Bei der Aktie des Cannabis-Unternehmens SynBiotic bekommt der Begriff All-Time-High fast schon eine neue Bedeutung. Fakt ist aber, dass die Notiz durch die von der neuen Ampel-Koalition geplanten Legalisierung von Cannabis einen gewaltigen Push von in der Spitze rund einem Drittel auf bis zu 29,40 Euro erhalten hat und sich dem Rekordhoch vom Februar bei knapp 30 Euro bis auf eine Winzigkeit nähert. Zusätzlich angetrieben hat die Blitzstudie von Hauck & Aufhäuser zum Koalitionsvertrag: Immerhin haben die Analysten hier ihr stattliches Kursziel von 75 Euro für die SynBiotic-Aktie ausdrücklich bestätigt. Deutlich tiefer – nämlich bei 37 Euro – setzen derweil die Analysten von AlsterResearch die ihrer Meinung nach faire Bewertung für den Small Cap an. Die enorme Spanne zwischen beiden Studien zeigt bereits, dass die Anfang 2020 über den Börsenmantel der Ledgertech SE zunächst am Düsseldorfer Freiverkehr gestartete SynBiotic noch in einer frühen Phase befindet. Trotzdem: Die annähernde Milliarden-Bewertung, die für das Unternehmen auf nahezu allen gängigen Finanzportalen angezeigt wird, stimmt so nicht.
Nach der jüngsten Kapitalerhöhung hat die Gesellschaft 3.674.000 Aktien im Umlauf, womit der Börsenwert beim jetzigen Kurs von 28,60 Euro knapp 105 Mio. Euro beträgt, was aber eh schon beachtlich ist. Höchstens 12,5 Prozent davon befinden sich allerdings im Streubesitz. Maßgeblicher Investor ist Multi-Unternehmer Christian Angermayer, der die Stücke zuletzt von der Social Chain Group übernommen hat und damit sein auf psychedelische Substanzen ausgerichtetes Börsenportfolio um Atai Life Science und Compass Pathways ergänzt. Wer sich als Privatanleger in den vergangenen Monaten ein Bild von SynBiotic und dem Geschäftsmodell machen wollte, konnte das bereits auf etlichen YouTube-Videos mit Vorstand Lars Müller tun (etwa HIER). Auf dem Eigenkapitalforum der Deutschen Börse AG trat Lars Müller nun auch auf einer klassischen Kapitalmarktkonferenz – wenngleich ebenfalls im virtuellen Format – auf.
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, betonte er gleich zu Beginn seiner Präsentation: „SynBiotic ist keine reine Cannabis-Company.“ So hat das Unternehmen mit CBPlus kürzlich ein alternatives CBD-Extrakt vorgestellt, was nicht aus Hanf gewonnen wird – aber die gleichen beruhigende, schmerzstillenden, entzündungshemmende und entkrampfende Wirkung entfaltet. Dieser Ansatz ist schon insofern wichtig, weil sich SynBiotic damit auch Märkte wie Japan oder die Türkei erschließt, in denen die Handhabung von Cannabis deutlich restriktiver gehandhabt wird. Ab 2022 soll der weltweite Verkauf von CBPlus starten. Trotzdem: Ziel von SynBiotic ist es, via Zukäufe zu der führenden europäischen Healthplattform rund um das Thema Cannabinoide zu werden.
Acht Unternehmen gehören bereits zum Verbund der formal in München ansässigen Gesellschaft. Doch Lars Müller lässt keinen Zweifel daran, dass es künftig noch deutlich mehr werden und er entsprechend viele Gespräche führt: „Die spannendste Zeit in Europa haben wir erst vor uns.“ Das künftige Wachstum soll jedenfalls zu mehr als 55 Prozent anorganischer Quelle sein. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass Kapitalerhöhungen bei Firmen wie SynBiotic jederzeit möglich sind, auch wenn die Gesellschaft nach der jüngsten Finanzierung mit rund 7 Mio. Euro Mittelerlös erst einmal gut aufgestellt ist.
Spätestens mit dem avisierten Zweitlisting an der NEO Exchange in Toronto dürfte jedoch eine neuerliche Kapitalmaßnahme folgen. Über die Listingpläne in Kanada hatte boersengefluester.de bereits berichtet (HIER). Wenig überraschend geht es in erster Linie darum, sich neue Investorenkreise zu erschließen und im Zuge dessen auch den Bewertungsabstand zu bekannten Gesellschaften wie Canopy Growth, Tilray oder der Cronos Group zu verringern. Kurz noch für ein besseres Bauchgefühl: Die Analysten von Hauck & Aufhäuser rechnen damit, dass SynBiotic bereits 2023 auf Erlöse von rund 50 Mio. Euro kommen kann und dabei ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von annähernd 5 Mio. Euro erwirtschaftet. Insgesamt aber eine hoch spekulative Aktie, soviel sollte jedem potenziellen Investor klar sein. Die Kursschwankungen sind enorm.
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