Prominenter hätte die Werbung damals kaum sein können: Immerhin bezeichnete Klaus Weinmann, ehemaliger CEO und Mitgründer des MDAX-Konzerns Cancom, Stemmer Imaging kurz vor dem Börsengang im Februar 2018 als das „spannendste IPO seit Cancom“. Die Schützenhilfe kam freilich nicht von ungefähr, immer gehört Weinmann über die Beteiligungsgesellschaft Primepulse indirekt zu den Großaktionären des Spezialisten von Bildbearbeitungstechnologien. Gut zwei Jahre später sieht die Bilanz als Neuemission – damals noch im Freiverkehrssegment Scale – alles andere als spannend aus: Mit knapp 15 Euro notiert die Aktie von Stemmer Imaging um rund 55 Prozent unter dem Ausgabepreis von 34 Euro. Rückblickend eine Konsequenz aus vielen Einflussfaktoren: So war der Emissionspreis zu üppig angesetzt, das Markt- und Wettbewerbsumfeld ist spürbar intensiver geworden, eigene Prognosen wurden infolge dessen gerissen – und last but not least gab es noch zwei Wechsel auf Vorstandsebene.
Auf der Habenseite steht dagegen, dass sich die in Puchheim bei München ansässige Gesellschaft auch über die Akquisitionen des französischen Distributors Elvitec und dem spanischen Soft- und Hardwareanbieter Infaimon breiter und vor allen Dingen auch internationaler aufgestellt hat. Mittelfristiges Ziel ist es, bei Umsätzen von mehr als 200 Mio. Euro eine EBITDA-Marge von zehn bis zwölf Prozent zu erwirtschaften. Das wiederum würde auf ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von mindestens 20 bis 24 Mio. Euro hinauslaufen. Zur Einordnung: Der aktuelle Börsenwert von Stemmer Imaging beträgt 97,5 Mio. Euro – bei Netto-Finanzverbindlichkeiten von knapp 6 Mio. Euro. Sollte der Plan aufgehen, wäre das vor knapp einem Jahr in den Prime Standard gewechselte Unternehmen aus heutiger Sicht also durchaus moderat bewertet.
Doch vorerst sieht die Realität noch ruppig aus: Das Ende Dezember beendete Sechs-Monats-Rumpfgeschäftsjahr 2019, mit dem Stemmer Imaging die Abrechnung auf das Kalenderjahr umstellt, brachte zwar im Rahmen der Erwartungen liegende Erlöse von 62,34 Mio. Euro. Beim dem um Sondereffekte adjustierten EBITDA von 4,82 Mio. Euro (unbereinigtes EBITDA: 1,95 Mio. Euro) hat Stemmer jedoch klar die avisierte Bandbreite von 5,5 bis 7,1 Mio. Euro gerissen. Unterm Strich blieb ein Fehlbetrag von 1,40 Mio. Euro stehen – nach einem Überschuss von 4,38 Mio. Euro für die zwölf Monate des Geschäftsjahrs 2018/19 (30. Juni). Entsprechend gibt es auch keine Dividende. CEO Arne Dehn spricht im jetzt vorgelegten Geschäftsbericht derweil von einer Verbesserung der „strategischen Absprungbasis“. Eine Wortschöpfung, die boersengefluester.de so auch nicht kannte, aber man lernt ja nie aus. Was Vorstandschef Dehn konkret meint: „Wir haben im Rumpfgeschäftsjahr zusätzliche Aufwendungen für organisatorische und strukturelle Maßnahmen realisiert und Projekte im Entwicklungsbereich vorgezogen. Das Jahresende war dann geprägt durch kurzfristige Abrufaufträge mit überdurchschnittlich ressourcenintensivem Projektgeschäft.“
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 100,63 | 108,97 | 118,60 | 103,10 | 130,12 | 155,37 | 146,29 | |
EBITDA1,2 | 6,39 | 6,98 | 10,80 | 7,21 | 17,36 | 28,24 | 26,95 | |
EBITDA-Marge3 | 6,35 | 6,41 | 9,11 | 6,99 | 13,34 | 18,18 | 18,42 | |
EBIT1,4 | 4,15 | 5,52 | -0,58 | -1,55 | 13,43 | 24,34 | 21,86 | |
EBIT-Marge5 | 4,12 | 5,07 | -0,49 | -1,50 | 10,32 | 15,67 | 14,94 | |
Jahresüberschuss1 | 2,94 | 4,38 | -1,40 | -3,32 | 10,45 | 17,97 | 15,73 | |
Netto-Marge6 | 2,92 | 4,02 | -1,18 | -3,22 | 8,03 | 11,57 | 10,75 | |
Cashflow1,7 | 3,35 | 4,94 | 1,95 | 10,88 | 7,97 | 15,90 | 20,31 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,45 | 0,67 | -0,22 | -0,51 | 1,61 | 2,77 | 2,42 | |
Dividende8 | 0,50 | 0,50 | 0,00 | 0,50 | 0,75 | 3,00 | 2,70 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Baker Tilly |
Für das Gesamtjahr 2020 kalkuliert der Vorstand im gegenwärtigen Marktumfeld mit Erlösen zwischen 105 und 120 Mio. Euro sowie einem EBITDA von 3 bis 7 Mio. Euro. Zumindest in der unteren EBITDA-Ausprägung würde Stemmer Imaging 2020 damit wohl erneut auf rote Zahlen zusteuern. Man muss kein Prophet sein um zu erahnen, dass die ursprünglichen Analystenprognosen von ganz anderen Zahlen ausgingen. Angesichts der globalen Verwerfungen ist das allerdings verschüttete Milch. Vielmehr kommt es darauf an, dass Stemmer Imaging die aktuell schwierige Situation so gut es geht meistert. Zuversicht besteht durchaus. „Unsere Kunden suchen gerade in schwierigen Marktphasen starke Partner, die zuverlässig und kompetent Lösungen erarbeiten, die im derzeit angespannten Investitionsklima kurzfristig rentabel sind“, sagt CEO Arne Dehn. Auch Klaus Weinmann beziehungsweise Primepulse trauen der Gesellschaft den Dreh zu und haben ihr Engagement kürzlich wieder leicht aufgestockt auf 56,49 Prozent (HIER). Und im Normalfall hat Weinmann ein gutes Näschen, auch wenn er bei der IPO-Prognose deutlich daneben lag.
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