Seit mittlerweile mehr als drei Jahren ist Stemmer Imaging nun börsennotiert. Anfangs im Spezialsegment Scale, im Mai 2019 erfolgte das Uplisting in den Prime Standard. Wer die Aktie des Anbieters von Bildverarbeitungstechnologien seit dem IPO im Depot hat, liegt zwar immer noch hinten, doch die Chancen auf weiter steigende Aktienkurse stehen gut. Die zuletzt vorgelegten Zahlen sehen deutlich besser aus als ursprünglich zu vermuten war, und auch der Ausblick lässt hoffen – bei aller gebotenen Vorsicht. Die Analysten von Warburg Research trauen der Stemmer-Aktie einen fairen Wert von 34 Euro zu, was einem Potenzial von annähernd 50 Prozent entspricht. Ebenfalls positiv: Nach der ausgesetzten Dividende im Vorjahr, schlägt die in Puchheim bei München ansässige Gesellschaft zur Hauptversammlung am 9. Juni 2021 eine Dividende von 0,50 Euro vor, was den Anteilschein auf eine Rendite von immerhin gut zwei Prozent befördert. Im Interview mit boersengefluester.de verraten CEO Arne Dehn und COO Uwe Kemm, wie es aktuell bei Stemmer läuft und welche Produkte besonderes Wachstum versprechen. Aber auch zu dem in Investorenkreisen immer wichtiger werdenden Themenkomplex ESG nehmen die Manager Stellung.
Herr Dehn, zunächst einmal Glückwunsch zu Ihrer Wiederbestellung als Vorstandschef bis Ende 2026. Wie fällt das Fazit Ihrer bisherigen Amtszeit aus? Welche Ziele haben Sie mit Stemmer Imaging bereits erreicht?
Arne Dehn: Herzlichen Dank. Unsere höchste Priorität ist es, dass Stemmer Imaging für unsere Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, unsere Aktionäre sowie weitere Stakeholder zuverlässig agiert, mit dem Ziel die langfristige Entwicklung und den Unternehmenswert der Gesellschaft nachhaltig zu steigern. Wir sind seit der Transformation zu einem Börsenunternehmen mit einem tollen Management Team und hervorragenden Mitarbeitern klar und deutlich auf die Umsetzung unserer strategischen Ziele ausgerichtet. Und das mittlerweile auch sturmerprobt, nachdem Corona auch uns vor ganz neue Herausforderungen gestellt hat.
Sie sprechen es an, auch Stemmer Imaging konnte sich den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nicht entziehen. Dennoch haben Sie Ihre Guidance 2020 nach einem starken vierten Quartal übertroffen. Sie sehen das Unternehmen durch diese Krise stärker für eine erfolgreiche Zukunft aufgestellt. Könnten Sie uns dies bitte näher erläutern?
Arne Dehn: Das zweite Quartal 2020 hat uns viel Unbekanntes gebracht. Wir haben entschlossen und gleichzeitig zukunftsorientiert gehandelt. Wir haben unsere Ausrichtung der strategischen Ziele geschärft, unsere Abläufe verbessert und weiter digitalisiert. Insgesamt haben wir die Krise genutzt, um schneller, effizienter und resilienter zu werden – und auch unsere Kostenbasis verbessert. Das werden wir im jetzigen Aufschwung in konkrete Ergebnisverbesserungen umsetzen können.
Herr Kemm, wie stellt sich die aktuelle Situation dar? Inwiefern beeinträchtigt die andauernde Lockdown-Situation noch Ihr Geschäft und wie haben Sie sich darauf eingestellt?
Uwe Kemm: Unsere Mitarbeiter arbeiten im Hybrid-Modell, also im Büro und auch im Homeoffice. Natürlich setzen wir alle Maßnahmen zum Gesundheitsschutz um. Derzeit sehen wir eine sich anspannende Liefersituation durch den ansteigenden Nachfrageschub. Der Lockdown hat im vergangenen Jahr viele Investitionsentscheidungen bei unseren Kunden temporär auf Eis gelegt. Die Auflösung dieses Nachfragestaus sorgt jetzt für entsprechende Nachholeffekte. Mit unseren überarbeiteten Prozessen profitieren wir jetzt durch die verbesserte Skalierbarkeit.
Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf den weiteren Jahresverlauf? Die Umsatzprognose umfasst mit 111 bis 121 Mio. Euro eine recht große Spanne – wie ist es generell um die Visibilität bestellt?
