Heftig unter die Räder ist die Vossloh-Aktie in den vergangenen Monaten gekommen: Aktuell notiert sie auf dem Niveau von September 2006. Nach der Vorlage der Neun-Monats-Zahlen am 30. Oktober zählte das Papier des Bahntechnikherstellers einmal mehr zu den größten Verlierern. Keine Frage: Vossloh hat gravierende Probleme. Während der Umsatz in den ersten drei Quartalen mit 967,7 Mio. Euro leicht über dem Niveau des Vorjahres gelegen hatte, fiel ein operativer Verlust von 150,4 Mio. Euro an. Im Vorjahr stand noch ein Gewinn von 34,6 Mio. Euro zu Buche. Das 2014er-Ergebnis „war in hohem Maße durch die umfangreichen Aufwendungen der im Juni 2014 initiierten Restrukturierungs- und Neupositionierungsmaßnahmen belastet. Zudem blieb auch im dritten Quartal 2014 die Geschäftsentwicklung schwach”, stellte Vorstandschef Hans Schabert unmissverständlich fest. Deutlich hinter den Erwartungen blieb vor allem die Sparte Electrical Systems. Sie produziert Komponenten und Systeme für Schienenfahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr und Lokomotiven.
Wenig erfreulich lief es allerdings auch in den Geschäften mit Lokomotiven und Weichen. Wegen der eingetrübten Perspektiven für das Weichengeschäft hat die Sparte eine Abschreibung auf den Firmenwert von 60 Mio. Euro verbucht. Ein weiterer Belastungsfaktor war, dass die Umsätze in Asien gesunken sind. Entsprechend verringerte sich der Anteil der außereuropäischen Umsätze auf lediglich 35,7 Prozent. Vossloh ist damit stark abhängig von der Wirtschaft in Europa. Die Wirtschaft der Euro-Zone ist allerdings am Rande der Rezession. Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis lag nach den ersten drei Quartalen bei lediglich 23 Mio. Euro.
Schabert treibt die Restrukturierung voran. „Für den Lokomotivenstandort in Kiel wurde beschlossen, die Aktivitäten ausschließlich auf das Geschäft mit standardisierten Industrie- und Rangierlokomotiven auszurichten und den Ansatz zu verstärken, Lokomotiven im Baukastenprinzip mit hohem Anteil gleicher Bauteile anzubieten”, heißt es im Quartalsbericht. Zudem zieht die dortige Produktion an einen anderen Stadtteil, der spürbar günstiger ist. Kiel hatte deutlich weniger Aufträge an Land gezogen als erwartet. Die Tochter im spanischen Valencia übernimmt künftig das Projektgeschäft aus Kiel und passt zudem die Lokomotiven an die Wünsche einzelner Kunden an. Bei der Sparte Electrical Systems dauert die Abarbeitung der vorhandenen Projekte länger als erwartet. Für das Gesamtjahr prognostiziert Schabert einen operativen Verlust auf Konzernebene von 150 bis 180 Mio. Euro, zumal die Geschäftsentwicklung auch im vierten Quartal schwach bleiben werde.
Bei einer erfolgreichen Restrukturierung könnte Vossloh in den kommenden Jahren signifikant vom Wachstum der Branche profitieren. Auf der Branchenmesse Innotrans im September sagte Philippe Citroën, der Generaldirektor des Verbandes der Europäischen Eisenbahnindustrie, dass der Weltmarkt bis 2019 um durchschnittlich 2,7 Prozent pro Jahr zulegen könnte, nicht zuletzt wegen des Wachstums der Weltbevölkerung. „Es gibt einen wachsenden Bedarf für Züge und U-Bahnen.” Das größte Potenzial sieht Citroën in Lateinamerika, Asien und Nordamerika. Vossloh-Chef Schabert hat Investoren klar gemacht, dass die Restrukturierung nicht schnell zu Ende, sondern etliche Zeit in Anspruch nehmen werde. Zwar könnte der operative Gewinn 2015 gegenüber dem bereinigten Vorjahreswert „voraussichtlich” steigen. „Angesichts der im kommenden Jahr noch fortschreitenden Umsetzung der Restrukturierungs- und Neupositionierungsmaßnahmen sowie bedingt durch verstärkte Aufwendungen in die Entwicklung zukunftsgerichteter Technologien wird die Verbesserung zunächst allerdings moderat ausfallen”, betonte der Firmenlenker. „Zunehmende Entlastungen erwartet der Vorstand erst ab 2016 und verstärkt ab 2017.”
Der nächste wichtige Termin für die Aktionäre von Vossloh ist der 3. Dezember. Dann wird Schabert die Strategie für die nächsten Jahre vorstellen. Nach einem herben Verlust für 2014 prognostizieren Analysten für das nächste Jahr einen Gewinn je Aktie von knapp 2,50 Euro. Im Folgejahr soll der Wert dann auf rund 4 Euro steigen, womit der Konzern immer noch etwas unter dem guten Niveau früherer Jahre liegen würde. Auf dieser Basis wäre die Aktie mit einem KGV von lediglich 11,5 bewertet. Das Jahr 2016 scheint derzeit zwar noch weit entfernt. Spätestens im Frühjahr 2015 dürften die Investoren allerdings verstärkt auf die 2016er-Schätzungen schauen. Angesichts etlicher hochbewerteter Aktien aus dem SDAX könnte dann Vossloh auf den Radarschirm vieler Investoren zurückkehren. Wann die Talfahrt der Vossloh-Aktie endet, ist zwar nicht absehbar. Antizyklisch orientierte Anleger sollten den Wert dennoch auf die Watchlist nehmen. Sollte die Analystenkonferenz am 3. Dezember besser laufen als viele Investoren derzeit befürchten, könnte die Aktie allmählich eine Kehrtwende einlegen. Die Analysten der Berenberg Bank raten Anlegern jedenfalls, in der aktuell schwierigen Situation noch „nicht das Handtuch zu werfen”. Sie trauen der Aktie eine kursmäßige Rückkehr bis auf 60 Euro zu. Die Experten von Hauck & Aufhäuser setzen ihr Ziel nur einen Euro darunter an. Andere Bankhäuser wie die NordLB oder Kepler Chevreux sind ein wenig zurückhaltender und taxieren den fairen Wert im Bereich um 50 Euro. Zurzeit kostet das Papier 45,50 Euro.
Bild: Vossloh AG