Am Ende wurde aus den 30 Minuten Einzelgespräch mit YOC-Vorstand Dirk Kraus auf der MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz beinahe eine ganze Stunde. Und die hat sich richtig gelohnt, denn vermutlich war die Investmentstory des auf innovative Online-Werbung spezialisierten Unternehmens selten so interessant wie derzeit. Auch wenn der Aktienkurs allein in den vergangenen zwölf Monaten bereits um mehr als 100 Prozent auf 11,70 Euro zugelegt hat und sich der Börsenwert der Berliner so auf annähernd 41 Mio. Euro türmt. Dreh- und Angelpunkt bei YOC ist die vor mittlerweile knapp drei Jahren gelaunchte Technologieplattform VIS.X, auf der solch clevere Werbeformate programmatisch gehandelt und bei den Publishern ausgespielt werden.
Wichtig zu wissen: Im Gegensatz zu bekannten Affiliateplattformen, wie etwa dem zu ad pepper media International gehörenden Webgains-Netzwerk, kommt es bei den Werbeformaten auf VIS.X eben nicht darauf an, dass sie unmittelbar zu einem Kaufabschluss führen. Vielmehr geht es regelmäßig eher um die Stärkung einer Marke oder die Schaffung von Aufmerksamkeit für bestimmte Produkte. Am ehesten vergleichbar vermutlich mit klassischer TV-Werbung, die auch nicht gleich auf den prompten Kauf eines Autos, eines Soft-Drinks oder eines Pralinenkastens abzielt. Nur gehört im Online-Sektor deutlich mehr Kreativität dazu, damit die User nicht sofort genervt wegklicken. Und genau diese Nische besetzt YOC mit seiner selbst entwickelten Plattform VIS.X. Der – freilich auch von boersengefluester.de – häufig herangezogene Vergleich mit dem Geschäftsmodell von ad pepper, passt also nicht wirklich: „Das ist eine andere Welt“, sagt Kraus.
Nach der mitunter extrem schwierigen Vergangenheit, zeitweise stand YOC sogar mit dem Rücken zur Wand, ist momentan aber ohnehin nicht die Zeit für einen Blick nach links oder rechts. Dafür beginnt die Investition in VIS.X jetzt viel zu viel Spaß zu machen. Entsprechend hat YOC nun die Prognosen für das laufende Jahr heraufgesetzt und kalkuliert für 2021 jetzt mit Erlösen zwischen 18,5 und 19,0 Mio. Euro sowie einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) in einer Bandbreite von 2,5 bis 2,8 Mio. Euro. Bislang lag die Messlatte hier zwischen 1,8 und 2,3 Mio. Euro. Unterm Strich sollen im laufenden Jahr bis zu 1,8 Mio. Euro als Überschuss hängen bleiben – auch das deutlich mehr, als ursprünglich gedacht. „Da sind keine Sondereffekte drin. Alle Länder sind profitabel“, sagt Kraus.
Wenn der Trend anhält, soll sogar das seit 2013 durchgehend negative Eigenkapital in der Konzernbilanz spätestens im dritten Quartal 2022 wieder positiv sein – und zwar rein aus dem operativen Geschäft. „Wir wollen keine Kapitalerhöhung machen“, betont Kraus. Ganz ehrlich: Boersengefluester.de hätte nicht damit gerechnet, dass YOC diesen Bilanzswing tatsächlich so hinbekommen wird, auch wenn uns Vorstand Kraus dieses Vorhaben schon 2017 am Rande einer Investorenveranstaltung in Düsseldorf so prognostiziert hat. Noch ist es allerdings auch nicht soweit, denn zurzeit gilt es für die im Prime Standard notierte Gesellschaft, noch mehr als 2 Mio. Euro Gewinnpuffer aufzubauen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 14,37 | 14,49 | 15,11 | 15,49 | 18,84 | 23,43 | 30,63 | |
EBITDA1,2 | -0,08 | 0,38 | 0,58 | 1,84 | 2,85 | 3,47 | 4,40 | |
EBITDA-Marge3 | -0,56 | 2,62 | 3,84 | 11,88 | 15,13 | 14,81 | 14,37 | |
EBIT1,4 | -0,36 | 0,09 | 0,02 | 1,13 | 2,01 | 2,33 | 2,93 | |
EBIT-Marge5 | -2,51 | 0,62 | 0,13 | 7,30 | 10,67 | 9,95 | 9,57 | |
Jahresüberschuss1 | -0,53 | -0,16 | -0,47 | 1,26 | 2,07 | 2,34 | 2,80 | |
Netto-Marge6 | -3,69 | -1,10 | -3,11 | 8,13 | 10,99 | 9,99 | 9,14 | |
Cashflow1,7 | 0,15 | -1,04 | 1,21 | 1,02 | 2,72 | 2,45 | 3,91 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,16 | -0,05 | -0,14 | 0,09 | 0,60 | 0,67 | 0,83 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Ernst & Young |
Charmant am Geschäftsmodell von YOC ist, dass die Rohertragsmarge mittlerweile rund 42 Prozent erreicht hat und die Kosten bei künftigen Umsatzsteigerungen nur noch deutlich unterproportional mitwachsen. Beim derzeitigen Wachstumstempo von etwa 20 Prozent könnte YOC so bereits 2023 Richtung 5 Mio. Euro EBITDA zusteuern. Auf schuldenfreier Basis entspricht das einem Faktor von weniger als neun. Auch wenn der Vergleich hinkt: Bei ad pepper media beträgt das entsprechende Multiple aus Unternehmenswert zu dem von Montega für 2023 prognostiziertem EBITDA übrigens 8,6 – ist also nahezu identisch. Und da boersengefluester.de die Bewertung von ad pepper für ziemlich attraktiv hält, gilt das dann auch für die YOC-Aktie. Mit Blick auf milliardenschwere Online-Werbekonzerne wie Magnite oder Pubmatic an der Nasdaq, sind YOC und ad pepper sogar geradezu günstig. Entsprechend sollten sich Investments weiterhin lohnen.
Die Aktie von ad pepper ist dabei – schon allein wegen der komfortablen Bilanzausstattung – die konservativere Variante. YOC ist da deutlich spekulativer, aber dafür eben auch mit dem größeren Hebel ausgestattet. Eins verspricht YOC-Vorstand Dirk Kraus am Ende des Gesprächs mit boersengefluester.de auf der von GBC organisierten MKK dann doch noch: „Ich bin dankbar und demütig. Wir werden nichts tun, was uns aus der Spur bringt.“ Soll heißen: Der nachhaltige Turnaround steht ganz oben auf der Agenda. Für zunächst einmal kostspielige internationale Expansionspläne außerhalb der jetzigen Kernmärkte Deutschland, Österreich und Polen – so sinnvoll sie perspektivisch vielleicht sein mögen – ist jetzt einfach noch nicht die Zeit. Und das ist doch irgendwie eine beruhigende Botschaft.
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