Gleich zwei Investmentstorys hat die Aktie von Vita 34: Da ist zum einen das operative Geschäft des Spezialisten für die Einlagerung von Nabelschnurblut und Nabelschnurgewebe mit all seinen Erweiterungsmöglichkeiten Richtung Immunzellen oder auch Stammzellen aus körpereigenem Fett. Nicht minder spannend ist freilich der laufende Sondierungsprozess für einen Zusammenschluss mit dem größten europäischen Wettbewerber PBKM aus Polen. Eine Transaktion, die von dem gemeinsamen Großaktionär Active Ownership Advisors ausdrücklich forciert wird (siehe dazu etwa auch unseren Beitrag HIER). Dass sich beide Themen zurzeit nicht wirklich trennen lassen, zeigen bereits die Zahlen des jetzt vorgelegten Geschäftsberichts für 2020. So weist Vita 34 neben dem normalen EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) auch ein bereinigtes EBITDA aus, in dem die Sonderaufwendungen im Zuge des Übernahmeangebots von AOC Health sowie für eine Prüfung des Zusammenschlusses mit PBKM herausgerechnet werden. Immerhin geht es hier um rund 500.000 Euro, was für eine Gesellschaft wie Vita 34 kein Pappenstiel ist.
Ansonsten zeigt aber auch das berichtete EBITDA von 5,34 Mio. Euro für 2020, dass die Leipziger – bei kaum veränderten Erlösen von 20,07 Mio. Euro – per saldo bislang ohne größere Einbußen durch die Corona-Krise gekommen sind. Als stabiler Anker hat sich insbesondere die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) gezeigt, während die Auswirkungen in Südeuropa deutlicher zu spüren sind. Der starke Zuwachs beim Jahresüberschuss hängt indes mit einem außergewöhnlich hohen – allerdings bereits in der Vergangenheit gezahlten – Steueraufwand im Jahr 2019 zusammen. Soweit entwickelt sich das traditionelle Geschäft also durchaus in die richtige Richtung, auch wenn der Wettbewerb enorm ist und Vita 34 etwa mit neuen Preismodellen – Stichwort VitaPur – um Kundschaft buhlt. Vorteil der mit einem niedrigeren Direktanteil bei Vertragsabschluss versehenen Pur-Variante ist, dass der nachgelagerte Part für höhere wiederkehrende Erlöse sorgt.
Um die für Vita 34 grundsätzlich eher unvorteilhafte Konstellation zu lösen, wonach die potenziellen Kunden allesamt in einer Schwangerschaft befindliche Frauen sind, setzt die Gesellschaft auf weitere Anwendungen: Für das laufende Jahr ist etwa die Einführung von AdipoVita geplant, wo es um die Konservierung von Fettgeweben bzw. der darin enthaltenen Stammzellen von Erwachsenen geht, um damit kosmetische Anwendungen durchzuführen. In der Forschungsphase befinden sich derweil Immunzellisolate für den Bereich der personalisierten Regenerativen Medizin. „Das sind die Behandlungen der Zukunft“, sagt CEO Wolfgang Knirsch. So gut es irgend geht umkurvt, haben Knirsch und CFO Falk Neukirch auf der Telefonkonferenz zur Bilanzvorlage indes das Thema Zusammenschluss mit PBKM. „Die technische Struktur ist sehr fordernd“, sagt Knirsch mit Blick auf den Umstand, dass sowohl Vita 34 als auch PBKM börsennotiert sind. Dabei bringt es die in Warschau gelistete PBKM auf eine Marktkapitalisierung, die etwa um den Faktor 2,5 höher ist, als die von Vita 34.
Kein Wunder, dass CFO Neukirch von einer „noch nicht ganz geklärten Transaktionsstruktur“ spricht. Nun: Idealerweise soll die Prüfung im ersten Halbjahr 2021 abgeschlossen sein. Potenzielle Vorteile sieht Knirsch in einer deutlich höheren Börsenbewertung, auf Produktebene und hinsichtlich der Marktmacht. Sonstige Synergien sind da noch komplett ausgeklammert. Dass der früher kaum für möglich gehaltene Deal überhaupt zur Prüfung aussteht, hat für CEO Wolfgang Knirsch – trotz aller Unwägbarkeiten – durchaus Charme: „Es wie ein Elefant, der im Raum stand, den man aber nicht anfassen konnte. Erst durch AOC hat sich dieser Elefant ein bisschen realisiert.“ Die Auswirkungen eines potenziellen Zusammenschlusses auf die Vita 34-Aktie lassen sich gegenwärtig allerdings kaum valide abschätzen. Zu viel hängt von den Konditionen ab.
Sehr viel greifbarer ist da schon der Ausblick für das laufende Jahr. Bei Erlösen zwischen 20,3 und 22,3 Mio. Euro kalkuliert das Unternehmen mit einem bereinigten EBITDA in einer Bandbreite von 5,5 bis 6,1 Mio. Euro. Vor dem Hintergrund des Verlaufs der jüngsten Quartale hält Finanzvorstand Falk Neukirch beim Umsatzziel den mittleren bis oberen Bereich für eine erreichbare Marke. Das adjustierte EBITDA für 2021 setzt boersengefluester.de bei knapp 6 Mio. Euro an, so dass die Aktie momentan – unter Berücksichtigung der Netto-Liquidität – etwa mit dem 9,5fachen des EBITDA gehandelt wird. Gemessen am Potenzial der Gesellschaft erscheint uns das eher günstig zu sein.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 19,19 | 20,41 | 19,93 | 20,07 | 28,42 | 68,94 | 77,06 | |
EBITDA1,2 | 1,85 | 4,72 | 5,43 | 5,34 | 0,81 | -3,56 | 5,57 | |
EBITDA-Marge3 | 9,64 | 23,13 | 27,25 | 26,61 | 2,85 | -5,16 | 7,23 | |
EBIT1,4 | 0,14 | 2,63 | 2,45 | 2,38 | -3,07 | -27,28 | -3,12 | |
EBIT-Marge5 | 0,73 | 12,89 | 12,29 | 11,86 | -10,80 | -39,57 | -4,05 | |
Jahresüberschuss1 | -0,33 | 0,83 | 0,72 | 1,50 | -3,93 | -27,38 | -2,03 | |
Netto-Marge6 | -1,72 | 4,07 | 3,61 | 7,47 | -13,83 | -39,72 | -2,63 | |
Cashflow1,7 | 1,53 | 4,60 | 6,32 | 3,98 | 2,73 | -4,49 | 9,15 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,09 | 0,20 | 0,18 | 0,37 | -0,63 | -1,71 | -0,12 | |
Dividende8 | 0,16 | 0,16 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
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