Rüdiger K. Weng, Vorstand des börsennotierten Kunsthändlers Weng Fine Art, ist wahrlich ein Original. Jedenfalls kennen wir keinen Vorstand aus dem Spezialwertesegment, der eine ähnliche Mischung aus Vollblut-CEO und Robin Hood für Privatanleger verkörpert. Zumindest kommt er so rüber. Und so verwundert es boersengefluester.de auch nicht, dass das Hintergrundgespräch zu den vorläufigen AG-Zahlen für 2019 zwar wie vereinbart am 29. Januar 2020 nach Börsenschluss stattfindet, aufgrund von letzten Textanpassungen aber doch erst nach 20.30 Uhr beginnt. Weng kennt da kein Pardon – im positiven Sinne. Andere Vorstände hätten das Gespräch mit uns vermutlich verschoben. Weng dagegen sagt: „Wir sind schon zwei Nachteulen“ – und legt los.
Tatsächlich können sich die Eckdaten sehen lassen und bestätigen, die bereits vorab angekündigten deutlichen Ergebnisverbesserungen. Bei leicht rückläufigen Erlösen kletterte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 1,21 auf 2,12 Mio. Euro, der Nettogewinn zog um 122 Prozent auf 1,78 Mio. Euro an. Wohlgemerkt: Es handelt sich „nur“ um die Daten der deutschen AG. Den Konzernabschluss, der auch die Zahlen der Schweizer Tochter WFA Online beinhaltet, wird das Unternehmen vermutlich im Mai vorlegen.
Worauf lassen sich Anleger ein, die sich bei Weng Fine Art (WFA) engagieren? Nun: Zum einen beteiligen sie sich über die in Monheim am Rhein ansässige AG an einem klassischen B2B-Kunsthändler, der einzelne Objekte an- und verkauft. Trotz der grundsätzlich widrigen Rahmenbedingungen im Kunstmarkt, für WFA ein zurzeit auskömmliches Geschäft. Der Weisheit letzter Schluss ist dieses Geschäftsmodell für eine börsennotierte Company freilich nicht, das weiß auch Vorstand Rüdiger K. Weng. Und so arbeitet er gerade fieberhaft an einer Weiterentwicklung des Modells. In die Karten lässt sich Weng dabei nicht schauen, auf der jüngsten Hauptversammlung wurden aber unter anderem Themen wie die Auflage von Kunstfonds oder weitere Kooperationen mit Galerien diskutiert. „Der Approach muss sich ändern. Wir wollen zwei gleichermaßen starke Geschäftsmodelle hochziehen“, sagt Weng mit Blick auf die bereits im gut skalierbaren Editionsgeschäft tätige WFA Online.
Aber auch bei der E-Commerce-Tochter ergeben sich zurzeit viele neue Möglichkeiten, insbesondere für größere Projekte. Der ursprünglich für 2020 avisierte Börsengang von WFA Online wird daher vermutlich nicht vor 2021/2022 umgesetzt, auch wenn die im Mai 2019 erfolgte Platzierung von 150.000 WFA Online-Aktien zu je 6 Euro bei ausgesuchten Bestandsaktionären auf ein riesiges Interesse gestoßen ist. Nun: Gut möglich, dass es auf der Gesamtstrecke bis zum tatsächlichen IPO nochmals eine ähnliche Verkaufsaktion geben wird. Willkommener Nebeneffekt: Die E-Commerce-Tochter bekommt durch den Ausgabekurs ein ansehnliches Preisschild übergestülpt, was wiederum die Argumentation etwa bei anderen Bankenfinanzierungen im Konzern erleichtert.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 8,21 | 7,64 | 7,40 | 10,43 | 13,06 | 8,53 | 5,92 | |
EBITDA1,2 | 1,70 | 1,66 | 2,26 | 6,01 | 5,13 | 1,20 | 0,73 | |
EBITDA-Marge3 | 20,71 | 21,73 | 30,54 | 57,62 | 39,28 | 14,07 | 12,33 | |
EBIT1,4 | 1,65 | 1,61 | 2,19 | 5,92 | 5,01 | 1,09 | 0,64 | |
EBIT-Marge5 | 20,10 | 21,07 | 29,60 | 56,76 | 38,36 | 12,78 | 10,81 | |
Jahresüberschuss1 | 1,06 | 1,07 | 1,75 | 5,27 | 4,25 | 0,60 | 0,01 | |
Netto-Marge6 | 12,91 | 14,01 | 23,65 | 50,53 | 32,54 | 7,03 | 0,17 | |
Cashflow1,7 | -0,27 | 0,02 | 1,60 | 0,53 | 0,44 | 1,94 | -2,88 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,20 | 0,19 | 0,32 | 0,91 | 0,62 | 0,11 | 0,00 | |
Dividende8 | 0,08 | 0,10 | 0,75 | 0,25 | 0,16 | 0,11 | 0,05 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Dr. Brandenburg |
Ein Dauerthema bei der Aktie von Weng Fine Art ist das vergleichsweise niedrige Handelsvolumen, was zunächst einmal mit dem Streubesitzanteil von weniger als 30 Prozent zusammenhängt. Allerdings zieht dieses Argument insofern nur teilweise, weil es eine Reihe andere Small Caps ähnlicher Größenordnung gibt, bei denen spürbar mehr Stücke umgehen. Letztlich hängt der relativ träge Handel wohl eher damit zusammen, dass WFA deutlich mehr Fans als Trader im Aktionärskreis hat. Eine gewisse Belebung könnte daher die Platzierung der noch verbliebenen 200.000 eigenen Aktien bringen. Eine konkrete Entscheidung dazu gibt es aber noch nicht. Spannung verspricht last but not least der kürzlich auf etwas mehr als zehn Prozent aufgestockte Anteil an der Berliner Artnet. Man muss wohl kein Prophet sein um zu erahnen, dass die Verbindungen zwischen beiden Unternehmen auf die mittlere bis lange Sicht eher noch zunehmen werden. Summa summarum gehört die Weng Fine Art-Aktie zu der Gruppe von Spezialwerten, die man sich ruhig für ein paar Jahre als Basisivestment aus dem Kunstbereich ins Depot legen kann. Auf jeden Fall so lange Rüdiger K. Weng mit derart viel Verve am Werk bleibt.
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