Zumindest die Shortseller haben Hochkonjunktur – und das ganz besonders bei Varta. Jedenfalls hat keine andere deutsche Aktie einen derart hohen Leerverkaufsanteil (zurzeit knapp 7,4 Prozent) wie der Batteriehersteller, wie ein Blick auf den von boersengefluester.de entwickelte Shortseller-Tool RegSHO zeigt. Vorläufiger Höhepunkt für die auf sinkende Kurse spekulierenden Leerverkäufer war die vor wenigen Tagen veröffentlichte Meldung, wonach der MDAX-Konzern seine ohnehin reduzierte Prognose für 2022 nun komplett zurückzieht. „Hintergrund sind die weiter gestiegenen Kosten für Energie und der Rohstoffpreise bei limitierter bzw. verzögerter Weitergabemöglichkeit an die Kunden. Zusätzlich verzögern sich die Lieferfreigabe bzw. Abrufe für zwei große Aufträge mit OEMs. Abhängig davon können gegebenenfalls signifikante Volumina in diesem Jahr nicht mehr ausgeliefert werden“, so die offizielle Begründung.
An der Börse sorgte die Mischung für einen nochmaligen Kurssturz und drückte die Notiz unter die Marke von 40 Euro. Das ist der tiefste Stand seit Frühjahr 2019. Kein Wunder, dass die Gerüchteküche um sinkende Abnahmemengen von Großkunden wie Apple oder auch Samsung – die Smartphone-Hersteller verbauen die Varta-Batterien in ihren kabellosen Kopfhörern – brodelt. Zudem sorgen sich die Anleger darum, wann und wie stark Varta mit seinen 4VDrive-Zellen tatsächlich in das zukunftsträchtige E-Mobilitäts-Segment vordringen kann. Kein Wunder, dass es nach der Präsentation von Investor Relations-Manager Bernhard Wolf auf dem von GBC und Apaton ausgerichteten International Investment Forum am 27. September nicht an Fragen mangelte. „Momentan gibt es viele Herausforderungen. 2022 wird daher ein Jahr des Übergangs“, sagt Bernhard Wolf und verspricht, dass es so schnell wie möglich eine neue Prognose geben wird.
Mit Details zu den Hintergründen der Verzögerungen hält er sich aber – wenig überraschend – zurück. Und auch was den Einfluss der hohen Energiekosten über das aktuelle Jahr hinaus angeht, gibt es keine belastbaren Prognosen. Immerhin sagt Wolf, dass Varta diesbezüglich Stresstests durchgeführt hat und im Ergebnis relativ robust dasteht. Nun: Viel mehr lässt sich derzeit wohl tatsächlich nicht sagen, zumal sich die globalen politischen Rahmenbedingungen zu schnell ändern können. Entsprechend stellt der IR-Manager in seiner Präsentation auch die technologische Kompetenz des Batterieherstellers in den Vordergrund und betont, dass sich die Gesellschaft bei ihren avisierten Marktanteilen in den geplanten Bandbreiten bewegt. Das alles hört sich nach einer ruhigen Hand an, die nicht so recht mit den massiven Kursverlusten an der Börse in Einklang zu bringen ist.
Aber klar: Aussagen zum KGV oder der Relation von Unternehmenswert (Enterprise Value) zum künftigen EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) sind gegenwärtig Kaffeesatzleserei. Entsprechend gemischt sind auch die momentanen Analysten-Einschätzungen: Die jüngsten Kursziele reichen von 39 bis 53 Euro. Mit Blick auf die aktuelle Notiz von 37 Euro ist das relativ ernüchternd. Trotzdem ist die Aktie für boersengefluester.de mindestens eine Halten-Position. Immerhin kostete die Aktie vor gut einem Jahr noch gut 150 Euro. Entsprechend halten wir das weitere Abwärtsrisiko für begrenzt.
Zudem dürfte die Aktie – bei einem besseren Börsenumfeld – regelmäßig in der Kategorie der „Gefallenen Engel“ auftauchen. Spätestens dann sollten auch die Shortseller nach und nach ihren Rückzug antreten. Nochmals zur Einordnung: Die bisherige Prognose für 2022 sah Umsatzerlöse zwischen 880 und 920 Mio. Euro sowie ein bereinigtes EBITDA von 200 bis 225 Mio. Euro vor. Zum Halbjahr lag Varta hier bei knapp 69 Mio. Euro. Wird also spannend, wo Varta am Ende tatsächlich rauskommen wird.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 242,16 | 271,65 | 362,69 | 869,58 | 902,93 | 806,92 | 820,00 | |
EBITDA1,2 | 33,09 | 47,39 | 91,62 | 212,63 | 282,18 | 66,99 | 47,00 | |
EBITDA-Marge3 | 13,66 | 17,45 | 25,26 | 24,45 | 31,25 | 8,30 | 5,73 | |
EBIT1,4 | 23,64 | 36,87 | 70,77 | 146,01 | 186,51 | -188,01 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 9,76 | 13,57 | 19,51 | 16,79 | 20,66 | -23,30 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 13,54 | 25,70 | 50,46 | 95,51 | 125,96 | -200,42 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | 5,59 | 9,46 | 13,91 | 10,98 | 13,95 | -24,84 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | 22,02 | 69,85 | 105,73 | 232,86 | 114,50 | 20,38 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,36 | 0,66 | 1,28 | 2,36 | 3,12 | -4,96 | -3,34 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 2,48 | 2,48 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Foto: Varta AG