Wenn eine Aktie innerhalb von zwei Tagen um 30 Prozent an Wert verliert, dann muss im Normalfall schon etwas ganz Schlimmes passiert sein – oder aber die Börse spielt verrückt. Bei VERBIO Vereinigte BioEnergie tendieren wir unterm Strich zu der zweiten Variante, wenngleich boersengefluester.de klar ist, dass der Hersteller von Biokraftstoffen mit seinem Ausblick für das Geschäftsjahr 2017/18 (30. Juni) massiv enttäuschte. Doch der Reihe nach: Zunächst können sich die gerade veröffentlichten Zahlen für die abgelaufene Wirtschaftsperiode mehr als sehen lassen: Die Erlöse zogen um elf Prozent auf 726,44 Mio. Euro an. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) kam um gut 26 Prozent auf annähernd 92,36 Mio. Euro voran. Avisiert hatte der Vorstandsvorsitzende Claus Sauter zuletzt ein EBITDA von rund 90 Mio. Euro. Lediglich der Jahresüberschuss von 51,78 Mio. Euro (Vorjahr: 48,95 Mio. Euro) konnte aufgrund einer massiv einsetzenden Steuerbelastung nicht an die Dynamik der in der Gewinn- und Verlustrechnung weiter oben anzusiedelnden Ergebniskennzahlen anknüpfen.
Parallel dazu verbesserte sich freilich noch einmal die Bilanzqualität von VERBIO ganz erheblich. Mittlerweile kommt die Gesellschaft auf eine Eigenkapitalquote von 79,4 Prozent und verfügt über ein Netto-Finanzguthaben von fast 116 Mio. Euro. „Diese gesunde Ertragslage ist unsere Lebensversicherung in einem weiterhin von politischen Unsicherheiten geprägten europäischen Biokraftstoffmarkt“, sagt Sauter. Sorgen bereitet dem Manager insbesondere die Verteufelung des Dieselmotors mit gleichzeitiger Heiligsprechung des Elektromotors als Antriebskraft für Fahrzeuge. Alternative Kraftstoffe, wie Methan, kommen Sauter viel zu kurz in der aktuellen Diskussion. „Das Potenzial für Biomethan aus agrarischen Reststoffen, wie Getreide-, Mais- und Reisstroh, ist gigantisch und wir haben dafür die richtige Technologie“, sagt Sauter.
Anlass zur Sorge gibt freilich, dass VERBIO im Abschlussviertel des Geschäftsjahrs 2016/17 im Bereich Biodiesel aus knapp 112 Mio. Euro Umsatz ein EBITDA von gerade einmal 430.000 Euro erzielt hat. Zum Vergleich: Im zweiten Quartal 2016/17 kam VERBIO hier bei Erlösen von 124,9 Mio. Euro auf ein EBITDA von 18,7 Mio. Euro. Auf Konzernebene räumt die Gesellschaft mit Sitz in Zörbig (Sachsen-Anhalt) daher ein, dass die „extrem guten“ Zahlen des Vorjahrs nicht noch einmal übertroffen werden können. Konkret kalkuliert VERBIO mit einem EBITDA für 2017/18 im Bereich um 50 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die Analysten von Matelan Research hatten zuletzt ein EBITDA von gut 75 Mio. Euro für das laufende Geschäftsjahr auf der Agenda. Angesichts der konstant hohen Abschreibungen von zuletzt knapp 22 Mio. Euro steuert VERBIO damit auf einen erheblichen Gewinneinbruch zu – selbst wenn die Prognose des Vorstands vermutlich wieder sehr tief gestapelt ist.
KGV-Fans müssen bei VERBIO also erst einmal hinten anstehen. Dafür sehen andere Bewertungskennzahlen auf dem aktuellen Niveau durchaus attraktiv aus: So wird die im Prime Standard geführte VERBIO-Aktie bei Kursen um 9,30 Euro gerade einmal mit dem 2,1fachen des Buchwerts gehandelt. Die Marktkapitalisierung ist derweil auf knapp 585 Mio. Euro gekracht. Bereinigt um die für 2017/18 in Aussicht gestellte Netto-Liquidität von rund 100 Mio. Euro, käme VERBIO auf ein Multiple von gut neun bei der Relation von Unternehmenswert (Enterprise Value) zu EBITDA. Das scheint uns nicht zu hoch.
Und selbst die Dividendenrendite – normalerweise kein schlagendes Argument bei VERBIO – erreicht zurzeit etwas mehr als zwei Prozent. Ausgeschüttet werden die für 2016/17 vorgeschlagenen 0,20 Euro je Aktie nach der Hauptversammlung am 2. Februar 2018. Fazit: Ein Verlust an Börsenwert von fast 235 Mio. Euro in nur zweit Tagen scheint uns angesichts der gegenwärtigen Faktenlage dann doch etwas zu heftig. Antizyklisch orientierte Investoren greifen bei den aktuellen Kursen daher eher zu.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 685,90 | 779,32 | 872,40 | 1.026,04 | 1.812,48 | 1.968,28 | 1.658,03 | |
EBITDA1,2 | 44,80 | 95,13 | 122,15 | 166,32 | 503,33 | 240,32 | 121,62 | |
EBITDA-Marge3 | 6,53 | 12,21 | 14,00 | 16,21 | 27,77 | 12,21 | 7,34 | |
EBIT1,4 | 22,41 | 73,69 | 91,93 | 136,63 | 462,02 | 198,75 | 69,59 | |
EBIT-Marge5 | 3,27 | 9,46 | 10,54 | 13,32 | 25,49 | 10,10 | 4,20 | |
Jahresüberschuss1 | 15,10 | 51,70 | 63,79 | 93,55 | 315,83 | 132,16 | 20,15 | |
Netto-Marge6 | 2,20 | 6,63 | 7,31 | 9,12 | 17,43 | 6,71 | 1,22 | |
Cashflow1,7 | 11,08 | 44,33 | 71,68 | 117,18 | 325,03 | 26,09 | 116,78 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,24 | 0,84 | 1,01 | 1,47 | 4,97 | 2,08 | 0,31 | |
Dividende8 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Grant Thornton |