Ein wenig keck war es schon, dass Viscom das jüngste Update zur aktuellen Geschäftsentwicklung mit dem Hinweis auf eine höhere Prognose überschrieben hat. Zwar hat der Anbieter von Prüfanlagen für komplexe Elektronikprodukte tatsächlich die für 2022 avisierte Umsatzspanne an beiden Enden um jeweils 5 Mio. Euro auf jetzt 95 bis 100 Mio. Euro heraufgesetzt. Parallel dazu geht Finanzvorstand Dirk Schwingel aber davon aus, dass die daraus erzielbare EBIT-Marge nicht mehr 5 bis 10 Prozent beträgt, sondern vermutlich schon bei 8 Prozent der Deckel drauf ist. Entsprechend dürfte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern nun nur noch in einer Bandbreite zwischen 4,75 und 8,00 Mio. Euro ankommen – nach zuvor vermuteten 4,50 bis 9,50 Mio. Euro. Im Hinterkopf sollten Anleger auch beachten, dass die Hannoveraner früher im Schnitt sehr häufig mit operativen Margen von um die 15 Prozent unterwegs waren, es seit 2019 aber nicht mehr so rund läuft wie früher.
Entsprechend ist der Aktienkurs auch massiv von dem Anfang 2018 erreichten All-Time-High bei knapp 40 Euro zurückgekommen. Aber wie immer an der Börse: Am Ende ist alles eine Frage des Preises. Und auf dem gegenwärtigen Kursniveau von 8,30 Euro bringt es Viscom auf einen Börsenwert von lediglich knapp 75 Mio. Euro. Jeder Euro Umsatz, wird also mit nicht einmal 80 Cent bewertet. Mit Blick auf das für 2022 von boersengefluester.de erwartete Ergebnis vor Zinsen, Steuernd und Abschreibungen (EBITDA) wird die Gesellschaft – auf schuldenfreier Basis – gerade einmal mit einem Faktor von knapp 7 bewertet. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) beträgt etwas weniger als 1,4. Das alles sind für unseren Geschmack durchaus attraktive Relationen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 88,54 | 93,56 | 88,86 | 61,56 | 79,79 | 105,52 | 118,78 | |
EBITDA1,2 | 15,90 | 12,92 | 9,02 | -0,77 | 10,07 | 14,95 | 13,20 | |
EBITDA-Marge3 | 17,96 | 13,81 | 10,15 | -1,25 | 12,62 | 14,17 | 11,11 | |
EBIT1,4 | 13,83 | 10,94 | 4,02 | -5,98 | 4,20 | 8,19 | 6,61 | |
EBIT-Marge5 | 15,62 | 11,69 | 4,52 | -9,71 | 5,26 | 7,76 | 5,57 | |
Jahresüberschuss1 | 9,07 | 7,81 | 3,10 | -4,41 | 2,59 | 5,37 | 3,14 | |
Netto-Marge6 | 10,24 | 8,35 | 3,49 | -7,16 | 3,25 | 5,09 | 2,64 | |
Cashflow1,7 | 12,75 | 1,23 | 7,30 | 10,26 | -3,90 | -1,69 | 6,18 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,02 | 0,88 | 0,35 | -0,50 | 0,29 | 0,60 | 0,34 | |
Dividende8 | 0,60 | 0,45 | 0,05 | 0,00 | 0,20 | 0,30 | 0,05 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Dabei befindet sich die Gesellschaft seit einiger Zeit in einem Veränderungsprozess und richtet das ehemals stark auf die klassische Automobilbranche zugeschnittene Geschäft stärker auch auf andere Branchen wie Telekommunikation oder insbesondere auch die Chipfertigung aus. Nicht wirklich bekannt dürfte in Anlegerkreisen sein, dass Viscom über die Mitte des Jahres auf eigene Beine gestellte Tochter Exacom auch zunehmend im Bereich der Batteriezellen-Inspektion aktiv ist: Egal, ob für Smartphones, Köpfhörer oder den Einsatz im Fahrzeugbau. Hier sollte sich für Viscom in den kommenden Jahren ein wichtiges Standbein entwickeln. Die Analysten von Pareto sehen den im streng regulierten Börsensegment Prime Standard notierten Spezialwert zurzeit erst bei 14 Euro als fair bewertet an. Das Potenzial ist also enorm. Zudem ist Viscom – die Corona-Ausnahmejahre 2019/20 einmal ausgeklammert – ein verlässlicher Dividendenzahler mit durchaus attraktiven Renditen. Die weiterhin solide Bilanz gibt diese Ausschüttungspolitik durchaus her.
Am 10. November steht der vollständige Neun-Monats-Bericht an. Bereits bekannt ist, dass die Umsätze um rund 22 Prozent auf 67 Mio. Euro geklettert sind, während das EBIT mit 1,9 Mio. Euro noch auf der Stelle getreten ist. Das Abschlussquartal muss also deutlich an Dynamik gewinnen, damit Viscom beim Ergebnisziel sicher in der neu kommunizierten Spanne ankommt. Immerhin hat das Unternehmen mit den kürzlich veröffentlichten Vorabzahlen für Q3 durchaus eine gewisse Erwartungshaltung geweckt, selbst wenn das Gewinnziel als eigentlich zentrale Größe leicht gestutzt wurde.
Foto: Viscom AG