Das ist schon irgendwie eine schräge Geschichte: Eine halbe Ewigkeit dümpelte die Notiz von Tomorrow Focus mehr oder weniger seitwärts, ehe sie im Frühjahr mit Karacho von knapp 4 Euro auf 5,50 Euro nach oben schoss. Damals gaben die Münchner bekannt, dass sie sich von ihrem Publishing-Bereich (unter anderem Focus Online, Huffington Post und Finanzen100), dem Kennenlernportal ElitePartner und der Ärztebewertungsplattform jameda trennen wollten, um sich künftig ganz auf das Reisegeschäft – in erster Linie ist das HolidayCheck – zu konzentrieren. Doch die Freude der Investoren währte nicht allzu lange. Hauptgrund: Im Netz tobt ein gnadenloser Wettbewerb um die Vermittlung der Urlaubsreisen. Zudem schlug bei der in der Schweiz ansässigen HolidayCheck AG die Aufwertung des Franken ins Kontor. Dementsprechend macht sich manch Anleger mittlerweile Gedanken, ob es tatsächlich so eine clevere Idee von Tomorrow Focus ist, alle Kräfte auf das Travelsegment zu bündeln. So schnell ändern sich mitunter die Einschätzungen auf dem Kapitalmarkt. Im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de lässt Dirk Schmelzer, Finanzvorstand von Tomorrow Focus, aber keinen Zweifel an dem eingeschlagenen Weg aufkommen: „HolidayCheck bietet hervorragende Investitionsmöglichkeiten. Und wir haben die finanziellen Möglichkeiten, das allerbeste Produktumfeld zu schaffen.”
Für einen unerwartet großen Mittelzufluss von fast 47 Mio. Euro sorgt dabei der kürzlich unter Dach und Fach gebrachte Verkauf von jameda – ausgerechnet an den Großaktionär Burda Digital, der sich im Frühjahr bereits die Publishing-Aktivitäten von Tomorrow Focus sicherte. Dem Vernehmen nach lag die erfolgreiche Offerte von Burda um knapp 500.000 Euro über dem Gebot des nächsten Wettbewerbers. Offenbar hat es sich um ein heißes Bietergefecht um die Doktorseite gehandelt, bei dem die Preise am Ende nochmal deutlich in die Höhe geschossen sind. Darauf deuten auch die Äußerungen von Tomorrow Focus im Neun-Monats-Bericht hin, für den wenige Tage zuvor Redaktionsschluss war. Hier kalkuliert das Management nämlich noch mit einem Verkaufserlös aus den Beteiligungen zwischen 80 und 90 Mio. Euro. Mittlerweile addieren sich die Einnahmen aus den Transaktionen (Publishing: 30,2 Mio. Euro, ElitePartner: 22,0 Mio. Euro, jameda: 46,8 Mio. Euro) nämlich bereits auf 99 Mio. Euro. Hinzu kommt noch die ebenfalls zur Disposition stehende digitale Dokumentenablage organize.me, die vermutlich in einer Spanne von 1 bis 2 Mio. Euro anzusetzen ist.
Den Großteil des Geldes wird Tomorrow Focus vermutlich in die technische Weiterentwicklung von holidaycheck.de sowie dem niederländischen Reiseportal Zoover stecken. Nicht auszuschließen ist darüber hinaus, dass Tomorrow Focus sich durch Firmenzukäufe nochmals verstärkt. Nach den mitunter nicht sonderlich glücklichen Erfahrungen bei der internationalen Expansion, gehen wir aber davon aus, dass die Stärkung der bestehenden Marken klare Priorität hat. Spekuliert wird in Finanzkreisen zudem, dass die Münchner einen Teil des Geldes in Form einer Sonderausschüttung an die Aktionäre weiterreichen. Noch will sich Schmelzer hier aber nicht festlegen. Kein Wunder: Mit Georg Hesse kommt der neue Vorstandschef erst im Februar 2016 an Bord. Und es bleibt abzuwarten, welche Schwerpunkte der jetzige Amazon-Manager bei seinem Amtsantritt setzen wird. Die Erwartungen an den Online-Profi sind jedoch enorm. Hinsichtlich einer Sonderausschüttung wird demnach wohl frühestens auf der Hauptversammlung im Jahr 2017 eine Entscheidung getroffen. Bereits auf dem Aktionärstreffen im Juni 2016 soll jedoch über eine Umfirmierung der Gesellschaft entschieden werden. Branchenkenner gehen davon aus, dass der Name „holidaycheck” dabei die zentrale Rolle spielen wird.
Enttäuschend bleibt aus Anlegersicht derweil das Abtauchen der Aktie von Tomorrow Focus. Zwar scheint die Notiz bei rund 3 Euro einen sehr soliden Boden ausgebildet zu haben. Doch der Blick nach oben ist noch immer verschwommen. Dabei hat der Titel stattliches Aufwärtspotenzial. Beim gegenwärtigen Kurs von 3,37 Euro erreicht die Marktkapitalisierung 196,5 Mio. Euro. Zur Einordnung: Mitte 2013, als Tomorrow Focus seinen Anteil an HolidayCheck auf 100 Prozent erhöhte, geschah dies auf Basis einer Bewertung von 255 Mio. Euro für das Portal. Zwar haben sich zuletzt einige Parameter zum Nachteil entwickelt. Doch wohl kaum in dem Umfang, den die Börsianer derzeit als Abschlag vornehmen. Deutlich wird der Discount auch am gegenwärtigen Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von nur knapp 1,4. Der von boersengefluester.de ermittelte Zehn-Jahres-Durchschnittswert liegt dagegen bei knapp 2,0. Interessant wird zudem, wie sich Großaktionär Burda mittelfristig positionieren wird. Noch hält das auch bei XING und Zooplus engagierte Medienhaus knapp 59 Prozent an Tomorrow Focus. Zementiert ist dieser Prozentsatz aber nicht – wie bei Zooplus könnte Burda auch bei Tomorrow Focus nach vielen Jahren auf den Exit drängen. Das muss nicht zwangsläufig schlecht für den Small Cap sein. Für Anleger mit Geduld bleibt die Aktie also aussichtsreich.