Was für eine krasse Entwicklung: Vor knapp einem Jahr meldete der Portalbetreiber wallstreet:online (w:o) noch, dass sich die japanische Minkabu-Gruppe – hierzulande bekannt durch ihr Engagement bei der Finanzwebseite sharewise – das Aktienpaket von w:o-Chef André Kolbinger gesichert habe. In trockenen Tüchern war der Deal zwar noch nicht. Da es aber um immerhin 72,6 Prozent der Aktien ging, schien das Börsenlisting der Berliner auf ein Endspiel zuzusteuern. Doch die Geschichte nahm einen anderen Lauf: Minkabu bekam die Finanzierung – geplant war eine Notizaufnahme in Kanada – nicht gestemmt und fokussiert sich seitdem wieder auf den Heimatmarkt. Für die im Open Market (Freiverkehr) der Frankfurter Börse gehandelte Aktie von w:o war der geplatzte Zusammenschluss zum Glück kein Debakel, sondern vielmehr ein Weckruf. Immerhin konnte das Unternehmen nun wieder die Investor-Relations-Arbeit forcieren. Am Wirkungsvollsten tut man das normalerweise mit guten Zahlen – und die können sich in der Tat sehen lassen: Nachdem der Nettogewinn im Auftaktviertel 2017 mit 282.000 Euro bereits den gesamten Vorjahreswert toppte, hat Firmengründer Kolbinger die Vorschau für das Gesamtjahr kürzlich spürbar zuversichtlicher formuliert.
Demnach ist nun mit Erlösen von knapp 3,80 Mio. Euro sowie einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von annähernd 1,05 Mio. Euro zu rechnen. „Insbesondere Small Caps aus dem Rohstoffsektor nutzen verstärkt unsere Werbeflächen“, sagt Kolbinger im Gespräch mit boersengefluester.de. Dafür entfalten die Budgets der großen Anzeigenkunden aus dem Finanzsektor allerdings noch immer keine sonderliche Dynamik. Und auch die Investitionen in eigene redaktionelle Inhalte haben sich nur verhalten ausgezahlt, wie Kolbinger einräumt. Künftig will sich das Portal daher wieder stärker als Aggregator für Markteinschätzungen bekannter Börsenprofis positionieren. Zudem wird Kolbinger ins Marketing investieren, um die Reichweite der Seite zu erhöhen. Schließlich gilt es, den Abstand zum Marktführer finanzen.net zu verringern. Großspurige Kampagnen wird es jedoch nicht geben: „Wir werden die Kosten schlank halten“, verspricht Kolbinger.
Zudem bekräftigt der Finanzprofi frühere Aussagen, wonach ein Delisting der w:o-Aktie nicht zur Debatte steht. Auch hat Kolbinger nach dem geplatzten Minkabu-Deal keinen akuten Plan B in Sachen Exit-Strategie. Momentan wäre der Zeitpunkt für einen Verkauf – so der Interessent nicht einen verlockenden strategischen Preis zahlen würde – vermutlich auch eher ungünstig. Nach dem rasanten Kursanstieg auf mehr als 4 Euro sieht der Chart zwar ein wenig heiß gelaufen aus. Die aktuelle Marktkapitalisierung von 10,6 Mio. Euro entspricht andererseits aber nur dem Zehnfachen des für 2017 zu erwartenden EBIT. Dabei agiert wallstreet:online frei von Bankschulden und hatte zuletzt rund 1 Mio. Euro auf der hohen Kante. Dennoch eignet sich die w:o-Aktie nur für sehr risikobereite Anleger, schon allein wegen der Kombination aus extrem niedrigem Börsenwert plus einem Streubesitzanteil von nur 27,5 Prozent – quasi ein Micro Cap im Quadrat. Den Geschäftsbericht für 2016 wird das Unternehmen voraussichtlich im Juni veröffentlichen. Zurzeit ist der Titel für uns eine gute Halten-Position.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 5,19 | 7,78 | 8,55 | 28,21 | 48,20 | 52,79 | 46,54 | |
EBITDA1,2 | 2,03 | 3,71 | 3,70 | 4,52 | 3,56 | 8,77 | 1,35 | |
EBITDA-Marge3 | 39,11 | 47,69 | 43,27 | 16,02 | 7,39 | 16,61 | 2,90 | |
EBIT1,4 | 1,89 | 3,64 | 3,69 | 2,03 | 0,35 | -8,41 | -5,22 | |
EBIT-Marge5 | 36,42 | 46,79 | 43,16 | 7,20 | 0,73 | -15,93 | -11,22 | |
Jahresüberschuss1 | 1,78 | 3,23 | 1,90 | 3,55 | -0,54 | -10,07 | -5,92 | |
Netto-Marge6 | 34,30 | 41,52 | 22,22 | 12,58 | -1,12 | -19,08 | -12,72 | |
Cashflow1,7 | 1,92 | 3,30 | 1,91 | 1,18 | 13,93 | 5,04 | 0,19 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,14 | 0,24 | 0,13 | 0,25 | -0,04 | -0,64 | -0,38 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Dohm Schmidt Janka |