„Wo sollen wir anfangen?“, fragt Erik Nagel, seit Mitte Juli 2023 Vorstand von UMT United Mobility Technology, zu Beginn des Hintergrundgesprächs in den Frankfurter Redaktionsräumen von boersengefluester.de. Schwer zu beantworten für uns, denn in der Vergangenheit ist so einiges schief gelaufen bei dem auf Digitalisierung, E-Commerce und Payment spezialisierten Beteiligungsunternehmen aus München: Von der komplett verkorksten und momentan in der Schwebe befindlichen Übernahme der in der Vermietung von Baumaschinen tätigen Buchberger-Gruppe, über eine Anfang Juli vom ehemaligen Vorstand völlig überraschende Ad hoc-Meldung bezüglich der Wertberichtigung von wesentlichen Firmenassets – insbesondere innerhalb UMS United Mobile Services GmbH – bis hin zu dem noch immer ausstehenden Geschäftsbericht für 2022.
All das ist abzulesen in einem auf All-Time-Low abgerutschten Aktienkurs von knapp 1,30 Euro. Bezogen auf die rund 5,29 Millionen ausgegebenen UMT-Aktien ergibt sich daraus ein Börsenwert von weniger als 7 Mio. Euro. Sehr viel kleiner geht es gar nicht in unserer rund 650 Aktien umfassenden Datenbank. Ende September hatte sich Erik Nagel bereits mit einer „Nachricht des Vorstandsvorsitzenden“ an die Investoren gewandt und in kompakter Form über die drängendsten Themen berichtet. Insbesondere die Buchberger-Akquisition ist eine hochkomplexe Angelegenheit, die momentan vor Gericht liegt. Die Kurzform geht ungefähr so: Der bisherige Eigentümer Klaus Buchberger bekommt aufgrund von Streitigkeiten über die Jahresabschlüsse kalte Füße bei dem Deal und stellt ihn quasi in Alleinregie beim Handelsregister wieder zurück auf die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse. UMT klagt dagegen, bekommt vom Landgericht Ingolstadt aber eine Abfuhr und setzt nun auf ein klärendes Urteil vom Oberlandesgericht München. Was für eine verrückte Geschichte.
Und dass ein amtierender Vorstand eines börsennotierten Unternehmens sich selbst als „Tatortreiniger“ bezeichnet, haben wir in unserer langjährigen Berufskarriere auch noch nicht erlebt. Nun hält sich Erik Nagel mit konkreten Aussagen bezüglich der weiteren Schritte von UMT aus verständlichen Gründen zurück – immerhin steht der Jahresabschluss für 2022 offenbar kurz vor der Feststellung. Es würde boersengefluester.de jedoch nicht überraschen, wenn Nagel drauf abzielt, den Komplex Buchberger so elegant wie nur möglich aus der UMT-Aktie herauszubekommen. Das ist insofern tricky, weil die Gesellschaft Stand jetzt ja formal gar nicht zum UMT-Konsolidierungskreis zählt. Das wiederum könnte sich mit einem entsprechenden Richterspruch aus München freilich wieder ändern und zusätzliche Schadenersatzforderungen zugunsten von UMT freisetzen.
Wir sind gespannt, wo Buchberger – inklusive potenziellem Besserungsschein – quasi zwischengeparkt wird. Dabei steht außer Zweifel, dass das Vermietgeschäft mit Baumaschinen, was UMT ursprünglich digitalisieren wollte, aufgrund der Krise am Bau spürbar an Attraktivität verloren hat. Kurzfristig noch kursrelevanter wird aber, wie CEO Erik Nagel mit der angekündigten nahezu Komplettabschreibung auf die Digitaltochter UMS (unter anderem Mobile Payment) umgehen wird. Normalerweise ist UMS so etwas wie die Keimzelle des gesamten Geschäftsmodells – mit engen finanziellen Verflechtungen innerhalb der Gruppe. Wäre schon irre, wenn es tatsächlich bei den im Sommer kommunizierten Wertberichtigungen bleiben würde. Aber das ist alles reine Spekulation: Klarheit bringt erst der anstehende Jahresabschluss mit allen Bilanz-Details.
Bestätigt hat Erik Nagel im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de, dass er sich weiter in engen Gesprächen bezüglich der möglichen Übernahme eines Dokumenten-Softwareanbieters befindet. Überhaupt soll die operative Ausrichtung nach dem Old-Economy-Ausflug Buchberger wieder stärker auf Tech getrimmt werden. Mit der in Trossingen ansässigen MEXS, die eine Messaging Plattform für mittelständische Unternehmen entwickelt hat, gehört seit Sommer 2022 bereits ein entsprechendes Unternehmen zum Portfolio. Per saldo bleibt die UMT-Aktie in der jetzigen Situation – so sehr der Titel auch am Boden liegt – jedoch ein extrem riskantes Engagement. Die Zahlen für 2022 dürften vermutlich deutlich rot gefärbt sein, auch wenn das Halbjahr noch nicht so aussah.
Die große Frage bleibt, wieviel Eigenkapital am Ende tatsächlich übrig bleibt und ob es gelingt, die Gesellschaft wieder auf Kurs zu bringen und das Geschäftsmodell zu skalieren. Dabei versichert uns CEO Erik Nagel, dass er die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt deutlich intensivieren will, was ein gutes Zeichen ist. Am Ende wollte Erik Nagel bei dem Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de jedenfalls kaum aufhören aufzulisten, was es alles an positiven Entwicklungen gibt, die derzeit vom Kapitalmarkt noch nicht wahrgenommen werden.
Foto: Shutterstock
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