Nettovermögenswerte für den zum Verkauf gestellten Geschäftsbereich rund 9,8 Mio. Euro. Eine solche Größenordnung sollte wohl ausreichen, um die Liquidität von YOC über 2013 hinaus zu decken.
Nur spekulieren lässt sich derzeit darüber, welchen Verlauf die Hauptversammlung nehmen wird. Den Streubesitz gibt YOC offiziell mit rund 71 Prozent an. Hierin enthalten ist auch der Anteil des im September 2012 geschassten Dirk Kraus. Nach letzten Mitteilungen hielt der ehemalige Vorstandschef knapp unter 20 Prozent an YOC – allerdings gab es zwischenzeitlich ja einige Eigenkapitalmaßnahmen. Gegenüber boersengefluester.de signalisiert Kraus, dass er an der geplanten Kapitalerhöhung vermutlich teilnehmen wird: „Mir liegt viel daran, dass sich die Firma positiv entwickelt. Wenn dazu eine erneute Stärkung des Eigenkapitals nötig ist, dann ist es eben so. Da verschließe ich mich nicht.“ Schwer einzuschätzen sind in diesem Zusammenhang Gerüchte, wonach es den YOC-Gründer womöglich selbst zurück an die Schaltzentrale bei YOC zieht. Die Hauptversammlung wäre zwar ein perfekter Zeitpunkt für einen solchen Showdown. Fraglich ist aber, ob Kraus dafür die nötige Stimmrechtspower aufbringen kann. Spekuliert wird in diesem Zusammenhang über das ehemalige Aktienpaket von Michael Schwetje. Der frühere Onvista-Vorstand war seinerzeit mit gut 22 Prozent Großaktionär bei YOC, hat seine Stücke mittlerweile aber verkauft – angeblich an einen Münchner Investor. Eine Allianz mit Kraus wäre in so einer Konstellation zumindest denkbar. Andererseits betont Kraus gegenüber boersengefluester.de: „Wichtig ist, dass Ruhe einkehrt und sich die Firma auf das operative Geschäft konzentrieren kann.“
Interessant ist in dieser Gemengelage auch ein anderer Player. Nach Informationen von boersengefluester.de zählt nämlich die Beteiligungsgesellschaft bmp Media Investors (WKN: 33420) wieder zum Aktionärskreis von YOC. Der Venture Capitalist hatte sich Anfang 2001 mit 20 Prozent an YOC beteiligt und im Zuge des YOC-Börsengangs im Jahr 2006 den Ausstieg gesucht. Seit 2011 fokussiert sich die ebenfalls in Berlin beheimatete Gesellschaft auf den Bereich Medien & Marketing Services. YOC passt also genau ins Beuteschema. Zudem weiß bmp-Vorstandschef Oliver Borrmann bestens bei YOC Bescheid – schließlich sitzt er dort im Aufsichtsrat. Pikant: Zur Hauptversammlung am 6. Juni liegt ein Gegenantrag des Aktionärs Bernhard Heiss vor, der neben der Abberufung des stellvertretenden Aufsichtsratschefs Peter Zühlsdorff auch die Demission von Oliver Borrmann fordert. Als Ersatz schlägt der Rechtsanwalt sich selbst und den Medienberater Ludwig Prinz zu Salm-Salm vor. Unabhängig davon: Eine Veränderung wird es bei der Zusammensetzung des Kontrollgremiums wohl auf jeden Fall geben, denn der Vorsitzende Gerd Schmitz-Morkramer hat sein Amt zum Ablauf der HV niedergelegt. Als Nachfolger steht der Hamburger Personalberater Harald R. Fortmann zur Wahl.
Sollte YOC den eingeschlagenen Sanierungskurs fortsetzen können, dürften die Aktionäre dennoch vermutlich erst ab 2015 mit schwarzen Zahlen auf Gesamtjahresbasis kalkulieren. Die Bewertung der YOC-Aktie ist also nicht ganz einfach. Das Segment Media stand 2012 für einen Umsatz von 21,7 Mio. Euro. Im Vergleich dazu mutet die aktuelle Kapitalisierung von 14 Mio. Euro allerdings sehr bescheiden an. Das ist allerdings auch kein Wunder, denn YOC steht vor der Entscheidung: Hop oder top. Immerhin scheint die Bilanz nach den außerplanmäßigen Abschreibungen von 5,7 Mio. Euro nun sauber zu sein. „Wir haben klar Schiff gemacht und alle notwendigen Wertanpassungen vorgenommen“, sagt Freytag. Und auch aus Investorenkreisen ist zu hören, dass der neue Chef bislang einen super Job gemacht habe. Dennoch: Das Papier eignet sich nur für extrem risikobereite Anleger, selbst wenn sich die Notiz zuletzt im Bereich um 5 Euro stabilisiert hat. Auch sollte der Depotanteil mit Bedacht gewählt werden. Zwar hat der Titel locker das Potenzial für eine Kursverdopplung, aber auch ein Totalverlust ist nicht ausgeschlossen. Viel hängt von der kommenden Hauptversammlung und dem Erfolg der anstehenden Kapitalmaßnahme ab.