Das ist ein herber Schlag für die chinesischen Unternehmen an der deutschen Börse: Schon wieder ein Betrugsfall. Bei Ultrasonic haben sich Vater und Sohn offensichtlich mit der Kasse abgesetzt. Zur Jahresmitte waren da rund 130 Mio. Euro drin. Der Aufsichtsrat des Schuhproduzenten teilte am 16. September mit: „Der CFO der Ultrasonic AG, Chi Kwong Clifford Chan, hat den Aufsichtsrat darüber informiert, dass er den CEO des Unternehmens, Qingyong Wu, sowie den COO des Unternehmens, Minghong Wu, seit dem Wochenende nicht mehr erreichen konnte. Daraufhin eingeleitete Nachforschungen haben ergeben, dass beide Vorstände ihre Wohnstätten offenbar verlassen haben und nicht auffindbar sind. Zudem wurde Herr Chan von der Buchhaltung darüber informiert, dass der ganz überwiegende Teil der liquiden Mittel, sowohl auf der China- als auch auf der Hongkong-Ebene, transferiert wurde und sich nicht mehr im Einflussbereich des Unternehmens befindet.“
Erste Warnsignale gab es bereits am 12. September: Da veröffentlichte Ultrasonic, dass der COO (Vorstand für das operative Geschäft) Minghong Wu, Sohn des Firmengründers, Großaktionärs und Vorstandschef, krankheitsbedingt seine Managertätigkeit für sechs Monate ruhen lässt und sich in klinische Behandlung begeben will. Sein Vater, Qingyong Wu, und zwei weitere altgediente Mitarbeiter sollten seine Tätigkeit vorübergehend übernehmen. Zudem wurde mitgeteilt, dass der Finanzvorstand (CFO), Clifford Chan, zum Ende des Monats das Unternehmen verlässt, weil er sich mehr um seine Familie in Hong Kong kümmern will. Ein Nachfolger, Man Kin Yeung, der am 1. Oktober sein Amt antreten soll, war auch schon gefunden. Yeung hat zuvor bei Amnesty International das Finanzielle geregelt.
Die Anleger reagierten verunsichert auf die Meldung. Der Aktienkurs fiel am 12. September in wenigen Minuten von 7,15 auf 5,75 Euro, um sich im Laufe des 15. September bei über 6,30 Euro wieder einzupendeln. Am 15. September um kurz vor 22 Uhr erhalten wir die Nachricht, dass nicht nur der junge, sondern auch der alte Wu nicht mehr im Unternehmen tätig seien und sie auch ihr Haus verlassen hätten. Wir rufen am Morgen des 16. September CFO Chan bei Ultrasonic an. Das Telefon ist abgestellt. Schließlich erreichen wir ihn in Hong Kong. Er erklärt uns, dass er bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden sei und nicht wisse, wo sich die Wus aufhielten. Damit haben wir wohl seine Neugier geweckt. Wenige Stunden später dann die Gewissheit: Die Wus sind weg und das Geld auch.
Aufsichtsratschef Johannes Mauser versucht Zuversicht zu verbreiten: „Die deutsche Holding AG verfügt jedoch über einen größeren sechsstelligen Euro-Betrag, so dass die Gesellschaft derzeit ihren Zahlungsverpflichtungen in gewohnter Weise nachkommen kann. Herr Chan und der Aufsichtsrat sind im Gespräch mit Behörden und Geschäftspartnern und arbeiten daran, weitere Informationen zu erhalten, um die Situation aufzuklären.“ Das klingt wie das berühmte „Pfeifen im Walde“. Ein sechsstelliger Betrag reicht nicht aus, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Es reicht vielleicht, um den Insolvenzantrag ein paar Monate rauszuschieben. Das haben uns leidgeprüfte Aufsichtsräte anderer Chinesen in Schieflagen sowie der Finanzvorstand der Neuemission Snowbird, Kok Wenig Lam, bestätigt.
Realistisch betrachtet ist Ultrasonic derzeit ohne Führung, ohne Geld und ohne Hoffnung. Zwei Manager haben sich abgesetzt und der dritte hat seinen Dienst regulär quittiert. Bleibt die Frage, wer den Karren aus dem Dreck ziehen soll? Wird der neue CFO Yeung unter diesen Umständen seinen Job überhaupt antreten? Der Aufsichtsrat selbst kommt gar nicht an das Geld. Auf der diesjährigen Hauptversammlung von Ultrasonic hatten wir bereits auf diesen Tatbestand hingewiesen. Unsere Forderung, einen ausreichenden Geldbetrag auf ein Konto mit Verwaltungsbefugnis des Aufsichtsrates anzulegen, hat Mauser abgelehnt. Ebenso unsere Warnung, dass die Vorstandschefs aller chinesischen Unternehmen einfach die Konten räumen und abhauen können. Überhaupt hat Mauser auf der Ultrasonic-HV eine jämmerliche Figur gemacht (siehe hierzu unseren Bericht von der HV), was uns zu Abzügen in der Vertrauensnote in unserem Scoring-Modell veranlasste. Es ist unbeschreiblich, welches naive Vertrauen – oder Betriebsblindheit – viele Aufsichtsräte von chinesischen Unternehmen an den Tag legen. Bei unserer jüngsten Reise nach China haben uns Anwälte recht deutlich vor Augen geführt, dass unter den derzeitigen Bedingungen die Aktionäre in Deutschland notierter Chinesen in Betrugsfällen so gut wie keine Chance haben, an ihr Geld zu kommen.
Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, wann die deutsche Ultrasonic AG Insolvenz anmelden muss. Hoffentlich wachen die anderen Aufsichtsräte nun auf und legen ihre Vorstände an die kurze Leine. Die Manager von Snowbird haben das erkannt und wollen Abhilfe schaffen. Schauen wir einmal, welchen – hierzulande üblichen Regeln – sie sich unterwerfen.