„Wir sind über 1,035 Milliarden”, sagte der Generalsekretär der Welttourismusorganisation UNWOT, Taleb Rifai, zu Jahresbeginn. Gemeint sind nicht Erlöse oder Gewinne, sondern die Zahl der weltweiten Touristen. Seit dem Krisenjahr 2009, als die Branche den schlimmsten Einbruch seit 60 Jahren verzeichnete, geht es wieder kontinuierlich aufwärts. Experten sehen sogar den Beginn einer beeindruckenden Entwicklung. Nach Schätzungen der UNWOT dürfte die Zahl der Reisenden bis 2020 jährlich um knapp vier Prozent wachsen. Sehr zur Freude von heimischen Reiseanbietern wie TUI, zumal die Deutschen im vergangenen Jahr für ihren Urlaub 64 Mrd. Euro ausgegeben haben und damit zu den Weltmeistern gehören. Doch in TUI steckt noch wesentlich mehr Fantasie. Seit Friedrich Joussen im Februar den Chefsessel von Michael Frenzel übernahm, wird der Konzern auf Erfolg getrimmt.
Mehr Profitabilität, weniger Schulden, Fokussierung auf Cashflow und Dividendenzahlung, mit dem Ziel, Interesse bei Value-Investoren zu wecken – die Ankündigungen von Joussen auf dem Strategie-Update im Frühjahr sind äußerst ambitioniert. Doch der neue Konzern-Chef scheint sein Sparprogramm rigoros umzusetzen. Auch langjährige Partner sind davon nicht ausgenommen. Jüngstes Beispiel ist der Rückzug als Trikot-Sponsor bei Hannover 96. Zehn Jahre dauerte die Partnerschaft, jetzt hält der neue Konzernlenker die jährlichen Kosten von 3 bis 4 Mio. Euro für verzichtbar.
An der Börse zeigen sich die Investoren bisher noch etwas skeptisch. Kein Wunder, dass laufende Geschäftsjahr ist als Übergangsjahr zu sehen und die Aufgaben sind gewaltig. Die Ankündigung einer Dividende für 2014/15 steht bisher nur symbolisch für die Neuausrichtung. Jetzt gilt es, auch Fakten zu liefern. Immerhin, im Jahresvergleich hat sich der Aktienkurs bereits mehr als verdoppelt, seit Jahresbeginn legte der Wert um 16 Prozent zu und liegt damit im MDAX im oberen Mittelfeld. Analysten sehen durchaus noch weiter Luft nach oben. Nachdem sich der Chef von TUI Deutschland, Christian Clemens vielversprechend zu den Sommerbuchungen äußerte, bestätigte die Commerzbank jüngst ihr Votum mit „Kaufen“ und sieht das Kursziel bei 9,70 Euro. Eine Spur optimistischer sind die Analysten vom Bankhaus Lampe und siedeln den fairen Wert bei 12 Euro an.
Katalysatoren für eine Outperformance gibt es reichlich. Vor allem eine Lösung für die verbliebene Beteiligung an der defizitären Reederei-Tochter Hapa-Lloyd von 22 Prozent dürfte der TUI-Aktie neue Fantasie einhauchen. Im Frühjahr scheiterte zwar die angepeilte Fusion der beiden größten deutschen Reedereien Hamburg Süd und Hapag-Lloyd. Ein Börsengang bleibt aber auf der Agenda und würde die Schuldenlast von TUI deutlich mildern. In dieser Disziplin kann der Konzern bereits Erfolge vorweisen: Ende 2010 lag die Nettoverschuldung noch bei 2,2 Mrd. Euro, zwei Jahre später bei 0,2 Mrd. Euro. Bis 2014/15 sollen über eine verschlankte Holdingstruktur und verringerte Zinsaufwendungen die Kosten um 130 bis 140 Mio. Euro sinken. Mit der Entschuldung soll zugleich die Ausschüttungsfähigkeit für 2014/15 erreicht werden. Zugleich müssen die einzelnen Bereiche einer Werthaltigkeitsprüfung standhalten. Während für das Kreuzfahrt-Segment wegen Überkapazitäten sogar ein Verkauf nicht ausgeschlossen werden kann, dürfte die Umstrukturierung im Hotel-Segment dank der erfolgreichen Marken wie RIU und Iberostar deutlich einfacher gelingen.
Planungen des Managements zufolge soll der Cash-Zufluss bis 2014/15 verdoppelt werden. 2011/12 kam TUI auf einen Cash-Strom von 98 Mio. Euro, von denen allein der Reiseveranstalter TUI Travel 83 Mio. Euro beisteuerte. Künftig sollen die Segmente Hotel+Resorts sowie Cruises 80 bis 110 Mio. Euro abliefern und den gesamten Cash-Zufluss auf 180 bis 220 Mio. Euro steigern. Nach Schätzungen vom Bankhaus Lampe könnte auf Basis eines Netto-Cash-Zuflusses von 80 bis 120 Mio. Euro und einer Ausschüttungsquote von 50 Prozent eine Dividende von 0,22 Euro herausspringen. Zuletzt zahlten TUI 2007 eine Dividende – 0,25 Euro je Aktie. Ob Joussen seine Ziele erreichen wird, hängt von vielen Einzelfaktoren ab. Genügend Fantasie ist jedenfalls vorhanden.
Für Anleger ist aber nicht nur die Aktie als mittel- bis langfristiges Direktinvestment interessant. Auch die TUI-Anleihe (WKN: TUAG05) lockt mit attraktiver Rendite. Angesichts der sich abzeichnenden operativen Verbesserungen erscheint vor allem das Rating von CCC (S&P) und Caa2 (Moody’s) übertrieben skeptisch. Aktuell liegt der Zinssatz bei 7,507 Prozent. Vierteljährlich erfolgt eine Anpassung, der nächste Termin steht für den Monatswechsel an. Der Kupon ist an den 3-Monats-Euribor gebunden, wobei TUI einen Zinsaufschlag von 730 Basispunkten zahlt. Neueinsteiger sollten sich das Papier noch vor der nächsten Anpassung genau anschauen, denn die positive Entwicklung des Euribor seit Mitte Mai lässt eine Kuponerhöhung Ende Juli erwarten.
Dieser Beitrag wurde von den Kollegen der boersengefluester.de-Partnerseite Feingold Research zur Verfügung gestellt.
Foto: TUI AG