Uwe Kemm: Der Aufwärtstrend des zweiten Halbjahres 2020 und der Geschäftsverlauf des ersten Quartals 2021 stimmen uns grundsätzlich positiv. Gleichzeitig sehen wir, dass Corona mit der dritten Welle noch Infektionszahlen verursacht, welche die Märkte zumindest im ersten Halbjahr wieder negativ beeinflussen könnten. Wir werden die Entwicklungen des ersten Halbjahres abwarten müssen, um den jetzigen Optimismus auch für die Gesamtjahresprognose anzuwenden. Vieles hängt sicherlich auch mit dem Fortschreiten der Impfungen weltweit und der nachhaltigen Eindämmung der Pandemie zusammen. Es wäre uns allen zu wünschen.
Bei der Vorstellung der 2020er-Zahlen haben Sie insbesondere die „überproportional positive Entwicklung in den strategischen Zielmärkten“ betont. Welche sind dies konkret und wie ist Stemmer Imaging dort aufgestellt?
Uwe Kemm: Bildverarbeitungstechnologie findet zunehmend Anwendung im nicht-industriellen Umfeld und bietet hier überdurchschnittliche Wachstumspotenziale. Wir haben die Märkte Lebensmittel & Landwirtschaft, Sport & Entertainment, Transport & Logistik, Druck & Verpackung, Rohstoffe & Schüttgut, Fabrikautomation sowie Metrology als unsere strategischen Zielmärkte definiert. Zusätzlich sehen wir hohes Wachstumspotenzial für bestimmte Bildverarbeitungsanwendungen wie „Track & Trace“, „Sorting“ und „Grading“, um hier beispielhaft einige zu nennen. Hier erwarten wir auch weiterhin zweistellige Wachstumsraten.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 100,63 | 108,97 | 118,60 | 103,10 | 130,12 | 155,37 | 146,29 | |
EBITDA1,2 | 6,39 | 6,98 | 10,80 | 7,21 | 17,36 | 28,24 | 26,95 | |
EBITDA-Marge3 | 6,35 | 6,41 | 9,11 | 6,99 | 13,34 | 18,18 | 18,42 | |
EBIT1,4 | 4,15 | 5,52 | -0,58 | -1,55 | 13,43 | 24,34 | 21,86 | |
EBIT-Marge5 | 4,12 | 5,07 | -0,49 | -1,50 | 10,32 | 15,67 | 14,94 | |
Jahresüberschuss1 | 2,94 | 4,38 | -1,40 | -3,32 | 10,45 | 17,97 | 15,73 | |
Netto-Marge6 | 2,92 | 4,02 | -1,18 | -3,22 | 8,03 | 11,57 | 10,75 | |
Cashflow1,7 | 3,35 | 4,94 | 1,95 | 10,88 | 7,97 | 15,90 | 20,31 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | 0,67 | -0,22 | -0,51 | 1,61 | 2,77 | 2,42 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,50 | 0,00 | 0,50 | 0,75 | 3,00 | 2,70 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Hinweis zur Tabelle: 2019 war ein Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Juli bis 31. Dezember 2019
Herr Dehn, Stemmer Imaging hat sich seit dem Börsengang in 2018 durch Zukäufe deutlich internationaler aufgestellt. Läuft die Entwicklung der ausländischen Töchter nach Plan?
Arne Dehn: Ja, wir sind sehr gut aufgestellt und haben im vergangenen Jahr organisches Wachstum wie zum Beispiel in der Schweiz, Benelux und Dänemark gesehen. Unsere breite regionale Aufstellung macht uns unabhängiger von Einzelmärkten. Darüber hinaus erleben wir im Moment bei vielen internationalen Kunden, dass sie ihr eigenes regionales Set-up überprüfen und Standorte von einem Land in ein anderes verlagern. Wir können das gut durch unsere Präsenz und die gute Zusammenarbeit der Regionen abbilden. Das ist ein echtes Differenzierungskriterium. Wir wollen aber noch weiter international expandieren, sowohl in bestehenden als auch in neuen Märkten.
Die Bedeutung von ESG-Kriterien für Investoren hat zuletzt deutlich zugenommen. Wie begegnet Stemmer Imaging diesen Anforderungen?
