Die sinkenden Strompreise zwingen die Versorger E.ON und RWE Kraftwerke stillzulegen. Das Problem dürfte sich vor allem bei RWE in den kommenen Jahren deutlich verschärfen, verkauft doch der Konzern einen Großteil seiner Stromproduktion am Terminmarkt mehrere Jahre im Voraus. Entsprechend werden sich die gesunkenen Strompreise erst in den nächsten Jahren deutlich in den Büchern niederschlagen. Laut den Schätzungen der Analysten soll der nachhaltige Gewinn je Aktie in den folgenden Jahren kräftig sinken. RWE-Chef Peter Terium hat vor kurzem von der „größten Branchenkrise aller Zeiten“ gesprochen.
Wie sehr die hiesigen Versorger unter der Energiewende leiden, haben die Halbjahreszahlen von E.ON und RWE einmal mehr gezeigt. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von E.ON ist im ersten Halbjahr um 15 Prozent auf 5,7 Mrd. Euro gesunken. Wegen des Ökostrombooms verdienen die fossilen Kraftwerke immer weniger Geld. Der für die Dividende entscheidende nachhaltige Gewinn ist um 42 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro eingebrochen. Für das Gesamtjahr peilt Vorstandschef Johannes Teyssen weiterhin einen Wert von 2,2 bis 2,6 Mrd. Euro an. Im Vorjahr waren es noch 4,2 Mrd. Euro. „Das Marktumfeld in einigen Bereichen unseres Bestandsgeschäfts bleibt weiterhin extrem angespannt“, sagte er unmissverständlich. „Wir müssen somit nüchtern feststellen, dass zumindest für dieses und auch für das kommende Jahr eine Erholung nicht in Sicht ist.“
Teyssen kündigte an, weitere Kraftwerke stilllegen zu wollen. Das Unternehmen hat Kraftwerke mit einer Leistung von 11.000 Megawatt zur Disposition gestellt. 6500 Megawatt davon wurden bereits vom Netz genommen. Das Kraftwerk Malzenice in der Slowakei, das erst vor zwei Jahren in Betrieb gegangen ist, hat E.ON bereits eingemottet. „Sofern sich die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Kernmärkten nicht spürbar ändern, werden weitere Stilllegungen unausweichlich sein“, sagte Teyssen. Er wiederholte daher seine Forderung an die Politik nach einer Marktreform.
Teyssen treibt zudem das Desinvestitionsprogramm weiter voran. Nachdem er bis zur Jahresmitte Vermögenswerte im Wert von 17,5 Mrd. Euro verkauft hatte, hat er das Verkaufsziel auf 20 Mrd. Euro erhöht. Die Belastungen aus dem neuen Endlagersuchgesetz sollen im dritten Quartal verbucht werden. Laut Teyssen belaufen sie sich auf einen niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Das Risiko ist groß, dass die Gewinnschätzungen für E.ON in den nächsten Monaten weiter sinken werden. Derzeit liegt die Konsensschätzung für 2013 bei 1,32 Euro je Aktie und für 2014 bei 1,28 Euro. Die Analysten der UBS, die in den vergangenen Quartalen mit ihrer skeptischen Einschätzung zu den Versorgern goldrichtig gelegen haben, prognostizieren für E.ON für 2013 und 2014 jeweils 1,14 Euro. Solange die Gewinnschätzungen weiter abwärts tendieren, dürfte eine Kurserholung nicht von Dauer sein. Zumal die Aktie auf Basis der Schätzungen der UBS mit einem 2014er-KGV von 10,7 nicht billig ist.
Noch deutlich schlechter als bei dem hiesigen Branchenprimus E.ON ist die Lage bei RWE. „Der Betrieb vieler Kraftwerke rechnet sich nicht mehr“, betonte Vorstandschef Peter Terium. „So hat der Unternehmensbereich Konventionelle Stromerzeugung fast zwei Drittel seines operativen Ergebnisses eingebüßt.“ Dass die Lage nicht noch schlimmer ist, liegt daran, dass RWE „die Stromproduktion größtenteils am Terminmarkt auf bis zu drei Jahre im Voraus“ verkauft hat. Derzeit schlagen sich also jene Preise in den Büchern durch, die RWE vor einigen Jahren durchgesetzt hat. „Doch dieser Vorteil wird von Jahr zu Jahr abschmelzen. Die Krise trifft uns über kurz oder lang mit voller Wucht“, warnte der Firmenlenker. Ebenso wie E.ON nimmt auch RWE Kapazitäten aus dem Markt. In Deutschland und den Niederlanden werden Kraftwerke mit einer Leistung von 3100 Megawatt vom Netz genommen. Für das Gesamtjahr rechnet Terium mit einem nachhaltigen Gewinn von rund 2,4 Mrd. Euro. Statt wie ursprünglich geplant, Investitionen von 5 Mrd. Euro zu tätigen, sollen es nun lediglich 4,5 Mrd. Euro werden.
Terium will zudem das Sparprogramm deutlich verschärfen. „Es zeichnet sich klar ab, dass wir künftig deutlich weniger Mitarbeiter beschäftigen werden“, sagte Finanzvorstand Bernhard Günther. Konkrete Pläne wird er im November vorlegen. Die Analysten sehen die Perspektiven von RWE skeptisch: Laut der Homepage von RWE prognostiziert der Konsensus für 2013 einen nachhaltigen Gewinn je Aktie von 3,94 Euro. Für 2014 sind es nur mehr 2,95 Euro – Tendenz für die Folgejahre: weiter sinkend. Die Analysten der UBS haben nach den Halbjahreszahlen die Einschätzung „verkaufen“ bekräftigt. Das Kursziel liegt bei 19 Euro und damit deutlich unter dem aktuellen Kurs. Sollte der Konzern angesichts der Nettoschulden von 35 Mrd. Euro eine Kapitalerhöhung durchführen, könnte sich der Abwärtstrend der Aktie beschleunigen. Der Börsenwert liegt mit 12,8 Mrd. Euro ohnehin weit unter dem von E.ON (24,6 Mrd. Euro).
Dieser Beitrag stammt von den Kollegen der boersengefluester.de-Partnerseite Feingold Research
Foto: E.ON AG