Erstmals bekommt Voxeljet zu spüren, dass es an der Börse auch heftig nach unten gehen kann. Nach einem Höchststand von 70 Dollar am 18. November ist der Aktienkurs des 3D-Druckerherstellers innerhalb kurzer Zeit auf zuletzt 39,21 Dollar abgestürzt. Anders ausgedrückt: Die Marktkapitalisierung der Gesellschaft aus dem bayerischen Friedberg mit Nasdaq-Notiz schmolz von 1.092 Mio. Dollar auf knapp 612 Mio. Dollar. Mit ein Auslöser für den Verkaufsdruck war eine lediglich vier Seiten umfassende Studie von „Citron Research“ vom 20. November 2013, in der die wesentlichen Kennzahlen des Unternehmens mit dem Börsenkürzel VJET prägnant reduziert wurden. Aufmachung und Wortwahl des Berichts erinnern dabei an Werke, wie sie hierzulande vor zehn Jahren vom damaligen Hedge-Fonds-Manager Florian Homm bei einer Short-Attacke auf den Autovermieter Sixt verwendet wurden.
Aufgehangen ist die Analyse der US-Firma Citron Research mit der provokanten Schlagzeile „VJET Is A Total F**king Joke“ an dem jüngsten Zwischenbericht und dem Conference Call von Voxeljet am 15. November 2013. Einen Tag zuvor hatte Voxeljet für das dritte Quartal bei Umsätzen von 3,517 Mio. Euro einen Gewinn von 0,211 Mio. Euro gemeldet. Zur Erläuterung teilte Voxeljet mit: „Die Gesellschaft hat im dritten Quartal drei neue 3D-Drucker verkauft – verglichen mit drei gebrauchten 3D-Druckern im dritten Quartal des Vorjahres.“ Zumindest diese Tatsache dürfte also keinem Investor neu gewesen sein. Also weist Citron Research auf einen anderen Punkt hin, der vermutlich nicht so offensichtlich ist. Und zwar geht es vordergründig um den Posten „Financial Assets“ in der Bilanz. Bei Voxeljet macht er zum 30. September 2013 rund 1,19 Mio. Euro aus. Laut Anhang verbergen sich hinter dieser Position zwei Kredite an Kunden sowie Termineinlagen. Ein Kredit über 250.000 Euro wurde bereits 2012 eingeräumt. Eine weitere Leihe wurde im September 2013 an einen Kunden gewährt, der damit den Kauf eines 3D-Druckers im Wert von 678.000 Euro finanzierte.
In der Erläuterung zu der Zusammensetzung der Erlöse des dritten Quartals – 1,836 Mio. Euro entfielen auf den Verkauf von Druckern (Systems), 1,681 Mio. Euro beziehen sich auf Dienstleistungen wie Formen und Modelle (Services) – erklärt Voxeljet im Zwischenbericht übersetzt sinngemäß: „Im September 2013 hat die Gesellschaft Umsätze von 868.000 Euro für den Verkauf von zwei neuen 3D-Druckern verbucht. Der Betrag setzt sich zusammen aus 630.000 Euro Cash und 238.000 für Forschungsleistungen, die noch ausstehen. Der verbuchte Umsatz stellt den fairen Preis für die Drucker dar, der sich aufgrund des üblichen Preisabschlags auf den Listenpreis für solche Drucker ergibt.“
Daraus folgert Citron Research wenig schmeichelhaft, dass von Voxeljet zuletzt kein einziger 3D-Drucker zum vollen Listenpreis verkauft wurde, und das Geschäft offenbar nur über Anreize wie die Gewährung von Krediten läuft. Pikant: In dem Conference Call wurde dieser – für Citron Research so wesentliche Aspekt – nicht thematisiert. Umso mehr wundern sich die Autoren der Studie, dass die erste Frage der amerikanischen Analysten ausgerechnet auf eine Randnotiz abzielte: nämlich, wie sich die Nutzerzahlen auf der Webseite von Voxeljet seit dem Börsengang entwickelt haben. Für Citron Research gilt es nun zu klären, ob diese Form der Absatzfinanzierung eine Ausnahme war oder eher die gängige Praxis darstellt. Ein Punkt, mit dem sich auch die amerikanische Finanzaufsicht beschäftigte, wie ein offizieller Schriftverkehr belegt, der im Internet dokumentiert ist. Demnach teilt Voxeljet mit, dass sie für gewöhnlich keine Kredite an bestehende oder künftige Kunden anbieten. Lediglich wenn es sich um strategisch wichtige Projekte handelt, würden auch solche Anliegen geprüft. Keinesfalls gäbe es aber so etwas wie ein offizielles Kreditprogramm.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT1,4 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Zumindest die Autoren von Citron Research können diese Aussage angesichts der Details aus dem Quartalsbericht nicht wirklich nachvollziehen. In ihren Augen verkauft Voxeljet keine Drucker, sondern verleiht sie. Fazit der US-Marktbeobachter: verrückt! Das Kursziel für die Aktie (ADS) von Voxeljet setzt Citron Research bei 12,09 Dollar an. Das liegt etwas unterhalb des Emissionspreises von 13 Dollar. Selbstlos dürfte die Studie von Citron Research nicht erstellt worden sein. Auch mit der Spekulation auf fallende Kurse lässt sich trefflich Geld verdienen. Anleger müssen also genau aufpassen, vor welchen Karren sie gerade gespannt werden.
Boersengefluester.de hat seit dem Börsengang am 18. Oktober 2013 regelmäßig über Voxeljet berichtet. Auf eine Anlageempfehlung hatten wir dabei – im Gegensatz zu sonst – stets verzichtet. Mit herkömmlichen fundamentalen Maßstäben ließ sich die Bewertung des Unternehmens von Anfang an nicht greifen. Der Vorstoß von Citron Research ist ein Warnschuss. Das Ende der Börsenstory von Voxeljet ist damit natürlich nicht besiegelt. Anlegern sollte aber stets bewusst sein, welche Werte hinter einem Investment stehen. Der reine Blick auf den Kurs der einzelnen Aktie vernebelt die Situation häufig. Gerade bei Firmen wie Voxeljet ist der Blick auf die gesamte Marktkapitalisierung entscheidend. Und ein zwischenzeitlicher Börsenwert von mehr als 1 Mrd. Dollar bei einem für 2013 erwarteten Umsatz von 11 Mio. Euro wirft natürlich Fragen auf, da kann die Investmentstory noch so sexy sein.
Fazit: 3D-Druck bleibt eine der zukunftsträchtigsten Sektoren überhaupt – daher auch die teilweise unglaublichen Bewertungen. Langfristig lassen sich Multiples, wie sie derzeit gezahlt werden, sicher nicht halten. Ob für eine Voxeltjet-Aktie 10, 20, 30, 50 oder 100 Dollar gezahlt werden, hängt momentan vermutlich zu 80 Prozent von der Psyche der Anleger ab. Zumindest in einem Punkt hat Citron Research aber auf jeden Fall Recht: Mitunter sind die Börsianer verrückt. Langfristig hat sich dieser Gemütszustand allerdings immer wieder eingenordet.
Foto: Voxeljet AG