Schlechte Nachrichten für Hella-Aktionäre: Ende April hat der Automobilzulieferer bekanntgegeben, dass der im Juni 2016 auslaufende Vertrag von Finanzchef Wolfgang Ollig auf dessen Wunsch hin nicht verlängert wird. Wenngleich Ollig seine Aufgaben weiter wahrnehmen wird, sorgt die Suche nach einem Nachfolger kurzfristig für Unsicherheit. Das belastet das Papier. Die Meldung über den anstehenden Personalwechsel kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Umsatzwachstum bei dem Autozulieferer zuletzt beschleunigt hatte, was nicht zuletzt am schwachen Euro liegt. So lag das Erlösplus im dritten Quartal der Berichtsperiode 2014/15, das im Februar endete, bei 8,7 Prozent. Davon waren immerhin 3,1 Prozentpunkte auf Wechselkursveränderungen zurückzuführen.
Der Konzern mit Firmensitz in Lippstadt, Nordrhein-Westfalen, produziert Scheinwerfer, Rücklichter und Innenbeleuchtung ebenso wie elektronische Steuergeräte, oder Fahrerassistenzsysteme wie Spurwechselassistenten oder Regen/Lichtsensoren. Der Bereich steuert rund drei Viertel der Konzernerlöse bei. Rund 20 Prozent machen Ersatzteile aus. Das Geschäft litt zuletzt darunter, dass sich in Deutschland vor allem die unabhängigen Ersatzteilhändler mit Aufträgen zurückgehalten haben. Im kleinen Geschäftsbereich „Special Applications” überträgt Hella das Knowhow aus dem Autosektor auf andere Bereiche wie Spezialfahrzeuge sowie Anwendungen, wie Straßen- oder Industriebeleuchtung. Die Sparte bekommt die schwache Nachfrage aus der Agrarindustrie derzeit deutlich zu spüren, weil Kunden nicht zuletzt wegen der Ukraine-Krise die Produktion deutlich zurückgefahren haben. Dass die Aktie seit Mitte März schwächelt, dürfte allerdings weniger an den Problemen bei Hella selbst, sondern an der deutlichen Erholung des Euro liegen. Er belastet die Wachstumsperspektiven.
In den ersten drei Quartalen 2014/15 hat Hella den Umsatz um sieben Prozent auf 4,2 Mrd. Euro gesteigert. Trotz der hohen Investitionen in die Expansion kletterte der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 14 Prozent auf 309 Mio. Euro. Die operative Marge verbesserte sich damit auf 7,3 Prozent gegenüber 6,9 Prozent. Weil sich der Konzern gegen Währungsveränderungen absichert, schlagen sie auf das Ergebnis viel weniger durch als auf den Umsatz. Bereinigt „um Aufwendungen für ein freiwilliges Altersteilzeit- und Abfindungsprogramm” stieg das EBIT um sechs Prozent auf 318 Mio. Euro. Vorstandschef Rolf Breidenbach gab sich zuversichtlich. Er will im laufenden Fiskaljahr beim Umsatz und beim bereinigten EBIT Zuwächse „im mittleren bis hohen Prozentbereich” erreichen. Zuversichtlich stimmt ihn vor allem das Erstausrüstergeschäft. Hingegen sollen die Ergebnisse im Bereich Ersatzteile und bei „Special Applications” „voraussichtlich unterhalb des Vorjahres liegen.”
Die Perspektiven für Hella sind gut, wenngleich der weltweite Automarkt laut Schätzungen von Experten im laufenden Jahr um lediglich zwei Prozent wachsen soll. Die Prognosen dürften sogar zu optimistisch sein, wenn man sich die deutliche Konjunkturabkühlung in den USA und China anschaut. Die beiden Märkte sind die weltweit größten. Hella kommt allerdings zugute, dass immer mehr Elektronik in Autos eingebaut wird. Breidenbach sieht sich weiter nach Akquisitionszielen um. Dabei konzentriert er sich vor allem auf die Bereiche Elektronik, Ersatzteilhandel und Spezialanwendungen. Nachdem der Konzern beim Börsengang im November 272 Millionen Euro eingenommen hat, woraufhin die Eigenkapitalquote zuletzt auf 38 Prozent gestiegen ist, hat Hella die nötigen finanziellen Mittel für Zukäufe. Zumal die Nettoschulden auf nur mehr 263 Mio. Euro gesunken sind.
Die Vergrößerung des Geschäfts ist sehr sinnvoll, wird es doch nicht leicht sein, auf Dauer mit Branchenriesen wie Bosch oder Continental oder Spezialisten wie ElringKlinger zu konkurrieren. Das zeigen auch die Margen der einzelnen Unternehmen. Während Analysten für Hella für 2015 eine EBIT-Marge von 7,6 Prozent vorhersagen, gehen die Profis für Continental von 11,3 Prozent aus. Und der im Vergleich zu Hella viel kleinere Hersteller von Zylinderkopf- und Spezialdichtungen ElringKlinger soll sogar 12,4 Prozent erreichen. Immerhin liegt Hella deutlich über der erwarteten operativen Gewinnmarge von Leoni, einem Hersteller von Drähten, Kabeln und Bordnetzen, von fünf Prozent. Mehr als sehen lassen kann sich allerdings die Eigenkapitalrendite von Hella von zuletzt mehr als 20 Prozent. Die Eigenkapitalrendite wird berechnet, indem der Gewinn durch das Eigenkapital dividiert wird. Was diese Kennziffer angeht, liegen die Lippstadter nur knapp hinter den Branchenbesten aus Deutschlands Autozulieferindustrie.
Mit einem 2016er-KGV von 11,9 ist die Hella-Aktie angesichts der erwarteten kräftigen Gewinnsteigerungen nicht zu teuer. Eine weitere Erholung des Euro könnte das Papier zwar kurzfristig belasten. Wenn den Investoren allerdings bewusst wird, dass die Währungsveränderung nicht stark auf das Ergebnis durchschlägt, sollte sich die Stimmung für den SDAX-Neuling wieder allmählich verbessern. Für uns bleibt der Titel daher überdurchschnittlich interessant.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 7.060,34 | 6.989,98 | 5.829,42 | 6.379,73 | 6.326,12 | 4.410,04 | 7.954,14 | |
EBITDA1,2 | 1.017,94 | 1.190,78 | 575,57 | 894,10 | 703,24 | 369,00 | 1.020,73 | |
EBITDA-Marge3 | 14,42 | 17,04 | 9,87 | 14,01 | 11,12 | 8,37 | 12,83 | |
EBIT1,4 | 574,29 | 807,54 | -343,01 | 453,62 | 278,32 | 382,75 | 464,03 | |
EBIT-Marge5 | 8,13 | 11,55 | -5,88 | 7,11 | 4,40 | 8,68 | 5,83 | |
Jahresüberschuss1 | 390,05 | 630,41 | -431,67 | 359,95 | 183,99 | 352,08 | 266,32 | |
Netto-Marge6 | 5,52 | 9,02 | -7,41 | 5,64 | 2,91 | 7,98 | 3,35 | |
Cashflow1,7 | 825,85 | 758,96 | 635,80 | 703,83 | 292,47 | 637,98 | 825,69 | |
Ergebnis je Aktie8 | 3,50 | 5,67 | -3,88 | 3,22 | 1,63 | 3,15 | 2,38 | |
Dividende8 | 1,05 | 3,35 | 0,00 | 0,96 | 0,49 | 2,88 | 0,71 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
Foto: HELLA