Normalerweise ist bei Investoren-Calls nach rund 60 Minuten Schicht. Auf den einschlägigen Kapitalmarktkonferenzen wie etwa dem Deutschen Eigenkapitalforum haben die Vorstände – inklusive der obligatorischen Frage-Antwort-Runde – sogar nur eine halbe Stunde Zeit, um den Analysten, Fondsmanagers oder sonstigen Investoren ihr Unternehmen in den Grundzügen vorzustellen. So gesehen sind die 90 Minuten, die der Round Table mit YOC-Vorstand Dirk-Hilmar Kraus gedauert hat, schon so etwas wie die XXL-Variante. Doch das Interesse an dem Geschäftsmodell des Spezialisten für innovative Online-Werbung ist enorm. Jedenfalls hat boersengefluester.de es selten erlebt, wie viele Themen in die Chat-Funktion des von AlsterResearch ausgerichteten Events am 13. Dezember 2022 eingeflossen sind: Von Klassikern wie der künftigen Entwicklung von Margen und Bilanzkennzahlen, über Details in der Aktionärsstruktur oder anstehende Research-Reports bis hin zum Wettbewerbsumfeld sowie Einzelheiten zu neuen Produkten – alles wurde gefragt.
Dabei hat Dirk-Hilmar Kraus – nach ehemals sehr schwierigen Jahren und mutigen Entscheidungen, wie dem aus heutiger Sicht so wichtigen Launch der eigenen Handelsplattform VIS.X – beinahe durchgehend Gutes zu berichten. Und das in einem Umfeld, in dem die meisten anderen Unternehmen aus dem Werbeumfeld oder dem damit häufig einhergehenden E-Commerce-Sektor alles andere als robuste Zahlen vorlegen. Just in dieser Gemengelage kommt YOC nach neun Monaten 2022 auf ein Umsatzplus von fast 29 Prozent auf 15 Mio. Euro und steigert das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 1,17 auf 1,82 Mio. Euro. Die als Messgröße so wichtige Rohertragsmarge klettert um 3,1 Prozentpunkte auf 44,8 Prozent. „Eine wunderbare Entwicklung. Das kann den Markt eigentlich nur überraschen“, sagt Dirk-Hilmar Kraus.
Tatsächlich ist es noch nicht so lange her, da haben die Berliner gedacht, dass bei Größenordnungen um 44 Prozent Bruttomarge eine Art natürliche Grenze gesetzt sei (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER). Längst schafft die selbst entwickelte Handelsplattform VIS.X aber zusätzliche Renditespielräume, die durch das kürzlich an den Start gegangene VIS.X-Modul NOMI – basierend auf künstlicher Intelligenz und neuartiger Trading-Algorithmen – nochmals ausgeweitet werden. „Nomi ist der Turboknopf“, heißt es intern bei YOC mit Blick auf die sich bietenden Möglichkeiten bei der Ausspielung von Werbung. Eine spannende Entwicklung, gleichwohl bleibt Firmengründer Dirk-Hilmar Kraus demütig: „Ja, durch NOMI sollten die Margen steigen. Aber wir dürfen den Spannungsbogen nicht überreißen.“ Zunächst einmal ist es schon eine beachtliche Entwicklung, dass mittlerweile 76 Prozent aller VIS.X-Umsätze mit hochwirksamen (High-impact) Werbeformaten generiert werden und nur noch 24 Prozent auf Standardmaße entfallen.
Für das laufende Jahr rechnet das im streng regulierten Börsensegment Prime Standard gelistete Unternehmen mit Umsatzerlösen zwischen 23,5 und 24,5 Mio. Euro (Vorjahr: 18,8 Mio. Euro) sowie einem EBITDA in einer Bandbreite von 3,5 bis 4,0 Mio. Euro. Inklusive möglicher Zukäufe könnte YOC bei diesem Wachstumstempo in drei Jahren Richtung 50 Mio. Euro Umsatz steuern. „Das ist eine Zielgröße“, räumt Dirk-Hilmar Kraus ein und hält in diesem Zusammenhang Rohertragsmargen zwischen 45 und 50 Prozent für realistische Annahmen. Die Finanzierung potenzieller Akquisitionen soll dabei sofern möglich nicht über verwässernde Kapitalerhöhungen erfolgen. Auch das eine gute Botschaft für die zum Jahresende mit einem positiven Eigenkapital von 1,7 bis 1,8 Mio. Euro ausgestattete und nahezu frei von Finanzverbindlichkeiten agierende Gesellschaft.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 14,37 | 14,49 | 15,11 | 15,49 | 18,84 | 23,43 | 30,63 | |
EBITDA1,2 | -0,08 | 0,38 | 0,58 | 1,84 | 2,85 | 3,47 | 4,40 | |
EBITDA-Marge3 | -0,56 | 2,62 | 3,84 | 11,88 | 15,13 | 14,81 | 14,37 | |
EBIT1,4 | -0,36 | 0,09 | 0,02 | 1,13 | 2,01 | 2,33 | 2,93 | |
EBIT-Marge5 | -2,51 | 0,62 | 0,13 | 7,30 | 10,67 | 9,95 | 9,57 | |
Jahresüberschuss1 | -0,53 | -0,16 | -0,47 | 1,26 | 2,07 | 2,34 | 2,80 | |
Netto-Marge6 | -3,69 | -1,10 | -3,11 | 8,13 | 10,99 | 9,99 | 9,14 | |
Cashflow1,7 | 0,15 | -1,04 | 1,21 | 1,02 | 2,72 | 2,45 | 3,91 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,16 | -0,05 | -0,14 | 0,09 | 0,60 | 0,67 | 0,83 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Ernst & Young |
An dieser Stelle ein Wort zur Vergleichsgruppe: Die meisten Überschneidungen bestehen mit dem – allerdings nicht börsennotierten – französischen Unternehmen Teads, die wiederum seit einigen Jahren zur mittlerweile selbst delisteten Altice-Gruppe gehören. In Deutschland gibt es dagegen keine echte Peergroup auf dem Kurszettel- Über die Unterschiede zu ad pepper media International hatte boersengefluester.de bereits (HIER) geschrieben. Um dem Thema Investor Relations noch mehr Gewicht zu verleihen, denkt YOC darüber hinaus an eine Coverage durch Analysten, Zeitpunkt hierfür könnte das erste Quartal 2023 sein. Hoffentlich schon früher dürfte der aktuelle Umplatzierungsprozess von Aktionär Daniel Fratzscher abgeschlossen sein, der seinen Anteil zuletzt unter die Marke von fünf Prozent drückte.
Insgesamt sieht bei YOC aber alles nach einer runden Investmentstory aus. Top-Kunden von YOC sind etwa Samsung, VW, Sky, Vodafone oder auch McDonald’s – ohne jedoch ein Klumpenrisiko zu bilden. Und wer weiß: À la longue wird YOC – Your Opinion Counts – vermutlich selbst zum Übernahmekandidaten. Der aktuelle Börsenwert von 45,5 Mio. Euro lässt jedenfalls noch einigen Spielraum nach oben.
Foto: Rob Hampson auf Unsplash