Wer – wie boersengefluester.de es seit jeher tut – regelmäßig auf Kapitalmarktkonferenzen unterwegs ist, wird die Investmentstory von Vectron Systems mit all ihren operativen Winkelzügen der vergangenen Jahre vermutlich schon zig mal gehört haben. Im Kern geht es darum, dass der auf Bäckereien und Restaurants ausgerichtete Anbieter von Kassensystemen sein Geschäftsmodell von ehemals überwiegend Hardware-basierten Erlösen sehr viel stärker auf wiederkehrende Umsatzströme aus digitalen Services – von der Buchhaltung bis hin zu Payment- und Bestelllösungen für Gäste – umstellt. Hört sich in der Theorie erstmal prima an, in der Praxis dauerte der Transformationsprozess trotz aller Fortschritte aber deutlich länger als gedacht. Kein Wunder, dass viele Anleger die Geduld bei Vectron Systems verloren hatten. Umso interessanter zu sehen, dass die Münsteraner bei ihren Aktivitäten nun endlich die entscheidenden Schritte vorankommen.
Eine zentrale Rolle nimmt dabei die mit Wirkung zum Jahresanfang 2023 übernommene Acardo Group aus Dortmund ein. „Wir sind an 50 Prozent aller Couponing-Aktionen beteiligt“, erklärt Acardo-Gründer Christoph Thye das Geschäftsmodell bei einer exklusiven Firmenpräsentation im Münchner 25hours Hotel. Insgesamt mehr als zwei Stunden dauert der Vortrag von Christoph Thye – und am Ende kann boersengefluester.de nur staunen, wie umtriebig Acardo unterwegs ist: Von der Konzeption und der technischen Umsetzung der verkaufsfördernden Maßnahmen bis hin zum Coupon-Clearing für die saubere finanzielle Abrechnung zwischen Markenherstellern und den umsetzenden Handelsketten wie REWE, Müller oder auch im Apotheken- und Kinosektor. „Der Schlüssel für unser Geschäft ist immer das Kassensystem. Das macht auch die Zusammenarbeit mit Vectron so spannend für uns“, sagt Christoph Thye, der als CMO (Chief Marketing Officer) mittlerweile auch in den Vorstand von Vectron Systems eingezogen ist.
Marktbegleiter von Acardo sind unter anderem die aus den USA stammende und hierzulande in Bad Homburg ansässige Catalina Marketing sowie im Clearing-Bereich die ehemals aus dem Procter & Gamble-Umfeld nach Europa gekommene Savi Marketing. Eine für Außenstehende nicht immer ganz leicht zu durchschauende Gemengelage, da die etablierten Gesellschaften in vielen Bereichen nicht nur Wettbewerber, sondern auch Partner sind. Das wiederum erhöht allerdings auch die Markteintrittsbarrieren für Einsteiger aus dem Start-up-Sektor. Aber auch für Vectron bietet der prominente Neuerwerb – der beizulegende Kaufpreis aus Festkomponente und ergebnisabhängigen Zahlungen beträgt immerhin fast 30 Mio. Euro – jede Menge Chancen. „Wir hatten bei Vectron immer ein sehr volatiles Geschäft. Unser Ziel ist es, von dieser Volatilität wegzukommen“, sagt CEO Thomas Stümmler bei der Präsentation in München und fügt an: „Der Anteil des Kassenverkaufs an den Gesamterlösen wird brutal kleiner.“ Entsprechend bezeichnet Stümmler Acardo auch als strategisch wichtigen Baustein, der das im Scale-Segment der Börse Frankfurt gelistete Unternehmen von der starken Abhängigkeit aus dem Restaurantbereich löst. Zudem kann Vectron die Expertise von Acardo aber auch für gemeinsame Lösungen im Food-Sektor nutzen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 32,38 | 24,83 | 25,17 | 27,77 | 38,23 | 25,22 | 37,02 | |
EBITDA1,2 | 2,25 | -0,45 | -1,37 | -2,19 | 4,71 | -3,86 | 3,72 | |
EBITDA-Marge3 | 6,95 | -1,81 | -5,44 | -7,89 | 12,32 | -15,31 | 10,05 | |
EBIT1,4 | 1,74 | -2,13 | -1,76 | -2,58 | 3,12 | -5,36 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 5,37 | -8,58 | -6,99 | -9,29 | 8,16 | -21,25 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 1,08 | -3,88 | -1,39 | -2,07 | 2,44 | -5,27 | -0,78 | |
Netto-Marge6 | 3,34 | -15,63 | -5,52 | -7,45 | 6,38 | -20,90 | -2,11 | |
Cashflow1,7 | -1,46 | -2,32 | -2,51 | -3,77 | 10,18 | -2,05 | 7,20 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,16 | -0,58 | -0,17 | -0,26 | 0,30 | -0,65 | -0,10 | |
Dividende8 | 0,05 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Nexia |
„Der Spaß kommt durch die Synergien“, sagt Stümmler. Entsprechend ambitioniert sehen auch die Mittelfristprognosen auf IFRS-Basis für Vectron Systems aus. So sollen die Erlöse bis 2025 auf bis zu 54 Mio. Euro steigen – bei einem EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) zwischen 7,3 und 9,7 Mio. Euro. Dabei sieht der Ausblick für das laufende Jahr Umsätze in einer Bandbreite von 36,0 bis 37,8 Mio. Euro sowie ein EBITDA von 1,3 bis 2,2 Mio. Euro vor. Zur weiteren Einordnung: Zum Halbjahr 2023 kommt Vectron Systems bei Erlösen von 18,53 Mio. Euro auf ein EBITDA von knapp 1,67 Mio. Euro. Etwas mehr als 80 Prozent des Ergebnisses steuerte dabei Acardo zu. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass unterm Strich noch immer ein Fehlbetrag von 467.000 Euro steht. „Das Unternehmen ist auf Kurs, das obere Ende seiner EBITDA-Prognose zu erreichen oder zu übertreffen. Die umgesetzten Kosteneinsparungen sollten größtenteils ab Jahresmitte wirksam werden und in den kommenden Monaten für zusätzlichen Rückenwind auf der Ergebnisseite sorgen“, betonen die Analysten von Warburg Research und setzen das Kursziel für die Vectron-Aktie bei immerhin 9,60 Euro an.
Der derzeitige Börsenwert von Vectron beträgt knapp 42 Mio. Euro – bei einer übernahmebedingt deutlich gestiegenen Netto-Finanzverschuldung von rund 16,5 Mio. Euro. Spätestens mit Blick auf die Prognosen für 2025 sieht der Unternehmenswert aber absolut geerdet aus und bietet reichlich Potenzial. Nur liefern muss das Team Vectron/Acardo nun eben auch, um das Vertrauen in den Titel wieder nachhaltig zu stärken. Asse im Ärmel sind dabei aber nicht nur Acardo, sondern insbesondere auch die neuen digitalen Lösungen von Vectron im Orderbereich für Restaurants.
Foto: Unsplash+
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