Arne Dehn: Das zunehmende Interesse unserer Stakeholder an den Fortschritten im Bereich Nachhaltigkeit dient uns als Ansporn, unser Engagement in allen drei ESG-Bereichen weiter auszubauen. Wir orientieren uns bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele an den UN Sustainable Development Goals und sind zudem Mitglied im weltweiten UN Global Compact Netzwerk für verantwortungsvolle Unternehmensführung. In unserer täglichen Umsetzung ist das ESG-Kriterium „Environment“ (Umwelt) von großer Bedeutung für uns, wenn es beispielsweise darum geht, den Einsatz von Verpackungsmaterialien zu reduzieren. Hier haben wir im vergangenen Jahr bereits einige wichtige Initiativen gestartet.
Kommen wir auf die Finanzkennzahlen zu sprechen. Besonders auffällig bei den 2020er-Zahlen war der starke Free Cashflow in Höhe von 10,5 Mio. Euro, der zu einer Erhöhung der Netto-Cash-Position auf 22,6 Mio. Euro führte. Gab es hier Sondereffekte? Wie nachhaltig ist diese Cashflow-Stärke?
Arne Dehn: Unser Geschäftsmodell ist asset-light und wir haben einen attraktiven Cash Cycle. Unsere Prozesse im Bereich Working Capital sind robust und wir schaffen es daher, im operativen Geschäft einen positiven Cashflow zu generieren. Gleichzeitig war das vergangene Jahr natürlich unterdurchschnittlich ausgeprägt im Bereich sonstiger betrieblicher Ausgaben. Dies ist neben unserer temporären Zurückhaltung im Bereich M&A als Sondereffekt 2021 zu verbuchen. M&A steht jetzt wieder auf der Agenda, bei den sonstigen betrieblichen Ausgaben haben unsere Prozessverbesserungen im „Neuen Normal“ sicherlich langfristig einen positiven Effekt. Unsere Zielstellung bleibt ein starker, positiver operativer Cashflow.
Was hat Sie nach der Nullrunde im Vorjahr dazu bewogen, die Dividendenzahlung wieder aufzunehmen? Wie sieht die Ausschüttungspolitik grundsätzlich aus?
Arne Dehn: Die Nullrunde im vergangenen Jahr war aus Gründen der Vorsicht, nachdem wir noch kein Bild davon hatten, was Corona für uns letztendlich bedeuten könnte. Unsere Ausschüttungspolitik ist grundsätzlich auf eine stabile Dividende ausgelegt, die sich am Niveau der letzten Jahre orientiert, wenn wir einen positiven Bilanzgewinn erzielen. Das war im vergangenen Jahr auch der Fall, daher sind wir froh, unseren Aktionären wieder einen Dividendenvorschlag von 0,50 Euro je Aktie machen zu können.
Ihr neues Vorstandsmandat läuft bis Ende 2026. Was wollen Sie in diesen knapp sechs Jahren mit Stemmer Imaging erreichen?
Arne Dehn: Ein Umsatz von über 200 Mio. Euro und eine EBITDA-Marge von mehr als 10 Prozent bleibt unser mittelfristiges Ziel. Dafür haben wir eine klare Agenda, wie wir uns auf diese Zielstellung hinbewegen. Das beginnt damit, dass wir als Stemmer Imaging Team unser Know-how und Engagement einsetzen, jeden Tag einen guten Job zu machen, zusammen, wertbasiert und nachhaltig. Erfolg ist das Resultat von stetiger und konzentrierter Arbeit. Wir sind sicher, dass wir hier gemeinsam viel erreichen werden.
Arne Dehn trägt als Vorstandsvorsitzender der Stemmer Imaging AG seit März 2019 die Verantwortung für die Bereiche Konzernstrategie und -entwicklung, Marketing, Produktmanagement, die Steuerung der Regionen, sowie Einkauf und Logistik, Finanzen, Investor Relations und M&A. Dehn ist Jahrgang 1969 und hat mehr als 20 Jahre Führungserfahrung bei verschiedenen Unternehmen – unter anderem Siemens, Honeywell Automation und der TKH Group.
Uwe Kemm ist seit April 2020 Chief Operating Officer (COO) und verantwortet die Bereiche New Business & Konzernentwicklung, International Sales Enablement, Technischer Support, Vision Systems, Entwicklung, IT sowie Personalwesen und Organisationsentwicklung. Zuvor war er selbständiger Berater und Interim Manager. Begonnen hat er seine Karriere bei er Integrata AG. Kemm ist Jahrgang 1961.
Fotos: Stemmer Imaging AG