Um Beteiligungsprozesse am Kapitalmarkt möglichst transparent zu gestalten und heimliche Anschleichmanöver zu unterbinden, gibt es in Deutschland mehrere Meldeschwellen – und zwar: 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent. Sobald ein Investor eine dieser Marken erreicht bzw. unterschreitet, muss er das innerhalb von vier Handelstagen melden. Privatanleger können diese Stimmrechtsmitteilungen im Internet auf Seiten wie www.dgap.de oder www.adhoc-infos.de nachverfolgen. Gerade die kleineren Meldeschwellen von drei und fünf Prozent werden von institutionellen Investoren vergleichsweise häufig berührt. Wundern Sie sich also nicht über die große Anzahl an entsprechenden Meldungen.
30-Prozent-Schwelle: Die erste wichtige Hürde mit direkten Folgen für den Anleger ist die Marke von 30 Prozent. Überschreitet der Anteilsbesitz diese Schwelle, wird im Normalfall – Ausnahmen gibt es etwa bei Sanierungsfällen – ein sogenanntes Pflichtangebot fällig. Das heißt: Der Investor muss allen anderen Aktionären eine Kaufofferte für seine Anteilscheine unterbreiten. Der Mindestpreis berechnet sich dabei aus dem durchschnittlichen Börsenkurs der vergangenen drei Monate. Häufig ist es so, dass der neue Großaktionär überhaupt nicht die Absicht hat, die komplette Mehrheit zu erlangen. Ist dies der Fall, wird er folgerichtig nur den Mindestpreis bieten. Dieser Mittelwert liegt in der Praxis meist etwas unterhalb der aktuellen Notiz, so dass es für den Anleger nicht sinnvoll ist, auf die Offerte einzugehen. Anders sieht es aus, wenn die Bietergesellschaft ernsthafte Absichten für einen Kontrollerwerb hat. Um möglichst viele Aktionäre auf ihre Seite zu ziehen, muss der Interessent eine entsprechend attraktive Prämie bieten. Um sich selbst abzusichern, knüpfen viele Bieter ihre Übernahmepläne dabei meist an Bedingungen wie Annahmeschwellen von in der Regel mindestens 70 Prozent. Zudem gelten die Pläne auch nur unter dem Vorbehalt, dass etwa das Kartellamt keinen nachträglichen Riegel vorschiebt. Grundsätzlich können sich Anleger bei Pflichtofferten meist zurücklehnen und müssen nicht aktiv werden. Der Börsenhandel in der jeweiligen Aktie läuft auch nach Ende der Angebotsfrist – sie dauert in der Regel zwischen vier und acht Wochen – ganz normal weiter. Zudem ist es häufig so, dass der ursprünglich gebotene Preis nochmals aufgestockt wird. Teilweise entwickeln sich sogar regelrechte Bietergefechte.
75-Prozent-Schwelle: Die nächste wichtige Marke für Anleger ist die Drei-Viertel-Mehrheit. Kontrolliert eine Gesellschaft mehr als 75 Prozent der Stimmrechte, kann es auch Hauptversammlungsentscheidungen von besonderer Tragweite, wie zum Beispiel Kapitalerhöhungen oder Satzungsänderungen, für die eine 75-Prozent-Mehrheit nötig ist, durchsetzen. Besitzt ein Bieter mehr als 75 Prozent des Kapitals, kann er einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BuG) abschließen. Das heißt: Die Tochter muss künftig ihre kompletten Erträge an die Mutter abtreten. Andererseits gibt es aber auch eine Verpflichtung zur Verlustübernahme durch das herrschende Unternehmen. Relevant für Privatanleger ist im BuG neben dem Barabfindungsangebot insbesondere die Höhe der jährlichen Ausgleichszahlung. Dieser Betrag wird während des Vertrags durch die beherrschende Firma garantiert, daher auch der Begriff Garantiedividende. Der Vertrag läuft in der Regel so lange, bis er gekündigt oder ein Rückzug von der Börse angestrebt wird.
95-Prozent-Schwelle: Kontrolliert ein Investor mindestens 95 Prozent der Aktien, kann er den Rückzug von der Börse einleiten und die restlichen freien Aktionäre zwangsweise aus dem Papier „herausquetschen“. In der Fachsprache heißt dieses Verfahren Squeeze-out. Begleitet wird diese letzte Phase in der Regel von klagenden Aktionären, die mit der Höhe der Abfindung unzufrieden sind. Wichtig zu wissen: Wer seine Papiere nicht hergeben will, muss darauf gefasst sein, dass der Börsenhandel weitgehend ausgetrocknet. Sollte ein Anleger seine Anteile aus irgendwelchen Gründen später doch versilbern wollen, muss er sich auf eine mitunter mühsame Orderprozedur gefasst machen. Eingeführt wurde die Squeeze-out-Regel im Jahr 2002, damit einzelne Aktionäre mit vielleicht nur ganz wenigen Anteilscheinen nicht das ganze Verfahren lahm legen können. Für die Gesellschaften ist der Börsenrückzug schließlich mit einer deutlichen Kostenersparnis in Bezug auf die Berichtspflicht oder die Organisation der jährlichen Hauptversammlung verbunden.
Squeeze-out: Abgestimmt wird über den Beschluss zum Delisting auf einer speziell dafür einberufenen Hauptversammlung. Aktuelle Beispiele sind etwa die Douglas Holding oder Heiler Software. Meist geht nach diesen Aktionärstreffen alles ganz schnell. Die Aktien werden aus den Depots ausgebucht, dafür erhält der Anleger den vorher festgelegten Squeeze-out-Preis. Damit ist aber immer noch nicht alles entschieden, denn häufig streben Aktionärsverbände oder aktivistische Investoren auch nach dem Börsenabschied noch Anfechtungsklagen an, bei denen es um die Angemessenheit der Abfindung geht. Grundsätzlich soll sie sich an den „wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung“ orientieren. Solche eine gesetzliche Formulierung lässt natürlich Ermessensspielraum zu. Um sowohl die Interessen der verbliebenen Minderheitsaktionäre als auch die des Unternehmens unter einen Hut zu bringen, einigen sich beide Parteien regelmäßig in einem sogenannten Spruchstellenverfahren. Solch juristische Scharmützel können unter Umständen aber eine halbe Ewigkeit dauern, dafür springen am Ende mitunter ganz erkleckliche Zusatzgewinne heraus. Ein besonders krasses Beispiel war im Februar 2013 W.E.T. Automotive Systems. Bei dem Autositzheizungshersteller endete der Vergleich bei 85 Euro – beinahe doppelt so viel wie die ursprüngliche Barabfindung von 44,95 Euro.